17Ob10/07f – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Präsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P***** GmbH, *****, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei T***** registrierte Genossenschaft mbH, *****, vertreten durch Schwarz Schönherr Rechtsanwälte OEG in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 32.000 EUR), infolge Revisionsrekurses der Klägerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 21. März 2007, GZ 3 R 25/07d-15, mit welchem der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 29. Dezember 2006, GZ 41 Cg 94/06s-3, teilweise abgeändert wurde, den Beschluss
gefasst:
Spruch
I. Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden gemäß Art 234 EG folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Ist eine Gemeinschaftsmarke gemeinschaftsweit als „bekannte Marke" im Sinn von Art 9 Abs 1 lit c der Verordnung 94/40/EG des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (GMV) geschützt, wenn sie nur in einem Mitgliedstaat „bekannt" ist?
2. Bei Verneinung von Frage 1: Ist eine nur in einem Mitgliedstaat „bekannte" Marke in diesem Mitgliedstaat nach Art 9 Abs 1 lit c GMV geschützt, sodass ein auf diesen Mitgliedstaat beschränktes Verbot erlassen werden kann?
II. Das Verfahren wird bis zum Einlangen der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften gemäß § 90a Abs 1 GOG ausgesetzt.
Text
Begründung:
I. Sachverhalt
Die Klägerin ist seit 2001 Inhaberin der Gemeinschaftsmarke (Bildmarke) Nr. 000915488 unter anderem für Fruchtgetränke und Fruchtsäfte. Wesentlicher Bestandteil der Marke ist die Darstellung einer grünen Glasflasche mit charakteristischem Etikett und Deckel. Solche Flaschen verwendet die Klägerin seit Jahren für den Vertrieb ihres Fruchtsafts „Pago". Insofern ist die Marke in Österreich in hohem Maße bekannt. Neben der Flasche ist in der Marke ein mit Fruchtsaft gefülltes Glas abgebildet.
Die Beklagte vertreibt in Österreich ebenfalls seit Jahren ein Fruchtmolkegetränk unter der Bezeichnung "Lattella". Dieses Getränk wurde zunächst in Pappbehältern (Tetrapacks) verkauft. Seit einiger Zeit füllt sie das Getränk aber auch in Glasflaschen ab. Strittig sind zwei Flaschengestaltungen, von denen die Beklagte derzeit nur eine verwendet. Beide gleichen in mehrfacher Hinsicht (Form, Farbe, Etikett, Deckel) jener, die in der Gemeinschaftsmarke der Klägerin abgebildet ist und von ihr verwendet wird. Verwechslungsgefahr besteht allerdings nicht, weil die von den Parteien verwendeten Flaschenetiketten mit den in Österreich jeweils sehr bekannten Bezeichnungen „Pago" und „Latella" versehen sind. Diese prägenden Wortbestandteile schließen auch bei der gebotenen Gesamtbetrachtung die Gefahr von Verwechslungen aus.
In der Werbung für ihr Getränk verwendet die Beklagte eine Abbildung, die - wie die Gemeinschaftsmarke der Klägerin - eine Flasche neben einem gefüllten Glas zeigt.
II. Anträge und Vorbringen der Parteien
Die Klägerin beantragt, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten,
(a) ihr Getränk in den strittigen Flaschen zu bewerben, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder auf sonstige Weise zu benutzen, sowie
b) dafür mit einer Abbildung der Flaschen zusammen mit einem gefüllten Fruchtsaftglas zu werben.
Die Beklagte nutze Unterscheidungskraft und Wertschätzung der in Österreich bekannten Gemeinschaftsmarke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise aus. Auf der GMV beruhende Markenrechte seien nach § 2 Abs 3 des österreichischen Markenschutzgesetzes (MSchG) inländischen Markenrechten gleichzuhalten, sofern aus gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen über das Markenwesen nichts Gegenteiliges hervorgehe. Daher bestehe wie bei einer nationalen Marke der besondere Schutz der bekannten Marke schon dann, wenn die Marke (nur) im Inland bekannt sei. Zum selben Ergebnis führe auch eine unmittelbare Anwendung der GMV, da Österreich ein „wesentlicher Teil" der Gemeinschaft im Sinn der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache C-375/97 (General Motors Corporation / Yplon SA) sei. Zudem könne ein Unterlassungsgebot nach Art 9 Abs 1 lit c GMV auch beschränkt auf einen Mitgliedstaat ausgesprochen werden. Zumindest in diesem Fall sei „Bekanntheit" nur in diesem Mitgliedstaat erforderlich.
Die Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsantrags. Verwechslungsgefahr im Sinn von Art 9 Abs 1 lit b GMV liege nicht vor. Der weitergehende Schutz als „bekannte Marke" nach Art 9 Abs 1 lit c GMV scheitere daran, dass die Gemeinschaftsmarke der Klägerin nur in Österreich bekannt sei. Zwar sei ein auf Österreich beschränktes Unterlassungsgebot grundsätzlich möglich. Auch in diesem Fall müsse die Marke aber in einem „wesentlichen Teil" der Gemeinschaft bekannt sein.
III. Bisheriges Verfahren
Das Erstgericht nahm Verwechslungsgefahr an und erließ auf dieser Grundlage eine einstweilige Verfügung. Das Gericht zweiter Instanz wies den Sicherungsantrag ab.
Rechtliche Beurteilung
IV. Gemeinschaftsrecht
Art 9 Abs 1 GMV lautet auszugsweise wie folgt: „Die Gemeinschaftsmarke gewährt ihrem Inhaber ein ausschließliches Recht. Dieses Recht gestattet es dem Inhaber, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr