10ObS28/08b – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Wolfgang Broesigke (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und ao Univ.-Prof. Dr. Gert-Peter Reissner (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Jovan P*****, ohne Beschäftigung, *****, vertreten durch Dr. Daniel Charim, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, wegen Invaliditätspension, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 22. November 2007, GZ 7 Rs 156/07y-102, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Nach § 255 Abs 2 ASVG liegt ein angelernter Beruf im Sinne des Abs 1 dieser Gesetzesstelle vor, wenn der Versicherte eine Tätigkeit ausübt, für die es erforderlich ist, durch praktische Arbeit qualifizierte Kenntnisse oder Fähigkeiten zu erwerben, welche jenen in einem erlernten Beruf gleichzuhalten sind.
In den Erläuterungen zum Initiativantrag der 9. ASVG-Novelle, mit der die zitierte Bestimmung eingeführt wurde, wurde unter anderem ausgeführt (517 BlgNR 9. GP 87):
„Die Prüfung, ob diese Voraussetzungen vorliegen, wird keine Schwierigkeiten bereiten, wenn es sich um eine Tätigkeit handelt, die ein Versicherter in einem üblicherweise erlernten Beruf ausübt, ohne dass er tatsächlich den Beruf erlernt hat. In solchen Fällen soll es für die Anspruchsberechtigung auf eine Leistung aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit gleichgültig sein, ob die Kenntnisse oder Fähigkeiten durch die Absolvierung eines Lehrverhältnisses oder durch praktische Arbeit erworben wurden ..."
(vgl 10 ObS 316/88 ua).
Voraussetzung für die Qualifikation als angelernter Arbeiter nach § 255 Abs 2 ASVG ist daher nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut und den zitierten Gesetzesmaterialien, dass der Versicherte hinsichtlich seiner Fähigkeiten und Kenntnisse den Anforderungen entspricht, die üblicherweise an Absolventen eines Lehrberufs gestellt werden. Grundlage für die Lösung dieser Rechtsfrage bilden einerseits die Anforderungen, die an einen gelernten Arbeiter im Lehrberuf auf dem österreichischen Arbeitsmarkt üblicherweise gestellt werden und andererseits die Kenntnisse und Fähigkeiten, über die der Versicherte im einzelnen Fall verfügt (SSV-NF 1/48 ua). Es genügt daher entgegen der Ansicht des Revisionswerbers nicht, dass ein Versicherter nur praktische Kenntnisse und Fähigkeit in einem Teilbereich eines Lehrberufs erworben hat, während gelernte Arbeiter umfangreichere Tätigkeitsbereiche beherrschen. Die Frage, ob der Kläger durch die von ihm verrichtete Tätigkeit einen Berufsschutz als angelernter Kunststoffverarbeiter erworben hat, ist einzelfallbezogen zu prüfen (vgl 10 ObS 89/07x). Nach den Feststellungen der Vorinstanzen beschränken sich die vom Kläger erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten auf den Bereich der Polyesterverarbeitung und entsprechen daher nicht jenen eines gelernten Kunststoffverarbeiters. Die Polyesterverarbeitung stellt nämlich nur einen kleinen Teil der Anforderungen an einen Kunststoffverarbeiter dar, der üblicherweise überwiegend im Bereich des Spritzgießens und des Extrudierens eingesetzt wird. Da der Kläger somit wesentliche Kenntnisse, die für das Berufsbild des Kunststoffverarbeiters vorausgesetzt werden, nicht aufweist, kann in der Verneinung des Vorliegens eines Berufsschutzes nach § 255 Abs 2 ASVG durch die Vorinstanzen keine vom Obersten Gerichtshof im Einzelfall wahrzunehmende Fehlbeurteilung erblickt werden.
Die außerordentliche Revision des Klägers war daher mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.