JudikaturOGH

5Ob84/07z – OGH Entscheidung

Entscheidung
03. Juli 2007

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Günter H*****, Pensionist, *****, vertreten durch Dr. Gustav Teicht und Dr. Gerhard Jöchl, Rechtsanwälte Kommandit-Partnerschaft in Wien, gegen die beklagte Partei W***** Ruder-Club „P*****", *****, vertreten durch Dr. Wolfgang Wiedner, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung der Unwirksamkeit eines Vereinsausschlusses (Streitwert 20.000 Euro), über die Rekurse beider Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 26. Juli 2006, GZ 14 R 42/06h-22, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 30. Jänner 2006, GZ 18 Cg 43/04g-18, aufgehoben wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Rekurs des Klägers wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten seiner Rekursbeantwortung selbst zu tragen.

Dem Rekurs des Beklagten wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Verfahrens über den Rekurs des Beklagten sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der Kläger war im Jahre 1962 dem beklagten Verein beigetreten. Die Statuten des Beklagten betreffend die Beendigung der Mitgliedschaft lauten auszugsweise wie folgt:

„ ....

6. Beendigung der Mitgliedschaft:

....

6.4 Der Ausschluß eines Mitgliedes aus dem Verein kann vom Vorstand wegen grober Verletzung der Mitgliedspflichten und wegen unehrenhaften Verhaltens verfügt werden. Gegen den Ausschluß ist die schriftliche Berufung an die Generalversammlung innerhalb von einer Frist von einem Monat ab der Verständigung vom Vereinsausschluss zulässig, bis zu deren Entscheidung die Mitgliedsrechte ruhen.

....

6.6 Gründe für den Ausschluß eines Mitgliedes oder die Aberkennung der Ehrenmitgliedschaft sind insbesondere

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs des Klägers ist unzulässig, jener des Beklagten ist in seinem Aufhebungsantrag berechtigt.

A. Zum Rekurs des Klägers:

1. Der Kläger erachtet zunächst die Rekurszulassung durch das Berufungsgericht für zutreffend, weil die Rechtsfrage, ob im gerichtlichen Verfahren Ausschlussgründe auch dann „nachgeschoben" werden dürften, wenn die Vereinsstatuten keine Anhörung des auszuschließenden Mitglieds vorsehen, in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bislang uneinheitlich beantwortet worden sei. Mit dieser vermeintlich erheblichen Rechtsfrage setzt sich der Kläger in seinem Rechtsmittel allerdings inhaltlich nicht auseinander.

2.1. Der Aufhebungsbeschluss beruht nach Ansicht des Klägers auf einem wesentlichen Verfahrensmangel, weil das Berufungsgericht vom Erstgericht Feststellungen zum vermeintlich dem Kläger anzulastenden Entzug weiterer Gegenstände aus dem Vereinsvermögen (Laterne und mehrere Bilder) verlange, obwohl der Beklagte in seiner Berufung in diesem Punkt keine Sachverhaltsergänzung verlangt habe.

2.2. Der Beklagte hat in erster Instanz den Vereinsausschluss des Klägers auf den Vorwurf gestüzt, dieser haben dem Verein bestimmte Fahrnisse entzogen. Diesen Vorwurf hat der Beklagte in seiner Berufung erneut angesprochen und sich im Detail mit einigen (offenbar wesentlicheren) Gegenständen (Kantinengeräten) befasst. Wenn das Berufungsgericht auch noch die nähere Klärung der Eigentumsfrage hinsichtlich weiterer in erster Instanz relevierter Fahrnisse für erforderlich hält, dann stellt dies die umfassende Überprüfung eines in erster Instanz geltend gemachten und im Berufungsverfahrens aufrecht erhaltenen Entscheidungsteils dar. Es wird dadurch - entgegen der Ansicht des Klägers die erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Streitsache gerade nicht gehindert, sondern gewährleistet. Der behauptete Mangel des Berufungsverfahrens liegt daher nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

3.1. Der Kläger wendet sich gegen die Ansicht des Berufungsgerichts, die Entscheidung des Erstgerichts sei ergänzungsbedürftig, weil näherer Feststellungen darüber fehlten, ob der Kläger in seiner Funktion als „Vizepräsident Rennsport" des ASC Armada daran beteiligt gewesen sei, Schüler vom Training beim beklagten Verein wegzulocken und Interessenten von der Homepage des Beklagten auf jene des ASC Armada „umzuleiten". Der Kläger meint, der Beklagte habe in seiner Berufung zu diesem Punkt nur eine Feststellung dahin begehrt, dass der Kläger die Abwerbung potentieller Mitglieder durch irreführende Schreiben im Zuge der Schulaktion des Beklagten und eine Manipulation der Internet-Suchfunktion zumindest gebilligt und dadurch eine wirtschaftliche Schädigung des Beklagten zumindest in Kauf genommen habe. Selbst wenn sich Derartiges feststellen ließe, würde ein solches Verhalten nach Ansicht des Klägers keinen Ausschlussgrund darstellen, sodass sich Ergänzung der Tatsachengrundlage erübrige.

3.2. Gründe für den Ausschluss eines Mitglieds des beklagten Vereins sind nach 6.6 der Vereinsstatuten (ua) „Verstöße gegen die Interessen des Vereins, welche diesen wirtschaftlich oder dessen Ansehen in der Öffentlichkeit schädigen". Dass das Abwerben von Vereinsmitgliedern oder das Umleiten von Interessenten zu einem anderen Verein den Beklagten wirtschaftlich (erheblich) schädigen können, liegt auf der Hand. Wenn der Kläger ein derartiges Vorgehen durch Mitglieder des ASC Armada gebilligt und in dieser Situation seine Leitungsfunktion bei diesem Verein gerade nicht wahrgenommen haben sollte, dann kann dies insbesondere im Zusammenhang mit allfälligen weiteren Verfehlungen des Klägers nicht vorweg als ein jedenfalls ausschlussirrrelevantes Verhalten qualifiziert werden. Wenn daher das Berufungsgericht in diesem Punkt eine Ergänzung der Tatsachengrundlage für erforderlich erachtete, dann beruht dies jedenfalls auf einer im Ergebnis zu billigenden Rechtsansicht, sodass der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, einem vom Gericht zweiter Instanz erkannten Bedarf nach Ergänzung des Sachverhalts nicht entgegentreten kann (RIS-Justiz RS0042179; RS0043414).

4.1. Der Kläger widerspricht letztlich noch der Meinung des Berufungsgerichts, wonach, sollte sich das Eigentum des Beklagten an den Kantinengegenständen (Bierkühler und Espressomaschine) herausstellen, der Versuch des Klägers, diese Gegenstände an sich zu nehmen, einen Ausschlussgrund darstellten. Diese sei deshalb unzutreffend, weil ein derartiges Verhalten des Klägers die schwerste Sanktion des Vereinsausschlusses nicht rechtfertige. Es sei dem Kläger vom damaligen Vereinskassier bestätigt worden, dass die Geräte Eigentum des Klägers seien, zu welcher Beurteilung auch das Erstgericht gelangt sei. Der Kläger sei kein Jurist und habe - wie das Erstgericht - davon ausgehen können, dass er Eigentümer der Geräte sei und diese zurückverlangen können.

4.2. Die Ausführungen des Klägers zur Frage des Eigentums an Bierkühler und Espressomaschine sind durch die Feststellungen des Erstgerichts nicht gedeckt und die - erschließbare - Behauptung, der Kläger sei allenfalls einem ihn entschuldigenden Rechtsirrtum über die Eigentumsverhältnis an den genannten Fahrnissen unterlegen, stellt eine unzulässige Neuerung dar.

Der Kläger macht damit insgesamt kein erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO geltend, was zur Zurückweisung seines Rekurses führen muss.

B. Zum Rekurs des Beklagten:

1.1. Der Beklagte vertritt zu der vom Berufungsgericht als erheblich erkannten Rechtsfrage den Standpunkt, es liege - entgegen der Auffassung des Gerichts zweiter Instanz - bereits eine tragfähige höchstgerichtliche Rechtsprechung vor, wonach das Berufungsgericht verpflichtet gewesen sei, sich mit dem zusätzlich angezogenen Ausschließungsgrund der diffamierenden Äußerungen des Klägers über den Vereinsvorstand des Beklagten inhaltlich zu befassen. So habe der Oberste Gerichtshof etwa in 3 Ob 239/02x die Argumentation des Berufungsgerichts, welches dort die Zulässigkeit des „Nachschiebens" von Ausschließungsgründen verneint habe, als - von höchstgerichtlicher Rechtsprechung abweichend - abgelehnt. Dies sei dort konkret für den Fall ausgesprochen worden, dass die Satzung für das interne Ausschließungsverfahren eine Anhörung des Auszuschließenden und eine Bekanntgabe der Ausschlussgründe - wie im vorliegenden Fall - nicht vorsehe.

1.2. Entgegen dem das Revisionsgericht nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts über die Zulässigkeit (§ 508a Abs 1 ZPO) stellt sich im gegebenen Zusammenhang die als erheblich erkannte Rechtsfrage nicht:

1.2.1. Der Beklagte macht hier als „nachgeschobenen" Ausschlussgrund (sinngemäß) „ehrenrührige und unsachliche Angriffe" des Klägers gegen den Vereinsvorstand geltend. Für einen solchen Ausschussgrund fehlt es aber bereits an einem ausreichenden erstinstanzlichen Prozessvorbringens des Beklagten. Dieser hat in der Klagebeantwortung (ON 4) zwar von einer Aussendung des Klägers vom 27. 1. 2003 berichtet, in der von einem einem „Schlag gegen die Nachwuchsarbeit", einem „Ergebnis zu Ungunsten des Rennsports" und einem „Verbot der Eigenständigkeit" die Rede gewesen sein soll. Auf welches Ereignis, auf welches Verhalten oder allenfalls auf bzw gegen welche Person(en) sich diese Äußerungen beziehen sollen, wird aus dem Zusammenhang nicht klar.

1.2.2. In seiner Berufung stützt sich der Beklagten zu diesem vermeintlichen Ausschlussgrund auf die letzte (!) Seite der Klagebeantwortung, wo nur ein einziger (!) Absatz einschlägig sein kann, der wie folgt lautet:

„Der Kläger hat auch durch den Versuch, die von ihm vormals gespendeten Inventargegenstände aus dem Vereinsvermögen zu entziehen und letztlich durch die systematische Vorbereitung der Gründung des ASC Armada, dessen Wirken erkennbar gegen die beklagte Partei gerichtet ist, sowie durch die ehrenrührigen und unsachlichen Angriffe auf den Vereinsvorstand sowohl innerhalb, wie auch außerhalb der beklagten Partei, einen klaren Ausschlussgrund nach dieser Sitzung gesetzt."

Mit diesem Vorbringen werden also „ehrenrührigen und unsachlichen Angriffe auf den Vereinsvorstand" zwar benannt und angesprochen, welche Äußerungen, wann, in welchem Zusammenhang und mit welchem konkreten Inhalt damit gemeint sein sollten und gegen wenn sie sich gerichtet haben (könnten), wird allerdings nicht ausgeführt, sodass diese Behauptungen einer inhaltlichen Überprüfung gar nicht zugänglich war.

1.2.3. Der Beklagte machte in seiner Berufung gegen das Urteil des Erstgerichts noch geltend (S. 13 in ON 19), den fraglichen Ausschlussgrund im Schriftsatz ON 14 „releviert" zu haben. Besagter Schriftsatz ist allerdings ein Beweisantrag samt Urkundenvorlage, in dem lediglich vorgelegte Urkunden bezeichnet, teilweise inhaltlich erläutert werden, aber kein Prozessvorbringen, namentlich zu angeblichen Ausfällen des Klägers gegen den Vorstand des Beklagten erstattet wird. Die Vorlage von Urkunden kann aber ein Prozessvorbringen nicht ersetzen (RIS-Justiz RS0017844).

1.2.4. Insgesamt zeigt sich, dass der Beklagte vermeintlich ehrenrührige und unsachliche Angriffe des Klägers gegen den Vereinsvorstand erstmals in seiner Berufung (S. 13 f in ON 19) inhaltlich konkret geltend macht, in dem er beschreibt, welche genauen Äußerungen, in welchen Aussendungen damit gemeint sein sollen. Diese Ausführungen erweisen sich aber im Berufungsverfahren als unzulässige Neuerungen und sind schon aus diesem Grund unbeachtlich. Die vom Berufungsgericht als wesentlich erkannte Rechtsfrage, ob im gerichtlichen Verfahren Ausschlussgründe auch dann „nachgeschoben" werden dürfen, wenn die Vereinsstatuten keine Anhörung des auszuschließenden Mitglieds vorsehen, stellt sich damit nicht.

2.1. Der Beklagte meint in seinem Rekurs weiters, dem Berufungsgericht sei eine Aktenwidrigkeit unterlaufen; dieses sei nämlich fälschlich davon ausgegangen, dass die Annahme des Erstgerichts, der Kläger habe auf den „Transfer" der „Aktiven-Gelder" keinen Einfluss genommen, unbestritten geblieben sei. Tatsächlich habe aber der Beklagte in seiner Berufung aber diese Feststellung auf breitem Raum bekämpft, worauf das Berufungsgericht nicht eingegangen sei.

2.2. Das Berufungsgericht hat zur Tatfrage des „Transfers" der „Aktiven-Gelder" zwar keine Feststellungen auf aktenwidriger Grundlage getroffen, doch macht der Beklagte mit seinen Ausführungen inhaltlich einen Verfahrensmangel geltend (vgl 3 Ob 280/06g), der auch tatsächlich vorliegt:

Das Erstgericht hat - gemeint wohl als Sachverhaltsfeststellung - ausgeführt, dasss „der Kläger auf die von P***** und Dipl.-Ing. H***** durchgeführten Überweisungen auf diverse Konten weder Einfluss geübt noch im Hintergrund als Mentor agiert (hat)" (Ersturteil S. 20). (Ua) gegen diese erstgerichtliche Annahme wandte sich der Beklagte in seiner Berufung ausdrücklich (S. 7 drittletzter Absatz in ON 19) und begehrte detaillierte gegenteilige Feststellungen (S. 10 in ON 19). Es kann somit keine Rede davon sein, dass - wie das Berufungsgericht meinte - die erstgerichtliche Feststellung zur Frage des Einflusses des Klägers auf den „Transfer" der „Aktiven-Gelder" unbekämpft geblieben sei. Die irrige gegenteilige Annahme des Berufungsgerichts führte zu einem Mangel des Berufungsverfahrens, aufgrund dessen ein wesentlicher Teil der Tatsachen- und Beweisrüge (Punkt 1.2.) der Berufung des Beklagten unerledigt geblieben ist. Die Behandlung auch dieses Teils der Berufung des Beklagten kann sich erheblich auf den Fortgang des Verfahrens und die Entscheidung in der Sache auswirken, weshalb sie vom Berufungsgericht nachzuholen ist.

C. Ergebnis:

Der Rekurs des Klägers ist unzulässig, weil er in seinem Rechtsmittel auf die vom Berufungsgericht als Zulassungsgrund erkannte Rechtsfrage nicht eingeht, dieser überdies keine entscheidungswesentliche Bedeutung zukommt und im Übrigen nur Tatfragen aufgegriffen werden, deren Behandlung durch das Berufungsgericht auf - im Ergebnis - unbedenklicher rechtlicher Grundlage beruht.

Der Rekurs des Beklagten ist in seinem Aufhebungsantrag berechtigt. Die vom Berufungsgericht als erheblich erkannte Rechtsfrage stellt sich zwar nicht, weil für den insoweit fraglichen Auschlussgrund ein ausreichendes erstinstanzliches Prozessvorbringen des Beklagten fehlte. Das Berufungsverfahren ist aber deshalb mangelhaft geblieben, weil ein erheblicher Teil der in der Berufung des Beklagten enthaltenen Tatsachen- und Beweisrüge - zu Unrecht - unbehandelt geblieben ist. Dies erfordert eine neuerliche Entscheidung des Berufungsgerichts.

D. Kostenentscheidung:

Der Beklagte hat die Kosten seiner Rekursbeantwortung selbst zu tragen, weil er auf die Unzulässigkeit des Rekurses des Klägers nicht hingewiesen hat (§§ 50, 40 ZPO). Der Kostenvorbehalt hinsichtlich des Verfahrens über den Rekurs des Beklagten beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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