JudikaturOGH

6Ob62/08y – OGH Entscheidung

Entscheidung
08. Mai 2008

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ.-Prof. Dr. Kodek als weitere Richter in der Verlassenschaftssache des am ***** verstorbenen Siegfried T*****, zuletzt *****, wegen Feststellung der Erbhofeigenschaft, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der erblasserischen Witwe Anna T*****, vertreten durch MMag. Johannes Pfeifer, Rechtsanwalt in Liezen, gegen den Beschluss des Landesgerichts Leoben als Rekursgericht vom 4. Februar 2008, GZ 2 R 249/07b-132, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Liezen vom 17. August 2007, GZ 3 A 404/03y-120, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Text

Begründung:

Das Erstgericht sprach aus, dass es sich bei dem vom Erblasser hinterlassenen landwirtschaftlichen Betrieb um keinen Erbhof im Sinne des Anerbengesetzes handle. Nach dem Gutachten der vom Erstgericht beigezogenen Sachverständigen reicht der erzielbare Ertrag nicht aus, zwei erwachsene Personen zu erhalten.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Nach § 1 Abs 1 AnerbenG seien Erbhöfe mit einer Hofstelle versehene land- und forstwirtschaftliche Betriebe, die im Eigentum einer natürlichen Person, von Ehegatten oder eines Elternteils und eines Kindes stehen und mindestens einen zur angemessenen Erhaltung von zwei erwachsenen Personen ausreichenden, jedoch das 20fache dieses Ausmaßes nicht übersteigenden Durchschnittsertrag haben. Der angemessene Erhaltungsbedarf für zwei Erwachsene habe sich gemäß § 1 Abs 3 AnerbenG an den örtlichen Verhältnissen zu orientieren. Als Orientierungshilfe könne der Ausgleichszulagenrichtsatz für Ehegatten im gemeinsamen Haushalt (im Jahr 2003 betrug dieser 965,53 EUR) herangezogen werden. Die rechnerische Untergrenze des jährlichen Durchschnittsertrags betrage daher rund 1.600 EUR, solle die Landwirtschaft als Erbhof angesehen werden. Das Gutachten der Sachverständigen entspreche den von der Rechtsprechung hier entwickelten Grundsätzen. Eine alternative Betriebsart sei nach dem Gutachten der Sachverständigen nicht zielführend, weil die kombinierte Bewirtschaftung mit Milchproduktion im Berggebiet die ertragsintensivste Betriebsform sei.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs der erblasserischen Witwe ist nicht zulässig.

Auf den vorliegenden Fall ist gemäß Art XXXII § 10 AußStr-BegleitG noch § 10 AnerbenG idF vor Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes anzuwenden, weil die Verlassenschaftssache bereits am 28. 11. 2003 bei Gericht anhängig gemacht wurde. Die Bestimmung des § 10 Abs 1 AnerbenG idF Art XVI AußStr-BegleitG, die vor der Entscheidung über die Zuweisung eines Erbhofs und über Abfindungsansprüche eine mündliche Verhandlung vorsieht, ist auf den vorliegenden Sachverhalt daher noch nicht anzuwenden.

Der Oberste Gerichtshof verkennt nicht, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Fall Osinger gegen Österreich (Beschwerde Nr 54.645/00, ÖJZ 2006/6 [MRK]) vor der Entscheidung über die Qualifikation eines Hofs als Erbhof unter dem Gesichtspunkt des Art 6 MRK eine mündliche Verhandlung für erforderlich angesehen hat. Von dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt unterscheidet sich der vorliegende Fall jedoch in mehrfacher Hinsicht: Die Revisionsrekurswerberin erklärte gegenüber dem Gerichtskommissär ausdrücklich, mit den beiden Sachverständigen einverstanden zu sein (ON 90a), worauf ihr dieser für ihre Kooperationsbereitschaft dankte (ON 91). Die Revisionsrekurswerberin hatte im Verfahren zudem die Möglichkeit, sich zum Gutachten der Sachverständigen zu äußern und hat zu diesem Zweck auch mehrere Schriftsätze erstattet (ON 107, 111 und 121). Auf die zunächst beantragte mündliche Erörterung des Gutachtens hat die Revisionsrekurswerberin in ihrer dritten Äußerung ausdrücklich verzichtet, was sie damit begründete, dass sich aus den Gutachtensergänzungen keine Bereitschaft der Sachverständigen ergebe, alternative Betriebsarten zu bewerten (AS 439).

Bei dieser Sachlage stellt das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung vor der Entscheidung über die Erbhofeigenschaft aber keinen relevanten Verfahrensfehler dar.

Dazu kommt, dass auf das vorliegende Verfahren zwar noch nicht die Neufassung des § 10 Abs 1 AnerbenG durch Art XVI AußStr-BegleitG, wohl aber die Bestimmungen des AußStrG BGBl I 2003/111 über das Rechtsmittelverfahren anzuwenden sind, kommt es hiefür doch nur darauf an, ob das Datum der angefochtenen Entscheidung nach dem 31. 12. 2004 liegt (§ 203 Abs 7 AußStrG). Nach § 52 Abs 1 AußStrG ist nunmehr ausdrücklich auch im Rekursverfahren eine mündliche Verhandlung möglich. Eine derartige mündliche Verhandlung hat die Revisionsrekurswerberin im Rekursverfahren jedoch nicht beantragt. Dem Einwand der Revisionsrekurswerberin, die Sachverständigen seien nicht durch das Gericht, sondern vom Gerichtskommissär bestellt worden, ist zunächst entgegenzuhalten, dass sich die Revisionsrekurswerberin - wie ausgeführt - im Verfahren erster Instanz mit der Person der bestellten Sachverständigen ausdrücklich einverstanden erklärt hat. Dazu kommt, dass das Gutachten und die Ergänzungsgutachten der beiden Sachverständigen zum Gerichtsakt genommen wurden und im Verfahren eingehend erörtert wurden. Dadurch wurden diese Gutachten aber jedenfalls zum bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigenden Aktenbestandteil. Die Auffassung der Revisionsrekurswerberin, die Unterlassung der Fassung eines ausdrücklichen Bestellungsbeschlusses durch das Gericht stelle eine „absolute Nichtigkeit" dar, die zwingend zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses führe, verkennt, dass das AußStrG eine Aufhebung des angefochtenen Beschlusses nur mehr in Fällen des § 56 Abs 1 AußStrG zwingend vorsieht. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall jedoch evident nicht erfüllt. In allen anderen Fällen ist eine Aufhebung nur mehr vorgesehen, wenn dadurch der Verfahrensaufwand und die den Parteien erwachsenden Kosten wesentlich verringert würden (§ 57 AußStrG). Inwiefern diese Voraussetzung hier erfüllt ist, ist dem Revisionsrekurs auch nicht ansatzweise zu entnehmen. Im Übrigen kann nach § 58 Abs 1 AußStrG selbst bei einem - hier nicht vorliegenden - Gehörverstoß der angefochtene Beschluss bestätigt werden, wenn er sich auch bei Zugrundelegung des Rekursvorbringens im Ergebnis als zutreffend erweist. Die übrigen Revisionsrekursausführungen betreffen ganz überwiegend Fragen der Beweiswürdigung, die nicht an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden können. Soweit die Rechtsrüge nicht von den von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen ausgeht, ist sie nicht gesetzmäßig ausgeführt.

Zusammenfassend bringt die Revisionsrekurswerberin sohin keine Rechtsfragen der in § 62 Abs 1 AußStrG geforderten Qualität zur Darstellung, sodass der Revisionsrekurs spruchgemäß zurückzuweisen war.

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