4Ob156/07f – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Ruth E. Hütthaler-Brandauer, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei I***** GmbH, *****, vertreten durch Piaty Müller-Mezin Schoeller Rechtsanwälte GmbH in Graz, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 34.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 4. Juli 2007, GZ 6 R 115/07i-21, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Die Beklagte vertreibt über Apotheken das Produkt „O*****" als diätetisches Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (§ 1 Abs 2 Z 2 der VO BGBl II 2002/416). Das Produkt enthält probiotische Bakterienkulturen, die gegen Antibiotika resistent sind und pathogene Bakterien im Darm töten können. Die Beklagte bewirbt ihr Produkt unter Hinweis auf diese heilenden Wirkungen iSd § 5 Abs 3 LMSVG. Zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs begehrt die Klägerin, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung bis zur Rechtskraft des über die Unterlassungsklage ergehenden Urteils aufzutragen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs ihr Produkt als diätetisches Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke in Verkehr zu bringen und zu bewerben. Bakterienkulturen seien keine Nährstoffe und dienten nicht der Ernährung von Patienten. Das Produkt der Beklagten sei daher in Wahrheit als Nahrungsergänzungsmittel einzustufen. Damit verstoße die krankheitsbezogene Werbung für dieses Produkt gegen § 5 Abs 3 LMSVG. Es liege ein sittenwidriger Wettbewerbsverstoß durch Rechtsbruch (§ 1 UWG) vor.
Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab; das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Die Tatsacheninstanzen hielten es im Sicherungsverfahren für nicht bescheinigt, dass die im Produkt enthaltenen probiotischen Bakterienkulturen keine Nährstoffe seien, nicht der Bekämpfung von Krankheiten und Beschwerden dienten und ihr Ernährungszweck auch durch eine Umstellung der Ernährung (etwa durch Einnahme von Nahrungsergänzungsmittel) erreicht werden könne. Damit sei die Auffassung der Beklagten über die Bedeutung des Begriffs „diätetisches Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke" durch das Gesetz soweit gedeckt, dass sie mit gutem Grund vertreten werden könne.
Rechtliche Beurteilung
Ausgehend von diesem - in dritter Instanz unbekämpfbaren - Sachverhalt hält sich die rechtliche Beurteilung des Rekursgerichts im Rahmen höchstgerichtlicher Rechtsprechung zu § 1 UWG. Auf dem Boden der bisher bekannten Tatsachen ist der rechtliche Schluss zutreffend, die Auffassung der Beklagten sei vertretbar, ihr Produkt falle - weil es ein Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke iSd § 1 Abs 2 Z 2 der VO BGBl II 2002/416 ist - unter den Ausnahmetatbestand des § 5 Abs 3 LMSVG. Maßgebend ist, ob die Auffassung der Beklagten über die Auslegung der angeblich verletzten Norm durch das Gesetz so weit gedeckt ist, dass sie mit gutem Grund vertreten werden kann (stRsp RIS-Justiz RS0077771). Dies ist hier zu bejahen, weil die Rechtsauffassung der Beklagten in keinem Gegensatz zu einem klaren Gesetzeswortlaut, einer offenkundigen Absicht des Gesetzgebers oder höchstgerichtlicher Rechtsprechung steht.