Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Unterhaltssache der Antragstellerin Natalie A*****, vertreten durch Dr. Franz Schöberl, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Antragsgegner Eduard B*****, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 23. März 2007, GZ 45 R 454/06g-U41, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom 1. Juni 2006, GZ 1 P 3/01i-U25, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden - soweit sie die Antragstellerin betreffen - im Umfang der Abweisung aufgehoben. Dem Erstgericht wird insoweit eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
Aufgrund eines Beschlusses des Erstgerichts vom 31. 1. 2002 war der Antragsgegner verpflichtet, der Antragstellerin ab 1. 1. 2002 monatliche Unterhaltsbeiträge von 260 EUR zu zahlen. Die Antragstellerin beantragte am 25. 8. 2005 die Erhöhung des monatlichen Unterhaltsbeitrags ab 25. 8. 2002 auf 1.003 EUR. Sie brachte dazu im Wesentlichen vor, der bisher zuerkannte Unterhaltsbetrag reiche nicht mehr aus, um ihre (gestiegenen) Bedürfnisse zu decken. Der Vater „könnte als Geschäftsführer, Prokurist, Geschäftsinhaber (Barbesitzer)" wenigstens monatlich 6.313,20 EUR netto (inklusive der anteiligen Sonderzahlungen) ins Verdienen bringen. Dieses Einkommen stehe dem Vater schon seit der Scheidung im Jahr 1994 zur Verfügung. Darüber hinaus bezog sich die Antragstellerin auf gleichzeitig mit dem Antrag vorgelegte Urkunden (Niederschrift mit ihrer Mutter und zwei Detektivberichte). Wenige Tage nach der Antragstellung, bei der die damals noch mj Antragstellerin durch das Amt für Jugend und Familie vertreten wurde, langte ein Schreiben ihrer (damaligen) Rechtsvertreter beim Erstgericht ein. Darin wird erklärt, der Antrag vom 26. 8. 2005 (richtig wohl: vom 25. 8. 2005) werde unter anderem dahin verbessert, dass es „auf Seite 5 des Antrags" - gemeint ist offenbar die dem Antrag angeschlossene Niederschrift - heißen müsse: „Es ist davon auszugehen, dass der Kindesvater in Wahrheit ein monatliches Bruttoeinkommen von zumindest 10.000 EUR verdient ....". Das Erstgericht forderte den Vater gemäß § 17 AußStrG zur Äußerung zum Antrag auf Unterhaltserhöhung binnen drei Wochen auf; im Falle einer unterlassenen Äußerung werde angenommen, dass dem Antrag keine Einwendungen entgegengesetzt werden. Dieser Aufforderung waren eine Kopie des Antrags und der Niederschrift mit der Mutter sowie des erwähnten Schreibens der Rechtsvertreter angeschlossen. Der Vater äußerte sich zum Unterhaltserhöhungsantrag nicht.
Das Erstgericht gab dem Erhöhungsantrag insoweit statt, als es für näher bezeichnete Zeiträume weitere Beträge zwischen 70 und 147 EUR monatlich zusprach; das Mehrbegehren wies es jeweils ab. Es stellte fest, dass der Vater insgesamt für drei Kinder unterhaltspflichtig sei. Der seinerzeitigen Unterhaltsfestsetzung mit 260 EUR monatlich sei ein fiktives Einkommen von 1.526 EUR zugrundegelegt worden. Im Verfahren eines mj Sohnes sei in einem Beschluss vom 9. 1. 2002 ein durchschnittliches Einkommen von 1.816 EUR (inklusive Sonderzahlungen) angenommen worden. Im fraglichen Zeitraum habe der Vater immer nur kurzfristig bei verschiedenen Arbeitgebern gearbeitet. Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, aus den vorgelegten Detektivberichten sei nicht ersichtlich, dass der Vater über ein durchschnittliches Einkommen von 10.000 EUR brutto monatlich verfügen würde. Daher könne bei der Festsetzung des Unterhaltsbeitrags nicht von den Behauptungen der Mutter ausgegangen werden. Eine Erhöhung des Unterhalts habe sich lediglich aus dem Umstand ergeben, dass das Gericht für den weiteren Sohn als Unterhaltsbemessungsgrundlage ein monatliches Einkommen von
1.817 EUR aus dem Jahr 1999 als gegeben angenommen habe und von einer jährlichen Gehaltssteigerung von 3 % ausgegangen sei. Die von der Mutter vorgebrachten Einkommen hätten nicht nachgewiesen werden können. Obwohl sich der Vater am Verfahren nicht beteiligt habe, könnten die Behauptungen nicht ungeprüft zu einer Unterhaltserhöhung führen. Der im außerstreitigen Verfahren festgeschriebene Untersuchungsgrundsatz könne nicht dahin verstanden werden, dass eine Nichtäußerung jedenfalls zur beantragten Unterhaltserhöhung führe. Im konkreten Fall sei dies schon deshalb nicht möglich, weil die behauptete Einkommenssteigerung als ziemlich unwahrscheinlich angesehen werde.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte den (ordentlichen) Revisionsrekurs für nicht zulässig. Aus den vorgelegten bzw beigeschafften Firmenbuchauszügen lasse sich erkennen, dass die Unternehmen, für die der Vater tätig gewesen sei, mittlerweile gelöscht worden seien bzw sich in Liquidation befänden. Ein Schluss darauf, dass der Vater eine derartige Position „wie damals" (Geschäftsführer oder Prokurist) innehabe, lasse sich daraus nicht zulässig ziehen. Den vorgelegten Detektivberichten sei zwar zu entnehmen, dass der Vater „nicht unbedingt" als Kellner oder Garderobier arbeite. Eine bestimmte, „einer Entlohnung zugrunde gelegte Position", die eindeutig ein höheres Einkommen des Vaters beweisen würde, sei daraus aber nicht zu erkennen. Auch wenn der Vater ein Dienstverhältnis einvernehmlich aufgelöst haben sollte, sei darin nicht zwingend eine schuldhafte Beendigung zu sehen. Dass er illegalen Beschäftigungen nachgehe, könne trotz wiederholter Behauptungen der Antragstellerin und Detektivberichten nicht bewiesen werden. Sie habe im erstinstanzlichen Verfahren keine konkreten Behauptungen dahingehend aufgestellt, inwiefern der Lebensaufwand des Vaters als luxuriös zu betrachten wäre und mit dessen früheren Angaben über seine Einkommensverhältnisse in Widerspruch stünde. Auch im Rekurs seien keine Präzisierungen vorgenommen worden. Ein Verfahrensmangel liege weder in der unterlassenen Beiziehung eines Sachverständigen, noch der unterlassenen Befragung der Detektive. Letztere hätten wohl nur die Inhalte der (schriftlichen) Detektivberichte bestätigt. Ein Sachverständiger hätte mangels ausreichenden Substrats kein berufskundliches Gutachten zum erzielbaren Einkommen eines im angeführten Geschäftsbereich Tätigen verlässlich erbringen können.
Der dagegen erhobene Revisionsrekurs der Antragstellerin ist zulässig - der Wert des Entscheidungsgegenstands des Rekursgerichts übersteigt 20.000 EUR - und mit seinem Aufhebungsantrag berechtigt. Im Ergebnis zutreffend verweist die Revisionsrekurswerberin darauf, dass die Vorinstanzen nicht die erforderlichen Feststellungen getroffen haben, um die Unterhaltspflicht des Vaters der Höhe nach beurteilen zu können. Zum Einkommen des Vaters wurde lediglich festgestellt, er habe im fraglichen Zeitraum immer nur kurzfristig bei verschiedenen Arbeitgebern gearbeitet. Darüber hinaus führte das Erstgericht aus, es habe sich im Beweisverfahren nicht ergeben, dass der Vater über ein durchschnittliches Einkommen von 10.000 EUR brutto monatlich verfügen würde, bzw dass die behauptete Einkommenssteigerung als ziemlich unwahrscheinlich angesehen werde. Auf welcher Sachverhaltsgrundlage letztlich von einem monatlichen Einkommen von 1.817 EUR für das Jahr 1999 und von jeweils um 3 % erhöhten Beträgen für die folgenden Jahre auszugehen sei, ist nicht erkennbar. Auch wenn die Ausführungen zur Beweiswürdigung als Negativfeststellung des Inhalts verstanden werden können, dass der Vater weniger als 10.000 EUR brutto monatlich verdient, fehlen Feststellungen über das tatsächliche (oder allenfalls unter Anwendung des Anspannungsgrundsatzes erzielbare) Einkommen bzw dazu, dass der Vater keinesfalls mehr verdient (oder verdienen könnte) als eine bestimmte - betragsmäßig anzugebende - Summe.
Derartige Feststellungen werden im fortzusetzenden Verfahren - allenfalls nach Aufnahme weiterer Beweise (vgl etwa ON U20, U60) - nachzuholen sein. Auf die aufgeworfene Frage der Konsequenzen einer unterlassenen Äußerung trotz Aufforderung gemäß § 17 AußStrG ist nicht einzugehen, da dem Vater nach der Aktenlage eine solche Aufforderung bisher nicht wirksam zugestellt wurde; zum maßgeblichen Zeitpunkt war er noch anwaltlich vertreten (vgl § 142 AußStrG), weshalb eine Zustellung an seine Rechtsanwältin zu erfolgen gehabt hätte.
Der Kostenvorbehalt beruht darauf, dass mit der aufhebenden Entscheidung über den Revisionsrekurs noch keine Basis für einen Kostenzuspruch vorliegt.
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