JudikaturOGH

15Os133/07h – OGH Entscheidung

Entscheidung
05. November 2007

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. November 2007 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. T. Solé als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wiaderek als Schriftführer in der Strafsache gegen Nurmuchamed S***** und andere Beschuldigte wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 erster und zweiter Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen, AZ 6 Hv 101/07p des Landesgerichtes für Strafsachen Graz, über die Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten Shaban G***** gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Graz als Beschwerdegericht vom 23. August 2007, AZ 11 Bs 315/07t (ON 433 des Hv-Aktes), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Shaban G***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Der am 18. Mai 1990 geborene Shaban G***** wurde ebenso wie andere Beschuldigte wegen Verdachts des Raubes in mehreren Fällen am 21. Jänner 2007 um 20.10 Uhr in Graz festgenommen (S 29/I). Der Untersuchungsrichter des Landesgerichtes für Strafsachen Graz leitete gegen ihn mit Beschluss vom 25. Jänner 2007 die Voruntersuchung wegen des Verdachts des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 erster und zweiter Fall, 15 StGB ein (S 487/I) und verhängte über ihn die Untersuchungshaft aus den Gründen des § 180 Abs 1 und Abs 2 Z 1, 2 und 3 lit a, b und c StPO iVm § 35 Abs 1 JGG (S 493/I, ON 11). Die Voruntersuchung wurde in der Folge ausgedehnt (S 493a/I).

Nach Beschlüssen auf Haftverlängerung am 5. Februar 2007 (ON 69, 71) aus denselben Haftgründen, am 5. März 2007 wegen Verdunkelungs- und Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 2 und 3 lit a, b und c StPO (ON 221, 225) und am 7. Mai 2007 wegen Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 3 lit a, b und c StPO (ON 330, 331) kam es am 18. Mai 2007 zur Einbringung der Anklageschrift durch die Staatsanwaltschaft gegen insgesamt 14 Beschuldigte (ON 336), teils junge Erwachsene, teils Jugendliche, darunter Shaban G*****.

Ihm wurde in der Anklage vorgeworfen, vom 1. Dezember 2006 bis zum 20. Jänner 2007 in acht Fällen als Mitglied einer kriminellen Vereinigung unter Mitwirkung eines anderen Mitgliedes dieser Vereinigung an teils unter Verwendung einer Waffe durchgeführtem Raub teilgenommen zu haben, wobei durch die auch von G***** ausgeübte Gewalt eines der Opfer schwer verletzt wurde.

Gegen die Anklageschrift erhob ein Mitbeschuldigter Einspruch (ON 345). Nur ihn betreffend wurde die Anklageschrift vom Oberlandesgericht Graz zur besseren Aufklärung vorläufig zurückgewiesen (ON 354). Die Staatsanwaltschaft brachte gegen jenen Beschuldigten in der Folge eine neue Anklageschrift ein (ON 360). Am 25. Juli 2007 langte bei Gericht die Mitteilung der Justizanstalt ein, dass gegen Shaban G***** wegen Raufhandels eine Ordnungsstrafe von sieben Tagen Hausarrest verhängt wurde (ON 369). Der neu gewählte Verteidiger des Shaban G***** brachte am 31. Juli 2007 einen „Antrag auf sofortige Enthaftung" und auf Einholung eines psychologischen Gutachtens „zwecks Feststellung der verzögerten Reife" ein (ON 374). In der daraufhin am 6. August 2007 durchgeführten Haftverhandlung beschloss der Vorsitzende aber die Fortsetzung der Untersuchungshaft wegen Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 3 lit a, b und c StPO (ON 393, 415). Der dagegen vom Angeklagten erhobenen Beschwerde (ON 414) gab das Oberlandesgericht Graz mit dem angefochtenen Beschluss nicht Folge; es ordnete die Fortsetzung der Untersuchungshaft wegen der schon vom Untersuchungsrichter angenommenen Tatbegehungsgefahr an.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen wendet sich die Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten. Er macht geltend, dass es an der erforderlichen Verhältnismäßigkeit fehle, keine Tatbegehungsgefahr bestehe, außerdem gelindere Mittel genügt hätten und das besondere Beschleunigungsgebot in Haftsachen verletzt worden sei.

Die Einwände sind nicht zielführend.

Die rechtliche Annahme einer der von § 180 Abs 2 StPO genannten Gefahren wird vom Obersten Gerichtshof im Rahmen des Grundrechtsbeschwerdeverfahrens dahin überprüft, ob sie aus den in der angefochtenen Entscheidung angeführten bestimmten Tatsachen abgeleitet werden durfte, ohne dass die darin liegende Ermessensentscheidung als willkürlich angesehen werden müsste (jüngst 13 Os 49/07s; RIS-Justiz RS0117806).

In Betreff des angenommenen Haftgrundes ging das Oberlandesgericht davon aus, dass der Angeklagte in der bei einzelnen Fakten gegebenen Gruppierung führend beteiligt war und eine besondere Gewaltbereitschaft zeigte, nahm darauf Bedacht, dass er zwei einschlägige Vorstrafen aufweist (S 323/VII), ihm ein Raufhandel in der Untersuchungshaft zur Last liegt und er eine Einstellung und Persönlichkeit mit besonderer krimineller Energie zeige. Daran geht das Beschwerdevorbringen, der Angeklagte sei sozial integriert, erhalte finanzielle Unterstützung durch das AMS und von den Eltern, die Straftaten seien nicht zur Geldversorgung begangen worden, ebenso vorbei wie die Behauptung, Shaban G***** leide unter einer verzögerten Reife, habe Taten unter Beeinflussung älterer Bandenmitglieder begangen und sei „sicherlich gewillt", in Zukunft redlich fortzukommen. Auch der Beschwerdehinweis auf eine abhaltende Wirkung der bisherigen Haft geht nicht auf die Erwägungen des Oberlandesgerichtes ein. Eine Unvertretbarkeit der Ermessensentscheidung wird solcherart nicht aufgezeigt. Die Beschwerde geht auch daran vorbei, dass die Untersuchungshaft aus dem Grund der Tatbegehungsgefahr nicht, worauf der Beschwerdeführer abstellen will, „ausschließlich der Sicherung von Untersuchungszwecken", sondern dazu dient, den Angeklagten an einer auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchtenden Begehung einer Straftat zu hindern (vgl Art 5 Abs 1 lit c MRK, Art 2 Abs 1 Z 2 lit a PersFrSchG).

Der Ansicht des Oberlandesgerichtes, dass gelindere Mittel (auch mit Blick auf § 35 Abs 1 JGG) im gegebenen Fall zur Erreichung des Haftzwecks nicht ausreichen, vermag die Beschwerde mit dem Hinweis auf die mögliche Überprüfung der Familienverhältnisse des Angeklagten ebenso wenig substantiell zu entgegnen wie der angenommenen Verhältnismäßigkeit mit dem Vorbringen, Shaban G***** sei als AMS-Kursteilnehmer auf der Suche nach einem Lehrplatz. In Betreff des Gebots der beschleunigten Führung des Verfahrens in Haftsachen ist beim vorliegenden umfangreichen Akt mit einer Vielzahl von Angeklagten, die verdächtig sind, in verschiedenen Gruppierungen eine Reihe von gravierenden Taten begangen zu haben, in der vom Beschwerdeführer beanstandeten Inanspruchnahme der aktenkundigen Zeitspanne zur umfassenden Vorbereitung der Hauptverhandlung - dem Vorsitzenden wurde der Akt am 5. Juli 2007 zugeleitet, der am 23. Juli 2007 den Beginn der für vier Verhandlungstage vorgesehenen Hauptverhandlung für 10. September 2007 anberaumte (S 3oo und 3rr sowie 3rr verso im Antrags- und Verfügungsbogen) - keine ins Gewicht fallende Säumigkeit erkennbar.

Shaban G***** wurde demnach im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

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