JudikaturOGH

13Ns11/08h – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. April 2008

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. April 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs in Gegenwart des Richteramtsanwärters MMag. Klaus als Schriftführer in der Finanzstrafsache gegen Franz Z***** wegen Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 lit a FinStrG und anderer Finanzvergehen im Zuständigkeitsstreit der Landesgerichte St. Pölten und Linz betreffend das Verfahren AZ 19 Ur 153/05f des Landesgerichts Linz nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Das Strafverfahren ist vom Landesgericht St. Pölten zu führen.

Text

Gründe :

Am 22. Mai 2007 brachte die Staatsanwaltschaft Linz im Verfahren AZ 19 Ur 153/05f des Landesgerichts Linz, in welchem zunächst Vorerhebungen gegen diese geführt worden waren, gegen Josef H***** und Franz Z***** die Anklageschrift wegen mehrerer Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung, nämlich nach § 33 Abs 1 FinStrG (I/1 und 2), nach § 33 Abs 2 lit a (II/1 und 2) und nach § 33 Abs 2 lit b FinStrG (III/1 und 2), jeweils iVm § 38 Abs 1 lit a FinStrG, ein (ON 22).

Demnach hätten sie „im Zuständigkeitsbereich des Finanzamtes Linz und Melk" als „abgabenpflichtige" (gemeint: in abgabenrechtlicher Hinsicht) Verantwortliche der C***** GmbH vorsätzlich und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von Finanzvergehen der zu I. bis III. genannten Art eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen,

I. unter Verletzung ihrer abgabenrechtlichen Anzeige , Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht durch Nichtabgabe von Steuererklärungen (ziffernmäßig ausgewiesene) Verkürzungen an Umsatzsteuer, an Körperschaftsteuer und an Kaptalertragsteuer bewirkt, und zwar

1. Josef H***** für das Jahr 1999 und

2. Franz Z***** für das Jahr 2000;

II. unter Verletzung der Verpflichtung zur fristgerechten Abgabe von dem § 21 des UStG entsprechenden Voranmeldungen eine (ziffernmäßig ausgewiesene) Verkürzung von Umsatzsteuer bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten, und zwar

1. Josef H***** für April, Juni, August, Oktober und Dezember 1999 und

2. Franz Z***** für April 2000 und Juni bis November 2000;

III. unter Verletzung der Verpflichtung zur Führung von dem § 76 des EStG entsprechenden Lohnkonten eine (ziffernmäßig ausgewiesene) Verkürzung von Lohnsteuer und Dienstgeberbeiträgen zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten, und zwar:

1. Josef H***** für das Jahr 1999 und

2. Franz Z***** für das Jahr 2000.

Nur Josef H***** erhob dagegen Einspruch.

Mit Beschluss vom 30. August 2007, 8 Bs 238/07t, erachtete das Oberlandesgericht Linz die Zuständigkeit des Landesgerichts St. Pölten zur Vornahme der Hauptverhandlung gegen den Einspruchswerber als begründet, sprach seine eigene Nichtzuständigkeit aus und übersandte die Akten an das nach seiner Ansicht zur weiteren Entscheidung zuständige Oberlandesgericht Wien (ON 30). Es vertrat den Standpunkt, dass zur Erhebung der jeweiligen Abgaben der C***** GmbH bis zur Verlegung deren Sitzes nach Linz am 6. September 2000 im Sprengel des Landesgerichts St. Pölten gelegene Finanzämter zuständig waren. Da der Josef H***** betreffende Deliktszeitraum am 31. März 2000 geendet habe, der Beschuldigte auch selbst stets in Amstetten wohnhaft gewesen sei und die beiden Beschuldigten nach der Anklageschrift nicht als Beteiligte nach § 11 FinStrG gehandelt hätten, könne die örtliche Zuständigkeit eines im Sprengel des Oberlandesgerichts Linz gelegenen Landesgerichts weder aus §§ 51 oder 52 StPO aF noch aus § 56 Abs 1 letzter Satz StPO aF begründet werden. § 53 Abs 4 FinStrG sehe den Gerichtsstand des Zusammenhangs nämlich nur für das Verhältnis des (unmittelbaren) Täters zu den „anderen vorsätzlich an der Tat Beteiligten" vor, während eine dem (gemeint:) § 56 Abs 1 letzter Satz StPO aF gleichartige Regelung im Sinne eines engen sachlichen Zusammenhangs sich im FinStrG nicht finde und demnach dieser zuständigkeitsbegründende Tatbestand nach der StPO nicht für das (gerichtliche) Finanzstrafverfahren greife.

Mit Beschluss vom 24. Oktober 2007 (AZ 22 Bs 246/07y; ON 31) gab das Oberlandesgericht Wien der Anklage gegen Josef H***** Folge und verwies die Hauptverhandlung an das Landesgericht St. Pölten.

Darauf hin trat des Landesgericht Linz auch das noch dort anhängig verbliebene Verfahren gegen Franz Z***** an das Landesgericht St. Pölten ab (S 3i). Dieses bezweifelte am 7. Jänner 2008 seine Zuständigkeit (ON 36), um sodann in Betreff dieses Angeklagten die Entscheidung des - dafür nach der seit 1. Jänner 2008 geltenden Rechtslage ohne Vorschaltung der Oberlandesgerichte zuständigen (12 Ns 1/08f) - Obersten Gerichtshofs zu erwirken (§ 38 letzter Satz StPO).

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat erwogen:

1. Da im Dritten Unterabschnitt des FinStrG nicht etwas Besonderes vorgeschrieben ist, gelten für die Lösung der gestellten Frage nach der Zuständigkeit für das gegen den Angeklagten Franz Z***** geführte Hauptverfahren die nach § 516 Abs 1 StPO anzuwendenden Vorschriften der §§ 36 f StPO.

2. Beide Angeklagten sind verdächtig, die ihnen zur Last gelegten Taten als unmittelbarer Täter (§ 11 erster Fall FinStrG) begangen zu haben. Während Josef H***** nur im Sprengel des Landesgerichts St. Pölten deliktisch tätig gewesen sei, soll Franz Z***** zuerst in diesem und danach im Sprengel des Landesgerichts Linz gehandelt haben (§ 36 Abs 3 erster Satz StPO). Da ein Ermittlungsverfahren der bis 1. Jänner 2008 geltenden StPO fremd war (§ 37 Abs 2 letzter Satz StPO) und eine auf das Zuvorkommen des § 56 Abs 2 erster Satz StPO aF abstellende Übergangsbestimmung fehlt, ist mithin nach § 37 Abs 2 zweiter Satz StPO das Landesgericht St. Pölten für beide Angeklagten zuständig.

3. Bleibt anzumerken, dass nach § 37 Abs 1 zweiter Satz StPO im - hier gegebenen - Falle gleichzeitiger Anklage gegen mehrere Personen wegen Straftaten, die - wie hier, wo die Hinterziehung jeweils gleichartiger Abgaben durch unmittelbar hintereinander handelnde Geschäftsführer ein- und desselben Unternehmens unter Anklage stehen - in einem engen sachlichen Zusammenhang stehen, das Hauptverfahren vom selben Gericht gemeinsam zu führen ist.

4. Für die Annahme, dass § 53 Abs 4 FinStrG den Verdacht der Beteiligung (§ 11 FinStrG) als notwendige Bedingung für gemeinsame Verfahrensführung verlangt, diese mithin für andere Fälle ausschließen würde, bestehen keine Anhaltspunkte.

5. Da nach der im Zeitpunkt der Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien über den Anklageeinspruch des Josef H***** geltenden Vorschrift des § 56 Abs 2 erster Satz StPO aF infolge Zuvorkommens des Landesgerichts Linz dieses zuständig, das Oberlandesgericht Wien, welches die „Versetzung in den Anklagestand ausgesprochen" hatte (§ 214 StPO aF), demnach (damals noch) nicht zuständig war, könnte übrigens das Urteil zugunsten und zum Nachteile dieses Angeklagten aus dem Nichtigkeitsgrund des § 281a StPO erfolgreich angefochten werden. Dies wäre indes durch eine gegen die Einspruchsentscheidung gerichtete Nichtigkeitsbeschwerde der Generalprokuratur zur Wahrung des Gesetzes zu beseitigen.

Rückverweise