JudikaturOGH

12Os4/07s – OGH Entscheidung

Entscheidung
12. April 2007

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. April 2007 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab, Dr. Lässig und Dr. T. Solé als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Kurz als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Leonard B***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Leonard B*****, Smail H***** und Ljendita H***** gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Steyr vom 7. November 2006, GZ 11 Hv 28/06g-172, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Sämtlichen Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurden Leonard B*****, Smail H***** und Ljendita H***** jeweils des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB, Letztgenannte als Beteiligte nach § 12 dritter Fall StGB, schuldig erkannt.

Danach haben in Steyr

1. Leonard B***** und Smail H***** (am 23. Dezember 2005) dadurch, dass sie mit Wollhauben maskiert die dortige B***** Bankfiliale aufsuchten, eine Pfefferspraydose und eine Gaspistole gegen Schalterbeamte richteten und diese aufforderten, Geld herauszugeben, mithin durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89), Gewahrsamsträgern der Bank 38.410 Euro Bargeld mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen, wobei sie den Raub unter Verwendung von Waffen verübten, sowie

2. Ljendita H***** am 19. Dezember 2005 dadurch, dass sie für Smail H***** und Leonard B***** eine Gaspistole und eine Pfefferspraydose kaufte und ihnen diese zur Begehung des Raubes übergab, zur Ausführung der unter Punkt 1 umschriebenen Raubtat beigetragen. Die Geschworenen haben die für die Angeklagten jeweils gesondert anklagekonform gestellten Hauptfragen nach dem Verbrechen des schweren Raubes, im Falle der Ljendita H***** nach Beteiligung daran iSd § 12 dritter Fall StGB, bejaht. Weitere Fragen wurden nicht gestellt.

Gegen diese Schuldsprüche richten sich die von Leonard B***** aus Z 5 und 10a des § 345 Abs 1 StPO, von Smail und Ljendita H***** auf Z 8 und 10a gestützten Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten; sie verfehlen ihr Ziel.

Rechtliche Beurteilung

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Leonard B*****:

Der Verfahrensrüge (Z 5) zuwider ist die vom Angeklagten eingangs der Hauptverhandlung am 23. Oktober 2006 beantragte fotogrammetrische Auswertung des Tatortvideos zum Beweis dafür, dass Größe und körperliche Konstitution der beiden Täter von jener des Angeklagten abweichen und die vom Täter verwendete Handfeuerwaffe nicht jener Waffe entspreche, die von der Angeklagten Ljendita H***** erworben worden sei (S 289/IV), mit Recht unterblieben. Denn angesichts der Mitteilung des damit befassten Sachverständigen Dipl. Ing. Jörg Landertshammer vom 31. Oktober 2006 (ON 169), dass eine solche Auswertung mit starken Toleranzen behaftet wäre (vgl auch S 307/IV), und des Ergebnisses des waffentechnischen Sachverständigengutachtens Herbert Weyers, wonach es sich bei der beim Raubüberfall verwendeten Gaspistole um dasselbe Modell handle wie jenes, das die Angeklagte Ljendita H***** nur wenige Tage vor der Tat in einem Waffengeschäft gekauft hätte (ON 155, 175, S 420 ff [422]/IV; vgl auch S 167 ff [175], 378/IV), hätte es eines ergänzenden Vorbringens bedurft, weshalb dennoch ein für den Angeklagten günstiges Ergebnis zu erzielen gewesen wäre (der Beweisantrag wurde in der fortgesetzten Hauptverhandlung am 7. November 2006 nicht „wiederholt"; S 429/IV). Die Tatsachenrüge (Z 10a) vermag mit der aktenmäßig nicht belegten Annahme, das Tatortvideo zeige vom Beschwerdeführer verschiedene Personen, mit Hinweisen auf die unterbliebene (hundertprozentige) Identifizierung seiner Person als Täter durch einvernommene Zeugen und den Umstand, dass ein in Tatortnähe aufgefundener Handschuh ihm nach dem Ergebnis einer DNA-Analyse nicht zugeordnet werden konnte, dem aktenfremden Einwand, der Sachverständige habe die Waffe seiner Schwester der Tat nicht zuordnen können (vgl jedoch S 419, 422/IV) und der bloßen Behauptung, der Mitangeklagte Smail H***** hätte den Raub schon in zeitlicher Hinsicht nicht begehen können, keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des von den Geschworenen konstatierten Tatsachensubstrats zu erwecken.

Dieses konnte sich nämlich unter anderem auf Zeugenaussagen stützen, wonach der Angeklagte im Zuge einer Sofortfahndung nach dem Überfall im unmittelbaren Tatortbereich perlustriert wurde (S 351 ff/IV; vgl auch S 879/III), sein Auto kurz vor der Tat im Nahbereich geparkt (S 341 ff/IV) und ferner versucht hat, das aus einem Versteck hervorgeholte, von dem Bankraub herrührende Geld von Farbspuren eines Alarmpaketes zu reinigen (S 395 ff/IV). Dass den Geschworenen die vom Angeklagten dazu gegebene Erklärung, er habe 6.000 Euro von zwei rumänischen Staatsangehörigen zwei Tage nach dem Überfall anstelle vereinbarter 20 Euro als Fuhrlohn erhalten (S 295 ff/IV), nicht plausibel erschien, ist als intersubjektiver Vorgang auf Grund des vom Angeklagten in der Hauptverhandlung gewonnenen Eindrucks einer Anfechtung aus Z 10a entzogen.

Der Einwand, der Zeuge Gerhard P***** habe im Gesicht des Kleineren der beiden Täter (der Angeklagte B***** ist um ca 10 cm kleiner als H*****, S 17/III) keine Narbe feststellen können, vernachlässigt dessen Erklärung, dass dieser Täter einen „Dreitagesbart" gehabt habe (S 347/IV).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Smail H*****:

Die Behauptung (Z 8), die Rechtsbelehrung beinhalte keinen Hinweis auf die Bestimmung des § 13 StGB über die selbständige Strafbarkeit der Beteiligten, ist unrichtig (vgl deren S 8). Die Instruktionsrüge lässt daher insoweit eine deutliche und bestimmte Bezeichnung angeblich Nichtigkeit bewirkender Umstände ebenso vermissen wie mit dem Einwand, die schriftliche Instruktion enthalte keine Belehrung über die Grundlagen der Strafzumessung iSd §§ 32 f StGB. Den einleitenden Ausführungen in der Tatsachenrüge (Z 10a), wonach die Niederschrift der Geschworenen bei schmaler Erkenntnisgrundlage alle wesentlichen Teile des Beweisverfahrens berücksichtigen müsse, ist zu erwidern, dass eine Tatsachenrüge prozessordnungsgemäß auf den Inhalt der Niederschrift der Geschworenen nicht gegründet werden kann (vgl Ratz in WK-StPO § 345 Rz 16).

Mit dem Einwand, Spuren in Tatortnähe hätten ihm nicht zugeordnet werden können, dem Hinweis auf die Verantwortung des Mitangeklagten B*****, er (H*****) sei nicht davon in Kenntnis gewesen, dass eine von ihm nach Bosnien verbrachte Kosmetikflasche vom Überfall stammende, verfärbte Geldscheine enthalten habe (S 306/IV), und der Behauptung, laut Verantwortung der Ljendita H***** habe er mit ihr gemeinsam keine der beim Überfall verwendeten Waffen erworben, vermag der Beschwerdeführer ebenso wenig auf aktenkundige Beweisergebnisse hinzuweisen, die erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch festgestellten entscheidenden Tatsachen aufkommen ließen, wie mit weitwendigen spekulativen Überlegungen, er habe sich vom Tatort lediglich mit normaler Gehgeschwindigkeit entfernen können, sodass es ihm unter Zugrundelegung einer - überdies zu gering bemessenen - Wegstrecke von 1.300 m und einer Tatbegehung um 8.27 Uhr (S 781 ff/III) nicht möglich gewesen wäre, sich, wie von Zeugen geschildert, bereits gegen 8.40 Uhr an seinem Arbeitsplatz aufzuhalten (S 371/IV).

Die Geschworenen konnten die Annahme zur zeitlichen Abfolge empirisch jedoch einwandfrei auf ein Zeit-Weg-Diagramm (S 521/III) stützen, das - der Rüge zuwider - ohnedies großzügig die gesamte Länge des Fluchtweges berücksichtigt, und unter anderem Aussagen von Zeugen in ihre Überlegungen miteinbeziehen, wonach der Angeklagte zur fraglichen Zeit nach dem Überfall verschwitzt, nervös (S 365 ff/IV) und mit am frühen Morgen nicht getragenen Schuhen (S 371, 374 f/IV) von draußen kommend durch einen Seiteneingang seinen Arbeitsplatz aufgesucht hat (S 365/IV). Überdies handelt es sich bei der Prämisse einer Gehgeschwindigkeit von 4 bis 5 km/h um eine nicht auf Aktenbasis beruhende Spekulation.

Schließlich konnten die Laienrichter in ihre Überlegungen miteinbeziehen, dass die Größenverhältnisse der Angeklagten jenen der Täter entsprechen (S 423, 341/IV), die Stimme des Beschwerdeführers jener eines Täters zugeordnet werden konnte (S 336/IV), ein Zeuge dem Beschwerdeführer für die Tatzeit ein falsches Alibi verschaffen sollte (S 387 f/IV) und der Vater dieses Angeklagten einen Teil der Beute bei einer Bank in Bosnien eingetauscht hat (S 83, 115, 400 ff/IV).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Ljendita H*****:

Soweit auch diese Angeklagte eine Belehrung der Geschworenen über die Vorschrift des § 13 StGB vermisst (Z 8), ist auf die Ausführungen zur Instruktionsrüge des Smail H***** zu verweisen.

Mit dem Hinweis, die beiden Mitangeklagten hätten an Hand des Tatortvideos nicht identifiziert werden können, der aktenfernen Behauptung, der Sachverständige für das Schießwesen habe die beim Überfall verwendete Waffe nicht als jenes Modell eingestuft, welches sie nur einige Tage vor dem Raub erworben hatte, und dem Einwand, dass das aktenkundige Zeit-Weg-Diagramm die für eine Beseitigung der Tatspuren erforderliche Zeit nicht berücksichtige, gelingt es der Tatsachenrüge (Z 10a) ebenso wenig wie jener des Mitangeklagten Smail H***** erhebliche Bedenken gegen die im Wahrspruch festgestellten entscheidenden Tatsachen aufzuzeigen.

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der hiezu erstatteten Äußerung des Verteidigers des Zweitangeklagten bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO), woraus die Zuständigkeit des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Erledigung der Berufungen folgt (§§ 285i, 344 StPO). Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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