JudikaturOGH

11Os40/08d – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. April 2008

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. April 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp, Dr. Danek, Dr. Schwab und Mag. Lendl als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters MMag. Klaus als Schriftführer, in der Strafsache gegen Ivanka J***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 14. Februar 2007, GZ 41 Hv 72/06h-79, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Der Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Ivanka J***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat sie

I. von Juni 2003 bis November 2005 in Bad Vöslau in 24 Angriffen mit dem Vorsatz, durch das Verhalten des Getäuschten sich unrechtmäßig zu bereichern, Anton R***** durch die Vorspiegelung ihrer Rückzahlungsfähigkeit und -willigkeit bzw durch die falsche Vorgabe, das Geld für eine Herzoperation ihres Sohnes zu benötigen, sohin durch Täuschung über Tatsachen, zur darlehensweisen Überlassung von Geldbeträgen von insgesamt 68.098,56 Euro verleitet, wobei sie durch die Tat einen 50.000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführte und schweren Betrug in der Absicht beging, sich durch dessen wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen.

II. Im Sommer 2005 in Wien, mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich unrechtmäßig zu bereichern, Verfügungsberechtigte der Q***** AG durch die Vorspiegelung ihrer Rückzahlungsfähigkeit und -willigkeit, sohin durch Täuschung über Tatsachen, zu Handlungen verleitet, die das genannte Unternehmen am Vermögen schädigten, nämlich zur Lieferung von Schmuck im Wert von 160,92 Euro.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Schuldspruch richtet sich die auf Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten; sie verfehlt ihr Ziel.

Als Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) kritisiert die Mängelrüge, das Erstgericht habe „wesentliche Angaben des Zeugen R***** zur subjektiven Tatseite" (der Angeklagten) nicht gewürdigt. Entgegen diesem Einwand, der auf die selektive Zitierung einzelner Passagen der Aussage des Zeugen, in denen dieser sich an die Geschehnisse nicht mehr genau erinnern konnte (S 519 ff/I), gestützt ist, hat sich das Erstgericht mit dessen Angaben eingehend auseinandergesetzt (US 12 ff, 19) und die Unsicherheiten in seiner Aussage berücksichtigt. Aufgrund der Stellungnahme des praktischen Arztes des Zeugen und nach Einholung eines psychiatrisch-neurologischen Gutachtens haben die Tatrichter die Inkongruenzen und Erinnerungsdefizite der Aussage auf eine vorliegende Depression zurückgeführt und letztlich aus den Depositionen - logisch und empirisch mängelfrei - andere Schlüsse gezogen als die Beschwerde. Zur Erörterung aller Details der Aussage war das Erstgericht nicht verhalten (RIS-Justiz RS0106642). Soweit die Beschwerdeführerin auf Basis ihres Vorbringens die Feststellung begehrt, die Angeklagte habe den Zeugen nicht über ihre finanzielle Lage getäuscht, kritisiert sie lediglich die Beweiswürdigung nach Art einer Schuldberufung, ohne einen Begründungsmangel aufzeigen zu können.

Im Übrigen haben die Tatrichter ihre Überzeugung von der Schuld der Angeklagten nicht allein auf die Aussage des Zeugen R***** gestützt, sondern auch auf die von der Angeklagten unterfertigten „Schuldscheine", auf den Umstand, dass durch den Zeugen kurz vor den Übergaben Geldbehebungen durchgeführt wurden, und auf das von mehreren Zeugen gezeichnete Persönlichkeitsbild des Anton R***** als „Pfennigfuchser" gegründet (US 20).

Zum Faktum II. des Schuldspruchs bringt die Mängelrüge vor, die Angeklagte habe vom Zeugen R***** (Faktum I.) hohe Geldbeträge erhalten, sei deshalb rückzahlungsfähig gewesen und habe die Bezahlung des Schmuckes lediglich vergessen. Dabei übersieht sie einerseits, dass ihr nicht nur mangelnde Zahlungsfähigkeit, sondern auch Zahlungsunwilligkeit vorgeworfen wird, und versucht andererseits, durch eigenständige beweiswürdigende Erwägungen zur finanziellen Situation und zum Verhalten der Angeklagten („jedenfalls bemüht war, offene Beträge und Rechnungen zu begleichen") deren Verantwortung zum Durchbruch zu verhelfen. Einen Begründungsmangel im Sinne des intendierten Nichtigkeitsgrundes vermag sie solcherart nicht darzustellen. Warum die Höhe der von der Angeklagten bezogenen Kinderbeihilfe festzustellen gewesen wäre, macht sie gleichfalls nicht klar.

Die Rechtsrüge zu Faktum I. (Z 9 lit a) vermisst hinreichende Feststellungen zur subjektiven Tatseite, die sich - entgegen dem Beschwerdevorbringen - allerdings auf den US 6, 7 und 8 zweiter Absatz finden. Weshalb Konstatierungen darüber, ob und in welcher Weise die Angeklagte über ihre finanziellen Verhältnisse getäuscht habe und ob sie unrichtige Angaben über eine absehbare Möglichkeit der Rückzahlung getätigt habe, zur Beurteilung der Schuld- und Subsumtionsfrage nötig gewesen wären, legt die Rüge nicht dar. Soweit sie die vom Erstgericht herangezogenen Urkunden als Empfangsbestätigung und nicht als „echten Schuldschein" deutet, hält sie nicht an den erstgerichtlichen Konstatierungen fest und bekämpft solcherart - in diesem Anfechtungsrahmen unzulässig - die Beweiswürdigung der Tatrichter. Gleiches gilt für das Vorbringen, das die Feststellung bekämpft, die Angeklagte habe Anton R***** im Zuge der Geldübergaben immer wieder zugesichert, das Geld zurückzuzahlen (US 9).

Indem die Beschwerde zu Faktum II. unter Hinweis auf im fraglichen Zeitraum vom Zeugen R***** erhaltene 20.000 Euro vorbringt, das Erstgericht hätte richtigerweise davon ausgehen müssen, dass nicht feststellbar sei, aus welchen Überlegungen die Rechnungen nicht bezahlt wurden, übergeht sie neuerlich die entsprechenden Konstatierungen und kritisiert solcherart nur die Beweiswürdigung. Im Übrigen haben die Tatrichter die subjektive Tatseite ohne Begründungsmangel aus dem objektiv festgestellten Verhalten der Angeklagten sowie aus deren prekären finanziellen Situation erschlossen (US 20).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sogleich zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Kompetenz des Oberlandesgerichts Wien zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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