14Os63/07g – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 10. Juli 2007 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Philipp, Hon. Prof. Dr. Schroll und Hon. Prof. Dr. Kirchbacher und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Mag. Hetlinger in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Egger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Günther H***** wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen, AZ 094 Hv 62/06k des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, über die vom Generalprokurator gegen den Beschluss dieses Gerichtes vom 1. Februar 2007 (ON 29) erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Mag. Höpler, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 1. Februar 2007 (ON 29) verletzt insoweit, als damit auch die bedingte Nachsicht der im Verfahren AZ 3 U 216/01t des Jugendgerichtshofes Wien (nunmehr AZ 26 U 178/03x des Bezirksgerichtes Meidling) über Günther H***** verhängten Freiheitsstrafe widerrufen wurde, das Gesetz in dem im XX. Hauptstück der StPO verankerten Grundsatz der materiellen Rechtskraft.
Der Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Wien wird in dem von der Gesetzesverletzung betroffenen Umfang aufgehoben und der entsprechende Widerrufsantrag der Staatsanwaltschaft Wien abgewiesen.
Text
Gründe:
1. Mit gemäß § 458 Abs 3 StPO gekürzt ausgefertigtem Urteil des Jugendgerichtshofs Wien vom 19. September 2001, GZ 3 U 216/01t-8 (nunmehr 26 U 178/03x-8 des Bezirksgerichtes Meidling), wurde Günther H***** des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB schuldig erkannt und hiefür zu einer für eine dreijährige Probezeit bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von zwei Wochen verurteilt. Aus Anlass einer weiteren Verurteilung sah das Bezirksgericht Meidling mit (rechtskräftigem) Beschluss vom 20. Februar 2004, GZ 26 U 302/03g-11, vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht ab, verlängerte aber die Probezeit auf fünf Jahre. Mit seit 31. Oktober 2006 rechtskräftigem Beschluss des Bezirksgerichtes Meidling vom 13. Oktober (richtig:) 2006, GZ 26 U 178/03x-17, wurde diese Strafe endgültig nachgesehen (§ 43 Abs 2 erster Satz StGB).
2. Wegen mehrerer, zwischen 23. August 2006 und 20. Oktober 2006 begangener Straftaten wurde Günther H***** mit rechtskräftigem, gekürzt ausgefertigtem Urteil einer Einzelrichterin des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 1. Februar 2007, GZ 094 Hv 62/06k-29, des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen schuldig erkannt und zu einer (unbedingten) Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt. Zugleich fasste das Gericht den (gleichfalls bereits rechtskräftigen) Beschluss, gemäß § 53 Abs 1 StGB iVm § 494 a Abs 1 Z 4 StPO unter anderem auch die Günther H***** am 19. September 2001 gewährte bedingte Strafnachsicht (oben Punkt 1.) zu widerrufen. Die endgültige Nachsicht jener Strafe war aus dem zum Urteilszeitpunkt angeschlossenen Vorstrafakt des Bezirksgerichtes Meidling ersichtlich.
Rechtliche Beurteilung
3. Der Beschluss der Einzelrichterin des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 1. Februar 2007 steht, wie der Generalprokurator in seiner deswegen erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend ausführt, zum Teil mit dem Gesetz nicht im Einklang.
Im Zeitpunkt der Beschlussfassung war die im Verfahren AZ 3 U 2l6/01t des Jugendgerichtshofes Wien unter Bestimmung einer (sodann verlängerten) Probezeit bedingt nachgesehene zweiwöchige Freiheitsstrafe bereits mit Beschluss des Bezirksgerichtes Meidling vom 13. Oktober 2006 (rechtskräftig) endgültig nachgesehen worden. Damit stand der von der Einzelrichterin gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO getroffenen Entscheidung, soweit sie sich auf das Verfahren AZ 3 U 216/01t des Jugendgerichtshofes Wien bezog, die Rechtskraft des Beschlusses vom 13. Oktober 2006 entgegen (RIS-Justiz RS0101270). Der Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 1. Februar 2007 war daher in dem von der Gesetzesverletzung betroffenen Umfang aufzuheben und der entsprechende Widerrufsantrag der Staatsanwaltschaft Wien (S 57 in 094 Hv 62/06k) abzuweisen.