11Os58/08a – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Mai 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab, Mag. Lendl und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Puttinger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Erikas S***** wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1, Z 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 20. Februar 2008, GZ 24 Hv 136/07a-139, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin des Generalprokurators, Staatsanwältin Dr. Geymayer, des Angeklagten und seines Verteidigers Dr. Albrecht zu Recht erkannt:
Spruch
In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in seinem freisprechenden Teil sowie im Strafausspruch aufgehoben und die Sache insoweit an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird verworfen, soweit sie auf Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützt ist. Der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft werden mit ihren Nichtigkeitsbeschwerden, soweit sie sich auf Z 11 des § 281 Abs 1 StPO stützen, sowie mit ihren Berufungen auf die Kassation des Strafausspruchs verwiesen.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Erikas S***** des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1, Z 2 StGB schuldig erkannt.
Danach hat er am 6. September 2006 in Saalfelden am Steinernen Meer im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit einem unbekannten Mittäter Berechtigten der H***** GmbH fremde bewegliche Sachen in einem 3.000, nicht jedoch 50.000 Euro übersteigenden Wert durch Einbruch mit dem Vorsatz weggenommen, sich oder Dritte unrechtmäßig zu bereichern, und zwar 46 Stück Mobiltelefone im Wert von 13.625 Euro nach Eindringen in das Objekt ***** durch Einschlagen der Eingangstüre mit einem Stein und Durchklettern der so entstandenen Öffnung sowie Zerschlagen der Scheibe einer Glasvitrine. Vom darüber hinausgehenden Vorwurf, er habe am 11. Oktober 2006 in Bludenz gewerbsmäßig im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Mindaugas D***** als Mittäter Berechtigten des Juweliergeschäftes „P*****" fremde bewegliche Sachen, nämlich Schmuck und Uhren im Gesamtwert von 60.000 Euro durch Einbruch mit dem Vorsatz wegzunehmen versucht, sich oder Dritte durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem sie letztlich vergeblich mit Pflastersteinen und einer Axt die Auslagenscheibe einzuschlagen trachteten, wurde Erikas S***** (überflüssig, aber unschädlich auch von der rechtlichen Kategorie, vgl Lendl, WK-StPO § 259 Rz 1) gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Die Staatsanwaltschaft bekämpft zum Nachteil des Angeklagten den freisprechenden Teil dieses Urteils und die Nichtannahme der Gewerbsmäßigkeit beim Schuldspruch aus Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO sowie ersichtlich zu seinem Vorteil die Unterlassung einer Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB im Strafausspruch - ebenso wie der Angeklagte selbst - aus Z 11 leg cit.
Rechtliche Beurteilung
Zutreffend macht die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft unter dem Gesichtspunkt einer unvollständigen Begründung (Z 5 zweiter Fall) geltend, das Erstgericht habe im Rahmen der Begründung des Teilfreispruchs mehrere den Angeklagten belastende Verfahrensresultate unerörtert gelassen.
Die negative Konstatierung des Inhalts, es sei „nicht feststellbar, ob der Angeklagte an der Tat vom 11. Oktober 2006 beteiligt war", wird nämlich ausschließlich auf fragmentarische Elemente der leugnenden Verantwortung des Genannten, wonach er „mit der Tat nichts zu tun" habe (S 9/IV), sowie die - diesen Standpunkt stützende - Schilderung des Mindaugas D***** in der Hauptverhandlung gestützt. Die Entscheidungsgründe enthalten jedoch keine Auseinandersetzung mit den weiteren Angaben des Angeklagten, wonach D***** und ein namentlich nicht bekannter Georgier in seiner Anwesenheit einen Einbruch besprachen und er - wissend, dass ein Einbruch stattfindet - im Auto sitzend drei bis vier Stunden auf sie wartete (S 389/III, S 9/IV). Diese Schilderung bietet - ebenso wie die des D*****, wonach er S***** zu warten aufgefordert habe (S 23/IV) - erörterungsbedürftige Indizien für dessen Tatbeteiligung. Zu Recht releviert die Beschwerdeführerin im Rahmen ihrer Mängelrüge überdies, das Erstgericht habe zwar erwogen, dass der Angeklagte „in auffälliger Weise die Schaufenster in Bludenz angeschaut" habe (US 6), was dieser damit erklärte, lediglich „spazieren" gegangen zu sein (US 7), die dieser Behauptung entgegenstehende Aussage der Zeugin Barbara Hu*****, wonach die von ihr beobachteten Männer ca „eine halbe Stunde" vor dem Juweliergeschäft „P*****" gestanden seien (S 45/III), aber nicht erörtert.
Wenngleich das Gericht nach § 270 Abs 2 Z 5 StPO nur verpflichtet ist, die Entscheidungsgründe in gedrängter Darstellung abzufassen, ohne auf sämtliche Verfahrensergebnisse detailliert einzugehen, muss es doch das wesentliche Beweismaterial verwerten und - falls sich der Schöffensenat für die Glaubwürdigkeit der leugnenden Verantwortung des Angeklagten entscheidet - formell einwandfrei dartun, aus welchen Gründen es die in entgegengesetzte Richtung weisenden Beweisergebnisse für belanglos oder nicht hinreichend überzeugend hält (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 420 ff).
Soweit sich die Nichtigkeitsbeschwerde formell gegen die Negativfeststellung zur Gewerbsmäßigkeit beim Schuldspruch (US 5) wendet, unterlässt sie eine deutliche und bestimmte Bezeichnung von Tatumständen, die gesetzliche Nichtigkeitsgründe bilden sollen, und entzieht sich somit sachbezogener Erledigung (§§ 285d Abs 1, 285a Z 2 StPO).
Weil die von der Staatsanwaltschaft zutreffend gerügten Begründungsmängel eine teilweise Verfahrenserneuerung unumgänglich machen, erübrigen sich weitere Ausführungen zu der in der Beschwerde relevierten Frage (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO - vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 634), ob sich der Angeklagte im Zusammenhang mit der vom Freispruch umfassten Tathandlung allenfalls einer anderen gerichtlich strafbaren Handlung - nämlich des Vergehens der Unterlassung der Verhinderung einer mit Strafe bedrohten Handlung (§ 286 StGB) - schuldig gemacht hat.
Die Aufhebung des Freispruchs war mit der Kassation des Strafausspruchs zu verbinden (§ 289 StPO, vgl 13 Os 11/77, SSt 48/14; 9 Os 180/84).
Im zweiten Rechtsgang wird bei einem anklagekonformen (ON 100, 110, S 5/IV) Schuldspruch zum Faktum „P*****" mit dem in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch zum Faktum „H*****" eine Subsumtionseinheit iSv § 29 StGB zu bilden sein, die auch - entsprechende Feststellungen vorausgesetzt - nach § 130 dritter Fall StGB qualifiziert sein könnte. Bei einem Schuldspruch nach § 286 Abs 1 StGB träte dieser neben den aktuell bestehenden nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1, Z 2 StGB, bei einem neuerlichen Freispruch bliebe nur letzterer Basis für die Strafbemessung.
Dabei wird jedenfalls die zu Recht geltend gemachte Nichtigkeit des angefochtenen Urteils nach § 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO zu vermeiden sein, indem Bedachtnahme nach §§ 31, 40 StGB auf in Litauen zwischenzeitlich ergangene und rechtskräftige Verurteilungen (vgl US 5 und S 335/III) erfolgt.
Wegen der Aufhebung des Strafausspruchs waren die darauf bezogenen Rechtsmittel(-teile) auf diese Erledigung zu verweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.