5Ob109/07a – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gerhard W*****, vertreten durch Dr. Benedikt Wallner, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. Albin O*****, emeritierter Rechtsanwalt, *****, vertreten durch Dr. Herbert Salficky, Rechtsanwalt in Wien, wegen 615.000 Euro sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 21. März 2007, GZ 6 R 48/07m-31, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1.1. Der Kläger behauptet einen Mangel des Berufungsverfahrens. Das Berufungsgericht habe gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz verstoßen, weil es ohne Beweiswiederholung von den erstgerichtlichen Feststellungen abgewichen sei. Der Kläger habe die Feststellung begehrt, die Vereinbarung zwischen ihm und der B***** AG (B*****) vom 14. 9. 2005 sei deshalb getroffen worden, weil beide Seiten die Forderung der jeweils anderen für dem Grunde nach berechtigt und der Höhe nach für vergleichbar gehalten hätten, sodass mit der genannten Vereinbarung eine Aufrechnung wechselseitiger Ansprüche habe erfolgen sollen. Das Berufungsgericht sei dem jedoch nicht gefolgt, weil nach dessen Ansicht der klägerische Anspruch keinen Wert dargestellt habe. Dies habe das Berufungsgericht aus von ihm selbst - ohne Beweiswiederholung - getroffenen Annahmen geschlossen, nämlich aus einer vermeintlichen Unverkäuflichkeit der (früheren) Liegenschaft des Klägers (zumindest) um einen höheren Kaufpreis als den von der B***** GmbH bezahlten.
1.2.1. Soweit der Kläger die Beweggründe der Vertragsparteien für den Abschluss der Vereinbarung vom 14. 9. 2005 im reklamierten Sinn festgestellt haben will, bekämpft er - im Revisionsverfahren unzulässig (RIS-Justiz RS0042903) - die Tat- und Beweisfrage. Aus welchen Erwägungen sich insbesondere die B***** zum Abschluss der Vereinbarung vom 14. 9. 2005 bereit fand, hat das Erstgericht eingehend - freilich nicht in dem vom Kläger intendierten Sinn - festgestellt (Ersturteil S. 21 f) und von diesen Feststellungen ist das Berufungsgericht auch nicht abgewichen.
1.2.2. Die nicht erweisliche Werthältigkeit der vom Kläger mit der Vereinbarung vom 14. 9. 2005 verglichenen Ansprüche hat schon des Erstgericht, insbesondere aus den dargestellten Ergebnissen der Rechtsstreite zwischen dem Kläger und der B***** sinngemäß - wenngleich überwiegend im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung (Ersturteil S. 24) - abgeleitet. Das Berufungsgericht hat diese Ausführungen als Tatsachenfeststellungen gewertet und diese als stichhältig erachtet. Auch insoweit liegt damit eine im Revisionsverfahren nicht mehr überprüfbare Behandlung der Tatfrage vor. Auf die rechtliche Bewertung der Werthältigkeit der vermeintlichen Ansprüche des Klägers ist noch zurückzukommen. Der behauptete Verfahrensmangel liegt jedenfalls nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
2.1. Nach Ansicht des Klägers fehle es an (einschlägiger) Rechtsprechung zur Frage, „wieweit der Inzidentprozess hypothetisch die Vermögensentwicklung des Klägers bei pflichtgemäßem Handeln des Beklagten (Rechtsanwalt) nachzuvollziehen habe" und ob dabei ein Vorteilsausgleich stattfinde.
2.2.1. Liegt das Verschulden des Rechtsanwalts in der unterlassenen Aufklärung über die Notwendigkeit einer Prozesshandlung, ist über einen daraus abgeleiteten Schadenersatzanspruch der Prozess - auch in den dort in Betracht gekommenen rechtlichen Erwägungen - hypothetisch nachzuvollziehen und zu beurteilen, wie er mit überwiegender Wahrscheinlichkeit geendet hätte, wenn die Prozesshandlung vorgenommen worden wäre; dies entspricht ständiger Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0022706), von der auch die Vorinstanzen ausgegangen sind, sodass sich insoweit keine erhebliche Rechtsfrage stellt. Es entspricht ebenfalls gesicherter Judikatur, dass der Kläger für die Behauptung beweispflichtig ist, dass der (vermeintliche) Schaden bei einem bestimmten und möglichen pflichtgemäßen Handeln des Rechtsanwalts nicht eingetreten wäre (RIS-Justiz RS0022700).
2.2.2. Die Vorinstanzen sind davon ausgegangen, dass der Kläger im Prozess gegen die B***** voraussichtlich den Entfall der Zug-um-Zug-Verpflichtung für die Zuhaltung des Schulderlassvertrags durch die B***** erreicht hätte (Ersturteil S. 23). Damit haben die Vorinstanzen den Ausgang dieses Rechtsstreits ohnehin in dem vom Kläger gewünschten Sinn prognostiziert.
2.2.3. Sämtliche vom Kläger in der Klage angesprochenen Schadenersatzbeträge beruhen im Grunde darauf, dass die B***** seine Liegenschaft unberechtigt veräußert habe. Dafür kann aber der beklagte Rechtsanwalt nicht verantwortlich gemacht werden. Diese Begehren sind - wie vom Beklagten immer eingewendet - unschlüssig. Soweit der Beklagte behauptete, ihm sei „eine titulierte Forderung gegen die B***** auf Erfüllung des Schulderlassvertrages in der Höhe von - zuletzt EUR 1,026.000,00" zugestanden (S. 13 in ON 12), so trifft auch dies nicht genau den Kern. Folgt man der Argumentation des Klägers, wonach es infolge nicht (zeitgerechter) Bezahlung von 688.566,10 Schilling nicht zum Schulderlass gekommen sei, dann besteht der Schaden des Klägers durch den Fehler des Beklagten gerade im (vorerst) nicht erreichten Schulderlass und den danach gegenüber der B***** (vorerst) weiter bestehen gebliebenen Verbindlichkeiten. Der Kläger hat dann durch die vergleichsweise Vereinbarung vom 14. 9. 2005 die Entschuldung erlangt. Diese Vereinbarung hat der Kläger, wie er selbst konzediert „im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht" (Revision S. 8) abgeschlossen, sodass sich auch die Frage eines „Vorteilsausgleichs" nicht stellt. Als Schaden verbleibt dem Kläger dann - nach seiner eigenen Argumentation - der Wert der für die vergleichsweise Einigung „zur Kompensation" aufgegebenen eigenen Forderungen. Der Kläger hat selbst in der Klage eingeräumt, dass er zur Erfüllung des Schulderlasses die fragliche Liegenschaft hätte verkaufen müssen (Klage S. 3), sodass seine nunmehrigen Überlegungen über längerfristige Entwicklungen der Liegenschaftspreise unbeachtlich sind. Der Kläger war weiters bis zur Vereinbarung vom 14. 9. 2005 mit allen seinen Klagen, die auf der vermeintlich möglichen Erzielbarkeit eines höheren Kaufpreises beruhten, erfolglos und tatsächlich ist die Liegenschaft bislang nicht besser verkauft worden. Wenn die Vorinstanzen unter diesen Umständen die „Forderungen" des Klägers als nicht werthältig erkannten, so stellt dies jedenfalls keine unvertretbare Bewertung des vorliegend gegebenen Geschehnisablaufs dar.
Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision daher unzulässig und zurückzuweisen.