5Ob144/07y – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** AG, *****, vertreten durch Dr. Eva Riess, Rechtsanwältin in Wien, und deren Nebenintervenientin Mag. D*****Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch die Ehrlich-Rogner Schlögl Rechtsanwalts-Partnerschaft in Wien, gegen die beklagte Partei Wohnungseigentümergemeinschaft (richtig: Eigentümergemeinschaft) *****, L*****Gasse *****, vertreten durch Dr. Herbert Mayer, Rechtsanwalt in Wien, und deren Nebenintervenienten 1. Mag. Adelheid K*****, 2. Ulrike H*****-J*****, 3. Mag. Margit W*****,
4. Thomas F*****, 5. Mag. Johanna W*****, 6. Mag. Thomas W*****, beide *****, alle vertreten durch Mag. Gabriel Wutti, Rechtsanwalt in Wien, wegen 23.255,10 Euro s.A., über die ordentlichen Revisionen der Beklagten und deren Nebenintervenienten gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 12. März 2007, GZ 16 R 28/07s-36, mit welchem das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 2. November 2006, GZ 13 Cg 104/05t-27, bestätigt wurde, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die ordentlichen Revisionen der Beklagten und deren Nebenintervenienten werden zurückgewiesen.
Die Klägerin und deren Nebenintervenientin haben die Kosten ihrer Revisionsbeantwortungen jeweils selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Die Nebenintervenientin auf Seite der Klägerin war jahrelang Verwalterin des Hauses *****, L*****Gasse *****, und hatte 1992 oder 1993 auf ihren Namen bei der Klägerin ein Konto eröffnet, über welches die gesamte finanzielle Abwicklung der Verwaltung dieser Liegenschaft erfolgte. Im Jahr 1995 wurde dann Wohnungseigentum auf der Liegenschaft begründet. Zur Gebäudesanierung im Jahre 1996 oder 1997 erfolgte im Rahmen der Wohnbauförderung der Stadt Wien die Aufnahme eines Förderungsdarlehens bei der Klägerin, welches ebenfalls über besagtes Konto bedient wurde. Diese Kreditaufnahme war den einzelnen Miteigentümern bekannt.
Im Hinblick auf die dann in § 20 Abs 6 WEG 2002 vorgesehene Verpflichtung des Verwalters, alle die Eigentümergemeinschaft betreffenden Ein- und Auszahlungen über ein auf die Gemeinschaft lautendes und für jeden Wohnungseigentümer einsehbares gesondertes Konto durchzuführen, ließ die Nebenintervenientin am 25. 7. 2003 das ursprünglich auf diese lautende Konto auf die Beklagte „umschreiben". Es war das einzige Konto, das für die Liegenschaft geführt wurde. Am 2. 1. 2004 hat die Immobilien W***** GmbH die Verwaltung des Hauses übernommen. Das Konto bei der Klägerin war zum 1. 1. 2004 mit 93.853 Euro im Soll. Per 31. 12. 2004 betrug der Debetsaldo 73.419,28 Euro. Am 24. 3. 2005 erfolgte eine neuerliche „Umschreibung" auf ein neu eröffnetes Konto mit einer neuen Kontonummer; zu diesem Zeitpunkt betrug der Sollstand 74.444,08 Euro. Am 30. 6. 2005 erfolgte eine Gutschrift von 38.897,25 Euro und am 5. 12. 2005 eine weitere über 12.291,73 Euro. Nach Abzug dieser Gutschriften verbleibt ein offener Rest von 23.148,77 Euro.
Die Klägerin (= kontoführende Bank) begehrte von der Beklagten (= Eigentümergemeinschaft) die Zahlung dieser 23.148,77 Euro s.A. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.
Das Berufungsgericht gab den Berufungen der Beklagten und deren Nebenintervenienten (Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft) nicht Folge. Das Berufungsgericht qualifizierte die von der Nebenintervenientin auf Seite der Klägerin (= frühere Verwalterin) im Hinblick auf § 20 Abs 6 WEG 2002 vorgenommene „Umschreibung des Kontos" auf die Beklagte als eine Vertragsübernahme, die - entgegen der Ansicht der Beklagten und ihrer Nebenintervenienten - kein unzulässiges Insichgeschäft dargestellt habe. Der Verwalterin sei nämlich in Höhe des Debetsaldos ein auf § 1014 ABGB beruhender Aufwandersatzanspruch gegen die nunmehr beklagte Eigentümergemeinschaft zugestanden, sodass es durch die „Kontoumschreibung" zu keiner Schädigung von Interessen der Klägerin kommen habe können. Die Aufrechterhaltung des Kontos durch die neue Verwalterin sei überdies als schlüssige Zustimmung zur Übertragung des Eigenkontos auf die Beklagte zu verstehen gewesen. Die Entscheidung des Berufungsgerichts enthält den Ausspruch, die ordentliche Revision sei zulässig, weil - soweit überblickbar - keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Vertragsübernahme betreffend ein Eigenkonto der Verwalterin durch die Eigentümergemeinschaft vorliege und dieser Frage im Hinblick auf § 22 WEG 2002 (allenfalls erforderliche Vertretung der Eigentümergemeinschaft durch einen Eigentümervertreter) sowie zu § 20 Abs 6 WEG 2002 (idF WRN 2006) über den Einzelfall hinaus Bedeutung zukomme.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen diesem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichts sind die Revisionen der Beklagten und ihrer Nebenintervenienten wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) unzulässig; die Zurückweisung der ordentlichen Revisionen kann sich folgend auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO):
1. Das Berufungsgericht hat die von der Nebenintervenientin der Klägerin (= früheren Verwalterin) in Befolgung des § 20 Abs 6 WEG 2002 vorgenommene „Kontoumschreibung" von eben dieser Verwalterin auf die Beklagte (= Eigentümergemeinschaft) als Vertragsübernahme (allgemein dazu Neumayr in KBB, §§ 1405-1406 ABGB Rz 5 ff) gewertet, welche die Zustimmung aller Beteiligten erfordert habe. Gegen die Qualifikation als Vertragsübernahme wenden die Revisionswerber inhaltlich nichts ein. Dass dabei die frühere Verwalterin sowohl in eigenem Namen als auch als Vertreterin der Eigentümergemeinschaft eingeschritten sei, erachtete das Berufungsgericht unter dem Gesichtspunkt eines Insichgeschäfts für unbedenklich, weil der Verwalterin in Höhe des Debetsaldos ein auf § 1014 ABGB beruhender Aufwandersatzanspruch zugestanden habe, der durch die „Kontoumschreibung" beglichen worden sei, sodass diese zu keiner Schädigung von Interessen der Beklagten habe führen können. Dieser Ansicht treten die Revisionswerber entgegen und insbesondere die Beklagte verweist auf ihr vermeintlich gegen die seinerzeitige Verwalterin zustehende Gegenforderungen, welche sie nach „Kontoumschreibung" der hier klagenden Bank nicht entgegen halten könne.
2. Dass die von der Verwalterin namens der Eigentümergemeinschaft abgegebene Erklärung der Vertragsübernahme betreffend ein der Verwaltung der Liegenschaft dienendes Konto von der im Sinn des § 20 Abs 1 WEG 2002 nach außen unbeschränkbaren Vertretungsbefugnis der Verwalterin gedeckt ist, kann grundsätzlich schon nach dem klaren Gesetzeswortlaut nicht zweifelhaft sein. Ob eine solche Erklärung der Verwalterin, wenn diese auch selbst an der Vertragsübernahme beteiligt ist, zu einem in der Regel unzulässigen und unwirksamen „Insichgeschäft" führen würde (zum Oberbegriff des Insichgeschäfts und den davon erfassten Fällen s RIS-Justiz RS0019621) und ob dieses dann mangels möglicher Interessengefährdung (allgemein dazu etwa 4 Ob 2024/96t = SZ 69/90 = AnwBl 1997/7389, 651 [Mayer] = MietSlg 48.086/16 = wobl 1998/105, 149) der Eigentümergemeinschaft dennoch zulässig sein könnte, bedarf hier keiner näheren Untersuchung:
3. Das Berufungsgericht hat nämlich die schlüssige Zustimmung zur Vertragsübernahme auch mit der (jedenfalls anfänglichen) Weiterführung des Kontos durch die neue Verwalterin als Vertreterin der Eigentümergemeinschaft begründet. Die Beurteilung der Konkludenz einer Willenserklärung oder der Schlüssigkeit eines Verhaltens stellt aber regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO dar (RIS-Justiz RS0043253; RS0042776), es sei denn, es läge eine grobe Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen vor, die im Interesse der Rechtssicherheit oder der Einzelfallgerechtigkeit wahrgenommen werden müsste. Dies ist hier nicht der Fall. Dass zunächst ein Konto bestanden haben musste, welches auf die vormalige Verwalterin lautete, war mangels früherer Rechtsfähigkeit der Eigentümergemeinschaft genauso zwingend wie die dann mit § 20 Abs 6 WEG 2002 (idF vor der WRN 2006) vorgeschriebene Schaffung eines eigenen Kontos der Eigentümergemeinschaft. Auch die neue Verwalterin war gemäß § 20 Abs 6 WEG 2002 (idF vor der WRN 2006) verpflichtet, „alle die Eigentümergemeinschaft" betreffenden Ein- und Auszahlungen über ein auf die Gemeinschaft lautendes und für jeden Wohnungseigentümer einsehbares gesondertes Konto durchzuführen. Eigentümer eines auf diesem Konto vorhandenen Guthabens ist die Eigentümergemeinschaft. Die neue Verwalterin als Vertreterin der (nunmehr beklagten) Eigentümergemeinschaft hat zu diesem Zweck aber nicht etwa, was ihr freigestanden wäre und die fehlende Kontinuität der Rechtsbeziehung zwischen den Streitteilen dokumentiert hätte, sofort ein neues Konto eröffnet, sondern das bisherige, von der früheren Verwalterin auf die Beklagte „umgeschriebene" Konto übernommen und geraume Zeit als solches nach § 20 Abs 6 WEG 2002 weiterlaufen lassen. Dass dies aus der dabei maßgeblichen Sicht der Klägerin als schlüssige Zustimmung der Beklagten zur aufrechten Kontobeziehung gewertet werden durfte, stellt jedenfalls keine unvertretbare Beurteilung des vorliegenden Einzelfalls durch das Berufungsgericht dar. Eine solche - nicht vom kollisionsbetroffenen Vertreter stammende - nachträgliche Genehmigung (hier durch die neue Vertreterin der Beklagten) führt aber zur Wirksamkeit eines allfälligen Insichgeschäfts (RIS-Justiz RS0019350). Entgegen der Ansicht der Nebenintervenienten der Beklagten hat die Klägerin in ihrem erstinstanzlichen Prozessvorbringen auch ausdrücklich auf die Kontoübernahme durch die neue Verwalterin hingewiesen (AS 23 = S 3 in ON 5); eine rechtliche Qualifikation dieses Vorbringens durch die Klägerin war nicht erforderlich.
Das Berufungsgericht hat demnach die Berechtigung des Klagebegehrens auf der Grundlage vertretbarer Auslegung allgemeiner Grundsätze der Rechtsgeschäftslehre bejaht, sodass sich die vom Berufungsgericht als erheblich erkannten Rechtsfragen nicht stellen. Beide Revisionen erweisen sich damit als unzulässig und sind zurückzuweisen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 40 ZPO. Die Klägerin und deren Nebenintervenientin haben auf das Fehlen der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht hingewiesen.