10Ob43/07g – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon.-Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ingeborg D*****, vertreten durch Dr. Peter Lessky, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Gemeinde A*****, vertreten durch Dr. Martin Prokopp und Mag. Arno Pajek, Rechtsanwälte in Baden, und den auf Seiten der beklagten Partei beigetretenen Nebenintervenienten DI Waldemar F*****, wegen Feststellung des Grenzverlaufes und Abgabe einer Willenserklärung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 24. November 2006, GZ 18 R 163/06h-118, womit über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Baden vom 26. April 2006, GZ 9 C 1073/01f-112, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 399,74 EUR (davon 66,62 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
Text
Begründung:
Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO). Die Klägerin ist Eigentümerin des zur Liegenschaft EZ 19 Grundbuch ***** gehörenden Grundstückes Nr 406/19. Dieses Grundstück grenzt im Norden an die nebeneinander liegenden Grundstücke Nr 186/1 (vormals Grundstück Nr 186/4), Nr 183/3 und Nr 176/1, deren Eigentümerin die Beklagte ist. Das Grundstück der Klägerin und die Grundstücke Nr 186/1 und Nr 176/1 wurden nicht in den Grenzkataster umgewandelt. Der Bescheid des Vermessungsamtes Baden vom 22. 7. 1998, mit dem das Grundstück Nr 183/3 in den Grenzkataster umgewandelt wurde, ist nicht rechtskräftig. Der Verlauf der gemeinsamen Grenze dieser Grundstücke ist strittig.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren auf Feststellung eines bestimmt bezeichneten Grenzverlaufes und auf Verpflichtung der Beklagten, in die Berichtigung der Grenzziehung durch Unterfertigung eines Teilungsplanes einzuwilligen und eine entsprechende Aufsandungserklärung abzugeben, statt. Das Mehrbegehren wies es ab. Das Berufungsgericht bestätigte dieses von der Beklagten bekämpfte Urteil und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes 4.000 EUR nicht aber 20.000 EUR übersteige. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und verneinte, dass über den Grenzverlauf ein Vergleich (§§ 1380 ff ABGB) abgeschlossen worden sei. Die Grenzen zwischen dem Grundstück der Klägerin und den Grundstücken der Beklagten seien nämlich weder vor der Stellung des von der Klägerin beauftragten Teilungsplanes VHW 7/94 noch vor der Beauftragung des Planes VHW 5/00 durch die Beklagte strittig gewesen. Der Grenzverlauf sei in beiden Plänen nicht explizit Thema gewesen. Nachträglich (§ 508 ZPO) ließ das Berufungsgericht die ordentliche Revision zu.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch des Berufungsgerichtes (§ 508a Abs 1 ZPO) ist die von der Klägerin beantwortete Revision der Beklagten nicht zulässig. Die Beklagte begründete ihren Zulassungsantrag damit, dass die Klägerin im Jahr 1993 eine Zustimmungserklärung gemäß § 43 Abs 6 VermG unterfertigt habe (Beil ./6). Es liege somit eine Willenserklärung der Klägerin vor. Es sei davon auszugehen, dass die „Zustimmungserklärungen zum Plan VHW 7/94 (Beil ./6, ./10-./12) nicht zu einem strittigen Recht, sondern zu einem zweifelhaften Recht abgegeben" worden seien. Gerade bei Grundstücken im ländlichen Raum sei es offensichtlich, dass es zu Fehlern bei der Vermessung kommen könne. Sinn der Bestimmung des § 43 Abs 6 VermG sei es, dass die Grenze unzweifelhaft festgelegt werden könne. Schon der Umstand, dass sich die Grundstückseigentümer zu einer Grenzverhandlung zusammenfänden, zeige, dass sie sich wegen des neuen Planes der genauen Grenzen nicht sicher und daher die Rechte zweifelhaft seien. Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil die im Kern von der Beklagten angesprochene Rechtsfrage, ob allein schon mit der Abgabe von Zustimmungserklärungen im Vermessungsverfahren nach § 43 Abs 6 VermG auf konstitutive Weise eine Grenzfestlegung erfolgen könne bzw damit verbunden sei, ohne dass der Grenzverlauf vorher strittig gewesen wäre, die im § 502 Abs 1 ZPO angesprochene erhebliche Bedeutung habe.
Weder die in der Zulassungsbeschwerde noch die vom Berufungsgericht als erheblich im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO bezeichnete Rechtsfrage ist für die Entscheidung wesentlich:
§ 43 Abs 6 VermG lautet:
„Sind von Plänen über Vermessungen nach Abs 4 Grundstücke in Katastralgemeinden, in denen das teilweise Neuanlegungsverfahren eingeleitet ist, betroffen, die noch nicht im Grenzkataster enthalten sind, so sind überdies Zustimmungserklärungen der Eigentümer der angrenzenden Grundstücke zum Verlauf der Grenze dieser Grundstücke anzuschließen. Soweit solche Zustimmungserklärungen nicht zu erlangen waren, hat der Plan eine Erklärung des Planverfassers hierüber unter Angabe der Namen und Adressen der betreffenden Eigentümer zu enthalten."
Die an das Vermessungsamt Baden gerichtete Urkunde „Zustimmungserklärungen gemäß § 43 (6) Vermessungsgesetz" (Beil ./6) betrifft den Teilungsplan VHW 7/94 vom 14. 7. 1992, GZ 2251/91-A, über die Teilung des Grundstückes der Klägerin Nr 406/1, aus der unter anderem das der Klägerin gehörende Grundstück Nr 406/19 entstand (S 15 letzter Absatz, S 19 vorletzter Absatz des Ersturteiles). Darin heißt es:
„Die in nachstehendem Verzeichnis unterfertigten Grundeigentümer stimmen den in der Natur festgelegten und im zugehörigen Plan dargestellten Grenzverlauf der oben angeführten Liegenschaft(en) zu."
Im nachstehenden Verzeichnis sind drei Personen, darunter die Klägerin als Eigentümer des Grundstückes Nr 202 genannt. In der die Klägerin betreffenden Zeile unterschrieb diese in der Spalte „Unterschrift". Die beiden anderen Eigentümer unterfertigten nicht. Die Grenze zwischen dem Grundstück Nr 202 und dem Grundstück Nr 406/19 ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Die Urkunden Beil ./10, ./11 und ./12 - Formblätter der von der Klägerin mit der Grundstücksteilung beauftragten Ingenieurkonsulenten für Vermessungswesen - sind mit
„Beurkundung
Im Sinne des Vermessungsgesetzes § 53/3 zur Durchführung von Mappenberichtigungen" überschrieben. Daran anschließend steht:
„Hiemit wird beurkundet, dass die unterzeichneten Grundeigentümer über den in der Natur einverständlich festgelegten unvermarkten Grenzverlauf zwischen den Grundstücken einig sind und ihre Zustimmung zu dessen allfällig richtiger Darstellung in der Mappe geben. Eine Änderung der in der Natur ersichtlichen Grenzen hat nicht stattgefunden."
Beil ./10 ist von Katharina E***** als Eigentümerin des Grundstückes Nr 183/2 und vom Obmann der Hauptschulgemeinde A***** als Eigentümer des Grundstückes Nr 176/1, Beil ./11 von Harald S***** als Eigentümer des Grundstückes Nr 186/4 und Beil ./12 von Maria K***** als Eigentümerin des Grundstückes Nr 183/3 unterfertigt. Das Grundstück Nr 406/01 oder das Grundstück Nr 406/19 sind in diesen Urkunden, die den Vermerk „GZ 2251/91-A" (die Geschäftszahl des Teilungsplans VHW 7/94 vom 14. 7. 1992) enthalten, nicht angeführt.
Aus dieser Darstellung folgt, dass entgegen dem Standpunkt der Beklagten aus dem Inhalt der Urkunden Beil ./6, ./10 bis ./12 schon mangels übereinstimmender, den Verlauf der Grenzen zwischen dem Grundstück der Klägerin und den nunmehr der Beklagten gehörenden Grundstücken betreffende Willenserklärungen, ein Vergleich über den Grenzverlauf nicht abgeleitet werden kann. Dieser Schluss erfordert keine weitere Auseinandersetzung mit § 43 Abs 6 VermG und mit der vom Berufungsgericht als erheblich angesehenen Rechtsfrage. Soweit die Revision schließlich gegen den vom Erstgericht festgestellten Grenzverlauf argumentiert, bekämpft sie in Wahrheit nicht die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes, sondern die nicht revisible Beweiswürdigung der Vorinstanzen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Die Klägerin wies auf die Unzulässigkeit der Revision hin.