12Os21/08t – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 21. Februar 2008 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Wieltschnig als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Ibrahim Halil D***** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB, AZ 30 Ur 386/06m des Landesgerichts Innsbruck, über die Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Beschwerdegericht vom 21. Dezember 2007, AZ 7 Bs 529/07p (ON 131 der Ur-Akten), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Ibrahim Halil D***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.
Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.
Text
Gründe:
Am 7. Dezember 2006 war vom Untersuchungsrichter des Landesgerichts Innsbruck gegen Ibrahim Halil D***** (mangels der Möglichkeit der an sich begehrten Auslieferung des österreichischen Staatsbürgers [§ 12 Abs 1 ARHG]) die Voruntersuchung wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB eingeleitet und über den Genannten am 9. Dezember 2006 die Untersuchungshaft verhängt worden. Der diese Entscheidung bestätigende Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck wurde vom Obersten Gerichtshof wegen unzureichender Begründung des dringenden Tatverdachtes mit Erkenntnis vom 25. Jänner 2007 aufgehoben (12 Os 12/07t, EvBl 2007/63, 335, RZ 2007/25, 286, ON 43 der Ur-Akten); D***** wurde umgehend enthaftet (ON 37).
Im Hinblick auf umfangreiche neue Ermittlungsergebnisse erfolgte am 27. Mai 2007 die neuerliche Verhängung der Untersuchungshaft (ON 63), die - teilweise durch Beschlüsse des Beschwerdegerichts - mehrfach fortgesetzt wurde.
Im nunmehr angefochtenen Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck wird unter ausführlicher Erörterung der als dringend eingestuften Verdachtslage davon ausgegangen, dass sich Ibrahim Halil D***** am 12. Juni 2006 in Kovancilar (Türkei) an der vorsätzlichen Tötung des Celal S***** beteiligt habe.
Rechtliche Beurteilung
Die Grundrechtsbeschwerde beschränkt sich auf die Kritik, „mangels eigener Ermittlungstätigkeit österreichischer Strafgerichte liege kein dringender Tatverdacht vor", die substratlose Behauptung, die türkischen Behörden hätten „nur belastendes Material übermittelt, das entlastende aber zurückgehalten", und den Hinweis, „dass die Aussagen der Hauptbelastungszeugen in einem Maße divergieren, dass es so ist, dass man an der Verlässlichkeit tatsächlich zweifeln muss". Sie verfehlt damit sinnfällig ein Aufzeigen von Umständen, die den - bei der Bekämpfung der Sachverhaltsgrundlage einer Haftentscheidung maßgeblichen - Kategorien der im Grundrechtsbeschwerdeverfahren sinngemäß (§ 10 GRBG) heranzuziehenden Z 5 und Z 5a des § 281 Abs 1 StPO unterstellt werden können (RIS-Justiz RS0110146; vgl eingehend Reiter, ÖJZ 2007, 391 [396 ff]). Nur der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass auch ausländische Ermittlungsergebnisse nachvollziehender richterlicher Prüfung zugänglich sind (RIS-Justiz RS0040284, zuletzt 12 Os 12/07t) und Grundlage für einen dringenden Tatverdacht in einem österreichischen Strafverfahren bilden können. Das Vorbringen, „nach österreichischen Kriterien unzulässig zustande gekommene ... Telefonabhörprotokolle" dürften in diesem Verfahren nicht verwendet werden, entzieht sich schon mangels jeglicher Bestimmtheit inhaltlicher Erwiderung (vgl überdies RIS-Justiz RS0119110).
Die Rechtsmittelausführungen zur Fluchtgefahr vermögen keine Willkür der auf die bei einem Schuldspruch zu erwartende hohe Freiheitsstrafe abstellenden beschwerdegerichtlichen Ermessensentscheidung nach § 180 Abs 7 (iVm Abs 2 Z 1) StPO aF - die die eingewandten Punkte (soziale Integration in Österreich, keine Flucht nach Enthaftung) ausdrücklich mitbedachte (BS 13) - aufzuzeigen (RIS-Justiz RS0117806) und ignorieren überdies die Erwägungen zur im Grunde einer schwelenden Familienfehde nicht auszuschließenden Tatbegehungsgefahr (BS 14). Der Beschwerde zuwider sind die Ermittlungen zufolge parallel laufender Verfahren gegen die Tätermehrzahl in der Türkei, in Deutschland und in Österreich besonderen Schwierigkeiten ausgesetzt (§ 194 Abs 3 StPO aF, nunmehr § 178 Abs 2 StPO - weder der Begriff „Untersuchung" noch der der „Ermittlung" stellt auf rein inländische Vorgänge ab).
Ibrahim Halil D***** wurde daher durch den angefochtenen Beschluss in seinem verfassungsrechtlich geschützten Recht auf persönliche Freiheit nicht verletzt, weshalb die Grundrechtsbeschwerde ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen war.