JudikaturOGH

15Os88/07s – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. November 2007

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. November 2007 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Danek, Hon.-Prof.Dr. Kirchbacher, Dr. T. Solé und Mag. Lendl als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wiaderek als Schriftführer in der Strafsache gegen Walter W***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Walter W***** und Mathias F***** gegen das Urteil des Geschworenengerichts beim Landesgericht Steyr vom 29. März 2007, GZ 10 Hv 11/07a-100, sowie die Beschwerde des Angeklagten Mathias F***** gegen den gemeinsam mit dem Urteil gefassten Beschluss (§ 494a Abs 1 Z 4 StPO) nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem im zweiten Rechtsgang gefällten Urteil wurden Walter W***** und Mathias F***** des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB schuldig erkannt. Danach haben sie am 18. April 2006 in Steyr als Mittäter „durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben sowie unter Verwendung einer Waffe, nämlich dadurch, dass sie mit einem Gasrevolver bewaffnet und unter Mitnahme einer Maskierung auf die Filiale der B*****, zugingen und Bankangestellte nach Betreten der Bank und unter Vorhalt des Revolvers und durch nicht näher bekannte Drohworte bzw Drohgesten zur Herausgabe von Bargeld zwingen wollten, jedoch infolge Geschäftsschlusses der Bank gegen die bereits versperrte Eingangstür der Bank prallten, versucht, den Bankangestellten fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld in nicht näher bekannter Höhe mit dem Vorsatz abzunötigen, sich durch Zueignung des Geldbetrages unrechtmäßig zu bereichern". Die Geschworenen haben die anklagekonformen (vgl S 171/II) Hauptfragen bejaht und die auf freiwilligen Rücktritt vom Versuch gerichteten Zusatzfragen verneint.

Rechtliche Beurteilung

Die Angeklagten bekämpfen das Urteil mit gesondert ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden, wobei sich Walter W***** auf Z 8 und 10a und Mathias F***** auf Z 6, 9, 10a, 11 lit a und 13 des § 345 Abs 1 StPO stützt.

Beide Beschwerden verfehlen ihr Ziel.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Walter W*****

Die Instruktionsrüge (Z 8) kritisiert die den Geschworenen erteilte ergänzende Belehrung (§ 323 Abs 1 zweiter Satz StPO) betreffend freiwilligen Rücktritt vom Versuch, „dass für den Fall der Bejahung der Zusatzfrage denklogisch auch die Möglichkeit besteht, die Hauptfrage gemäß § 330 StPO insofern einzuschränken, als die Wortfolge ‚gegen die Eingangstür der Bank prallten' gestrichen werden kann" (S 2 des Protokolls zur ergänzenden Rechtsbelehrung vom 29. März 2007), als irreführend. Den Geschworenen wurde aber, worauf die Beschwerde nicht eingeht, gemäß § 321 Abs 2 StPO das Verhältnis von Haupt- und Zusatzfrage ebenso wie die Folgen der Bejahung oder Verneinung jeder Frage verdeutlicht. Ihnen lag daher die Belehrung vor, dass die Bejahung der Zusatzfrage jedenfalls zum Freispruch des Angeklagten Walter W***** führt, gleich ob die Hauptfrage nur einschränkend bejaht wird (vgl S 27 der Instruktion). Prozessförmig vorgetragene Kritik an der Rechtsbelehrung hat diese vollständig zu beachten (RIS-Justiz RS0100695).

Im Übrigen ist nicht nachvollziehbar, weshalb im gegebenen Zusammenhang „eine allfällige Streichung" zur Folge gehabt hätte, „dass im gegenständlichen Fall keine ausführungsnahe Handlung vorliegt, was im Endergebnis zu einem Freispruch des Angeklagten geführt hätte".

Gegen die im Wahrspruch der Geschworenen ausgedrückte Annahme der Verwendung eines Gasrevolvers zum (beim Versuch gebliebenen) Raubgeschehen bestehen keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofes (Z 10a), belasteten sich doch die Angeklagten in dieser Hinsicht gegenseitig (S 105, 115/I).

Ebensowenig kann der Beschwerde zuwider von bloßer Spekulation der Geschworenen darüber die Rede sein, dass die Angeklagten „infolge Geschäftsschlusses der Bank gegen die bereits versperrte Eingangstür der Bank prallten" (s die Angaben der Zeugen Rudolf P***** S 245, 247/II).

Somit vermag das Beschwerdevorbringen keine erheblichen Bedenken gegen das im Wahrspruch konstatierte Geschehen aufzuzeigen, wonach es keineswegs zu einer von den Angeklagten im Verfahren behaupteten Tataufgabe aus freien Stücken kam.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Mathias F*****

Die Beschwerde (Z 6 und 11 lit a) legt nicht aus dem Gesetz abgeleitet dar, weshalb den Geschworenen eine Zusatzfrage nach absolut untauglichem Versuch hätte gestellt werden sollen, ist doch bei solcher Untauglichkeit schon die Hauptfrage zu verneinen (RIS-Justiz RS0090109).

Der damit verbundene spekulative Einwand, dass die Geschworenen möglicherweise trotz der ihnen erteilten Rechtsbelehrung nicht geprüft haben, ob die Voraussetzungen eines straflosen absolut untauglichen Versuchs im Sinn des § 15 Abs 3 StGB vorliegen, stellt die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Nichtigkeit nicht dar. Das Vorbringen, es hätte einer Eventualfrage nach versuchtem Raub ohne Mitnahme einer Waffe bedurft, geht an der den Geschworenen mitgeteilten Möglichkeit der nur eingeschränkten Beantwortung einer Frage (§ 330 Abs 2 StPO) vorbei und lässt offen, warum dennoch ein Verstoß gegen die Vorschriften über die Fragestellung vorliegen soll. Weil im geschworenengerichtlichen Verfahren nicht nach der konkreten Fallgestaltung, sondern nur nach dem Vorliegen der gesetzlichen Kriterien eines Strafausschließungsgrundes schlechthin zu fragen ist, entbehrt die Fragenrüge auch in Betreff der Zusatzfrage 4, die nach Ansicht des Angeklagten ein Tatsachensubstrat hätte aufweisen müsse, der Orientierung an der Prozessordnung: In der Hauptverhandlung vorgekommene Tatsachen bilden zwar - ebenso wie in den Fällen der §§ 314, 316 StPO - den Anlass, nicht aber den Inhalt der Fragestellung (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 619).

Den Einwand, die Antwort der Geschworenen auf die gestellten Fragen sei „undeutlich und unvollständig", weil nicht klar zum Ausdruck komme, dass „ein freiwilliger und somit strafloser Rücktritt vom Versuch" vorliege (Z 9), stützt der Beschwerdeführer auf das Vorbringen gegen die Fragestellung, das wie dargelegt nicht an der Prozessordnung orientiert ist.

Auch die Tatsachenrüge (Z 10a) des Angeklagten F*****, die sich auf die Aussagen von Zeuginnen über den Tatzeitpunkt bezieht, und dem Angeklagten nachteilige Angaben anderer Zeugen übergeht (S 234 ff, 255 ff/II), weckt keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofes gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen. In Ansehung der angezweifelten Feststellung des Mitführens einer Waffe haben die Angeklagten, wie bereits dargelegt wurde, einander belastet.

Die Sanktionsrüge (Z 13 zweiter Fall) geht über die Urteilsannahme hinweg, dass die Persönlichkeitsstörung des Angeklagten ursächlich für die in Rede stehende Tat war (US 14). Er bezeichnet die Feststellungen über diese Störung als irreführend unvollständig, zeigt jedoch keinen Umstand auf, der ein Begründungsdefizit belegen oder aus den Akten abzuleitende erhebliche Bedenken des Obersten Gerichtshofs wecken könnte (Z 13 iVm Z 5, 5a). Indem der Angeklagte auf seinen „Therapieerfolg" abstellt, bringt er der Sache nach nur einen Berufungsgrund vor.

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der dazu erstatteten Äußerung des Verteidigers bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 344, 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Gerichtshofs zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde folgt (§§ 344, 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht der Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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