14Os19/08p – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 11. März 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fuchs in Gegenwart des Richteramtsanwärters MMag. Klaus als Schriftführer in der Strafsache gegen Gabriele B***** wegen des Vergehens des Eingehens und der Vermittlung von Aufenthaltsehen nach § 117 Abs 2 FPG, AZ 6 U 104/06w des Bezirksgerichts Voitsberg, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Bezirksgerichts Voitsberg vom 11. September 2006, GZ 6 U 104/06w-6, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Mag. Wachberger, jedoch in Abwesenheit der Gabriele B***** zu Recht erkannt:
Spruch
Das Urteil des Bezirksgerichts Voitsberg vom 11. September 2006, GZ 6 U 104/06w-6, verletzt das Gesetz in den §§ 1, 61 StGB. Gemäß § 292 letzter Satz StPO wird dieses Urteil aufgehoben und Gabriele B***** von dem wider sie erhobenen Vorwurf, sie sei am 26. Februar 2005 in B***** als Österreicherin mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch dafür geleistetes Entgelt von 5.000 Euro unrechtmäßig zu bereichern, eine Ehe mit einem Fremden, nämlich dem serbisch-montenegrinischen Staatsbürger Nazmi H***** eingegangen, ohne ein gemeinsames Familienleben iSd Art 8 MRK führen zu wollen, wobei sie gewusst habe oder habe wissen müssen, dass sich der Fremde für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese Ehe berufen will, und habe hiedurch das Vergehen nach § 117 Abs 2 FPG begangen, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Text
Gründe:
Mit Urteil des Bezirksgerichts Voitsberg vom 11. September 2006, GZ 6 U 104/06w-6, wurde Gabriele B***** des am 26. Februar 2005 verübten Vergehens des Eingehens und der Vermittlung von Aufenthaltsehen nach § 117 Abs 2 FPG schuldig erkannt und hiefür zu einer bedingt nachgesehenen (Zusatz ) Freiheitsstrafe verurteilt. Die Verurteilung steht - wie die Generalprokuratur in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend ausführt - mit dem Gesetz nicht im Einklang.
Rechtliche Beurteilung
Das am 1. Jänner 2006 in Kraft getretene Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl I Nr 100/2005, stand zur Zeit der Tatbegehung durch Gabriele B***** noch nicht in Geltung. Damals war nach § 106 Abs 1 FrG 1997 (BGBl I Nr 75/1997) gewerbsmäßiges (§ 70 StGB) Vermitteln oder Anbahnen von Scheinehen gerichtlich strafbar, wobei nach Abs 2 leg cit Personen, deren Eheschließung vermittelt oder angebahnt wurde, nicht als Beteiligte (§ 12 StGB) zu bestrafen waren. Nach dem Gesetzlichkeitsgebot des § 1 Abs 1 StGB darf eine Strafe nur wegen einer Tat verhängt werden, die zur Zeit ihrer Begehung mit Strafe bedroht war. Nach § 61 StGB sind Strafgesetze auf vor ihrem Inkrafttreten begangene Taten nur anzuwenden, wenn die Gesetze, die zur Tatzeit gegolten haben für den Täter in ihrer Gesamtauswirkung nicht günstiger waren.
Fallbezogen war das inkriminierte Verhalten zum Tatzeitpunkt nicht mit gerichtlicher Strafe bedroht. Die Anwendung des erst nach der angeklagten Handlung in Kraft getretenen § 117 Abs 2 FPG widerstreitet daher dem im Art 7 Abs 1 MRK und in den §§ 1 Abs 1, 61 erster Satz StGB verankerten Rückwirkungsverbot.
Gabriele B***** gereicht die Gesetzesverletzung zum Nachteil, weshalb deren Feststellung gemäß § 292 letzter Satz StPO mit konkreter Wirkung zu verknüpfen und das Urteil des Bezirksgerichts Voitsberg vom 11. September 2006, GZ 6 U 104/06w-6, zu kassieren war.