10ObS61/07d – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Christa Brezna (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Dr. Heinz Ehmer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Isidor P*****, vertreten durch Dr. Georg Getreuer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1, wegen Alterspension über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29. Jänner 2007, GZ 10 Rs 40/06k-14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 5. Dezember 2005, GZ 8 Cgs 104/05z-10, bestätigt wurde, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Nach den Feststellungen erfüllte der am 12. 3. 1943 geborene Kläger im Zeitraum 1988 bis 2003 in 48 Monaten „die Ansprüche zur Gewährung der Notstandshilfe"; aufgrund des Einkommens seiner Gattin gelangte die Notstandshilfe jedoch nicht zur Auszahlung.
Die Vorinstanzen haben sein Begehren, ihm ab 1. 12. 2004 eine höhere vorzeitige Alterspension wegen langer Versicherungsdauer zuzuerkennen, abgewiesen. Nach den zu diesem Stichtag maßgeblichen Vorschriften komme die Anrechnung jener 48 Monate, in denen er aufgrund des Einkommens seiner Gattin keine Notstandshilfe bezog, als Ersatzzeiten nicht in Betracht, weil Zeiten, in denen infolge Berücksichtigung des Partnereinkommens kein Anspruch auf Notstandshilfe bestand, nach den §§ 227 Abs 1 Z 5 ASVG und 34 AlVG in der (gemäß § 79 Abs 82 AlVG) bis zum 31. 12. 2004 anzuwendenden Fassung nur für bestimmte Geburtenjahrgänge (Frauen: 1945 bis 1947; Männer: 1940 bis 1942) und in bestimmten Jahren Ersatzzeiten in der Pensionsversicherung begründeten. Gegen die Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmungen bestünden vor dem Hintergrund der Entscheidung 10 ObS 172/04y keine Bedenken. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil - mit Ausnahme der zitierten Entscheidung, die die Regelung des § 34 AlVG aF „nur am Rande streift" - keine [weitere] Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage der Anerkennung jener Zeiten, in denen ein Anspruch auf Notstandshilfe nur aufgrund der Anrechnung des Partnereinkommens nicht bestand, als Ersatzzeiten bestehe. In der zitierten Entscheidung wurde aber auch auf diese Frage bereits ausführlich eingegangen, wobei der Senat die in der Revision allein geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die eingangs genannten Bestimmungen nicht erblickt sondern Folgendes ausgesprochen hat (RIS-Justiz RS0083750 = SSV-NF 19/20 = SZ 2005/29):
„1. Nach § 227 Abs 1 Z 5 ASVG gelten als Ersatzzeiten in dem Zweig der Pensionsversicherung, in dem die letzte vorangegangene Beitragszeit vorliegt, (neben anderen) diejenigen Zeiten, in denen der Versicherte nach dem 31. Dezember 1970 wegen Arbeitslosigkeit rechtmäßig eine Geldleistung aus der Arbeitslosenversicherung nach dem AlVG bezogen hat, weiters Zeiten des Ausschlusses vom Bezug der Notstandshilfe nach § 34 AlVG. Eine von § 227 Abs 1 Z 5 ASVG erfasste Geldleistung nach dem AlVG stellt neben dem Arbeitslosengeld (§§ 7 ff AlVG) und weiteren in § 6 AlVG aufgezählten Leistungen auch die Notstandshilfe (§§ 33 ff AlVG) dar (Teschner/Widlar, ASVG 59. Erg-Lfg 1120). Ursprünglich wurde für den Erwerb von Ersatzzeiten (nur) auf den tatsächlichen Bezug einer Geldleistung abgestellt (Teschner/Widlar, ASVG 87. Erg-Lfg 1122/1). Mit dem SRÄG 2000, BGBl I 2000/101, wurde in § 227 Abs 1 Z 5 ASVG der Ausdruck 'rechtmäßig' eingefügt, um zu dokumentieren, dass zu Unrecht zuerkannte Geldleistungen aus der Arbeitslosenversicherung nicht als ersatzzeitbegründend zu werten sind (AB 254 BlgNR 21. GP 7). Insoweit wurde dem Sozialversicherungsträger die Möglichkeit eingeräumt, die Rechtmäßigkeit des Bezugs einer Leistung für die Beurteilung eines Bezugszeitraums als Ersatzzeit in der Pensionsversicherung zu überprüfen; Grundvoraussetzung ist aber der tatsächliche Bezug einer Leistung (siehe unten 5.).
Bei Ersatzzeiten handelt es sich um Perioden, die ungeachtet des Umstands, dass für sie keine Beiträge entrichtet wurden, aus sozialpolitischen Gründen in der Pensionsversicherung als leistungswirksam berücksichtigt werden (RIS-Justiz RS0084574). In der Regel handelt es sich um Zeiten, während derer der Versicherte aus verschiedenen vom Gesetzgeber anerkannten Gründen nicht in der Lage war, Beiträge zu entrichten (zB Kriegsdienst, Kriegsgefangenschaft, Schul- und Studienzeiten nach Vollendung des 15. Lebensjahres, Krankengeldbezug, Arbeitslosigkeit, Kindererziehungszeiten uä). Die Anerkennung von Ersatzzeiten durch den Gesetzgeber erfolgt in einer sehr kasuistischen Weise. Dies hängt auch damit zusammen, dass wegen der besonderen finanziellen Belastung, die die Versichertengemeinschaft durch solche beitragsfrei erworbene Ersatzzeiten trifft, die Anrechnung solcher Zeiten in einzelnen Fällen wiederum beschränkt wird. So zählen bestimmte Ersatzzeiten (zB Schul- und Studienzeiten) nur im Fall einer nachträglichen Beitragsentrichtung ('Nachkauf') für die Erfüllung der Wartezeit und die Bemessung der Leistungen. Bei anderen Ersatzzeiten werden die durch die Anrechnung in der Pensionsversicherung verursachten Aufwendungen durch die Überweisung von Pauschalbeträgen bzw Beiträgen aus anderen öffentlichen Kassen an den Versicherungsträger bzw an den Ausgleichsfonds der Pensionsversicherungsträger abgegolten (Teschner in Tomandl, SV-System, 16. Erg-Lfg 384 f, Punkt 2.4.3.1.3.2.). So leistet die Arbeitslosenversicherung Pauschalbeiträge für die Anerkennung von Zeiten der Arbeitslosigkeit als Ersatzzeiten (§ 447g Abs 3 ASVG).
Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrmals ausgesprochen, dass er gegen die Bestimmung des § 227 Abs 1 Z 5 ASVG unter dem Gesichtspunkt, ab welchem Zeitpunkt bestimmte Zeiten als Ersatzzeiten
gelten, keine verfassungsrechtlichen Bedenken hegt (10 ObS 89/92 =
SSV-NF 6/54; 10 ObS 3/95 = SVSlg 40.426; RIS-Justiz RS0083750). Diese Festlegung stehe in der rechtspolitischen Freiheit des Gesetzgebers. Wegen der mit der beitragsfreien Anrechnung von Ersatzzeiten verbundenen besonderen finanziellen Belastung der Versichertengemeinschaft sei eine Einschränkung dieser Begünstigung an sich nicht zu beanstanden.