JudikaturOGH

11Os69/08v – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. Mai 2008

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Mai 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab, Mag. Lendl und Dr. Bachner-Foregger, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Puttinger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Tibor K***** wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßig begangenen schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1, 130 erster, dritter und vierter Fall, 15 StGB über die von der Generalprokuratur gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten vom 29. Juni 2007, GZ 15 Hv 65/07x-53, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwältin Dr. Sperker, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Beschluss des Landesgerichts St. Pölten vom 29. Juni 2007, GZ 15 Hv 65/07x-53, auf Widerruf der im Urteil des Landesgerichts Wr. Neustadt vom 1. Juli 2003, GZ 36 Hv 79/03x-67, ausgesprochenen bedingten Nachsicht eines Teils der über Tibor K***** verhängten Freiheitsstrafe verletzt das Gesetz in der Bestimmung des § 56 StGB. Dieser Beschluss wird aufgehoben und der Widerrufsantrag der Staatsanwaltschaft abgewiesen.

Text

Gründe:

Mit seit 4. Juli 2003 rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts Wr. Neustadt vom 1. Juli 2003, GZ 36 Hv 79/03x-67, wurde (unter anderem) Tibor K***** des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 1 und 2, „130 erster und zweiter Satz" (gemeint: § 130 vierter Fall [S 321, 329/IV des Aktes 36 Hv 79/03x des Landesgerichts Wr. Neustadt]), 15 StGB und zweier Vergehen des Gebrauchs fremder Ausweise nach § 231 Abs 1 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt, von der gemäß § 43a Abs 3 StGB ein Teil von zwölf Monaten für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Der sechsmonatige unbedingte Teil der Freiheitsstrafe war - mit Rücksicht auf die dem Verurteilten gemäß § 38 Abs 1 Z 1 StGB angerechnete Vorhaft ab dem 28. April 2003, 00:45 Uhr - mit 27. Oktober 2003 vollzogen (ON 80 des genannten Aktes; vgl § 148 Abs 2 zweiter Satz StVG). Vom 2. März bis zum 4. April 2006 verbüßte Tibor K***** eine 34-tägige Freiheitsstrafe aus einer Verurteilung durch das Stadtgericht Sopron (Urteil Nr B.319/2003/20 laut Mitteilung des Ministeriums für Justiz und Polizeiwesen der Republik Ungarn vom 22. April 2008). Sonstige Fälle einer Nichteinrechnung in die Probezeit gemäß § 49 zweiter Satz StGB sind nicht aktenkundig. Die Probezeit im Verfahren AZ 36 Hv 79/03x des Landesgerichts Wr. Neustadt endete daher mit Ablauf des 30. November 2006.

Unter anderem wegen innerhalb dieser Probezeit begangener Taten wurde Tibor K***** mit Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 29. Juni 2007, GZ 15 Hv 65/07x-53, rechtskräftig seit dem 13. August 2007 (ON 58a jenes Aktes), des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßig begangenen schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1, 130 erster, dritter und vierter Fall, 15 StGB und anderer strafbarer Handlungen schuldig erkannt und über ihn eine dreijährige Freiheitsstrafe verhängt. Zugleich fasste das Landesgericht St. Pölten gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO den (gleichfalls rechtskräftig gewordenen) Beschluss auf Widerruf der mit dem erwähnten Urteil des Landesgerichts Wr. Neustadt ausgesprochenen bedingten Nachsicht eines Teils der Strafe.

Rechtliche Beurteilung

II. Der Beschluss des Landesgerichts St. Pölten vom 29. Juni 2007, GZ 15 Hv 65/07x-53, auf Widerruf der mit Urteil des Landesgerichts Wr. Neustadt vom 1. Juli 2003, GZ 36 Hv 79/03x-67, ausgesprochenen bedingten Strafnachsicht steht, wie die Generalprokuratur in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend geltend macht, mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Gemäß § 56 StGB kann das Gericht die in den §§ 53 bis 55 StGB vorgesehenen Verfügungen wegen einer während der Probezeit begangenen strafbaren Handlung zwar auch nach Ende der Probezeit treffen, jedoch nur innerhalb von sechs Monaten nach deren Ablauf oder nach Beendigung eines bei deren Ablauf gegen den Rechtsbrecher anhängigen Strafverfahrens.

Die Probezeit endete wie erwähnt mit Ablauf des 30. November 2006. Der Widerrufsbeschluss vom 29. Juni 2007 wurde demgemäß nicht innerhalb der sechsmonatigen Frist nach Ablauf der Probezeit gefasst. Erste gerichtliche Vorerhebungen im Verfahren beim Landesgericht St. Pölten fanden am 10. Jänner 2007 statt (S 1 verso des Antrags- und Verfügungsbogens im Akt 15 Hv 65/07x jenes Gerichts); dieses Verfahren war daher bei Ablauf der Probezeit noch nicht anhängig. Der demnach nicht mehr zulässig gewesene Widerrufsbeschluss wirkt sich zum Nachteil des Verurteilten aus. Er war daher zugleich mit der Feststellung der Gesetzesverletzung zu kassieren (§ 292 StPO) und der auf die Beschlussfassung gerichtete (rechtzeitig gestellte) Antrag der Staatsanwaltschaft (S 352 f/II) abzuweisen.

Rückverweise