JudikaturOGH

10ObS68/07h – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. Juni 2007

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Hon. Prof. Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Lukas Stärker (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Rudolf Grammer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Franz B*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Langeder, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, Friedrich Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien, wegen Invaliditätspension, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 18. Dezember 2006, GZ 8 Rs 154/06k-16, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs der klagenden Partei wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Mit Urteil vom 12. 1. 2005 hat das Arbeits- und Sozialgericht Wien das Klagebegehren des am 12. 4. 1947 geborenen Klägers auf Zuerkennung der Invaliditätspension ab 1. 4. 2004 abgewiesen. Das Berufungsgericht hat der Berufung des Klägers mit Urteil vom 28. 9. 2005 nicht Folge gegeben. Der Oberste Gerichtshof hat die außerordentliche Revision mit Beschluss vom 22. 12. 2005 zurückgewiesen. Dieser Beschluss wurde dem damaligen Vertreter des Klägers am 20. 2. 2006 zugestellt.

Am 19. 4. 2006 stellte der Kläger neuerlich einen Antrag auf Invalditätspension, der von der beklagten Pensionsversicherungsanstalt mit Bescheid vom 4. 5. 2006 mangels Bescheinigung einer wesentlichen Änderung des Gesundheitszustandes zurückgewiesen wurde.

Das Erstgericht wies die dagegen erhobene Klage (nach Einholung eines Aktengutachtens zur Frage der Bescheinigung einer Verschlechterung) zurück; das Rekursgericht bestätigte und ließ den Revisionsrekurs mangels Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung nicht zu. In seinem außerordentlichen Revisionsrekurs macht der Kläger geltend, bei verfassungskonformer Interpretation sei § 362 ASVG „aus Gründen der Billigkeit und Sachlichkeit, insbesondere unter Heranziehung des Gleichheitsgrundsatzes" so zu verstehen, dass als maßgeblicher Zeitpunkt für den Beginn der Sperrfrist das Urteil erster Instanz, sofern es in Rechtskraft erwachse, gelten müsse. Andernfalls wäre eine Partei, die von der ihr gesetzlich eingeräumten Möglichkeit eines Rechtsmittels Gebrauch mache, in unsachlicher Weise schlechter gestellt als eine Partei, die das Urteil in Rechtskraft erwachsen lasse. Würde keine verfassungskonforme Interpretation vorgenommen, wäre § 362 ASVG als verfassungswidrig anzusehen.

Wie der Kläger selbst einräumt, stellt der Wortlaut des § 362 ASVG hinsichtlich der so genannten „Sperrfrist" eindeutig auf den „Ablauf eines Jahres nach Rechtskraft der Entscheidung" ab. Auch wenn durchaus zuzugestehen ist, dass im Hinblick auf das auch im sozialgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot rechtspolitische Argumente für die Maßgeblichkeit des Schlusses der Verhandlung in erster Instanz ins Treffen geführt werden können, liegt ein Abstellen auf die „Rechtskraft der Entscheidung" im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers:

Dem Versicherten bleibt die Wahl, ob er ein klagsabweisendes Ersturteil unangefochten lässt oder er den Instanzenweg beschreitet. Die Auswirkungen seiner Wahl auf die Auslösung der Sperrfrist sind ihm von vornherein erkennbar. Die Erhebung eines Rechtsmittels hat für den Versicherten durchaus nicht nur Nachteile, wie die Revision vorzugeben scheint. Dem Versicherten bleibt beispielsweise der durch die seinerzeitige Antragstellung ausgelöste Stichtag erhalten und es steht ihm bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Rechtskraft der Entscheidung über den Pensionsantrag der Pensionsvorschuss nach § 23 AlVG zu (VwGH 95/21/0574 ua). Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass nach dem Inhalt des Voraktes (ON 16) der Kläger offensichtlich auch aus dem letztgenannten Grund ein Rechtsmittel gegen das seinerzeitige erstinstanzliche Urteil erhoben hat.

Da gegen die im gegenständlichen Fall maßgebende gesetzliche Bestimmung keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen, war die außerordentliche Revision des Klägers mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

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