JudikaturOGH

13Os24/07i – OGH Entscheidung

Entscheidung
11. April 2007

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. April 2007 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Philipp als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Ratz und Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Mag. Hetlinger und den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Mag. Lendl, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Kurz als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Josef H***** wegen Verbrechen der teils vollendeten, teils versuchten geschlechtlichen Nötigung nach §§ 202 Abs 1, 15 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 10. November 2006, GZ 24 Hv 191/06m-24, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten wegen des Ausspruchs über die Schuld werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die gegen den Strafausspruch gerichteten Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Josef H***** wurde (gemeint:) zweier Vergehen der sexuellen Belästigung nach §§ 218 Abs 1 Z 1 StGB (I/1), des Vergehens der versuchten sexuellen Belästigung nach §§ 15, 218 Abs 1 Z 1 StGB (I/2), des Verbrechens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB (II/1) und des Verbrechens der versuchten geschlechtlichen Nötigung nach §§ 15, 202 Abs 1 StGB (II/2) schuldig erkannt. Danach hat er am 6. April 2006 in B***** die Katrin B*****

I. durch eine geschlechtliche Handlung an ihr

1. belästigt, indem er mehrmals ihre Brüste über der Kleidung abgriff;

2. zu belästigen versucht, indem er ihr mit einer Hand unter die Hose griff und versuchte, bis zur Scheide zu gelangen;

II. außer den Fällen des § 201 StGB mit Gewalt zur Duldung einer geschlechtlichen Handlung

1. genötigt, indem er sie packte, festhielt und ihre Brüste unter der Kleidung abtastete;

2. zu nötigen versucht, indem er sie packte, gegen die Wand einer Toilette drückte, mit einer Hand festhielt und mit der anderen Hand unter der Hose bis zur Scheide zu gelangen versuchte, wobei er aber aufgrund der Gegenwehr lediglich bis zum Schamhaarbereich vordrang.

Rechtliche Beurteilung

Der - neben einer unzulässigen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld (§ 283 Abs 1 StPO) - aus Z 3, 4, 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.

Zu Recht weist der Beschwerdeführer auf das § 271 Abs 1 StPO zuwiderlaufende Fehlen der Unterschrift des Schriftführers auf dem Hauptverhandlungsprotokoll hin (Z 3). Der als Schriftführer herangezogene Rechtspraktikant hat noch vor Fertigstellung der Reinschrift des Protokolls seinen Dienst quittiert. Da das Rechtsmittel jedoch keinerlei Anhaltspunkte für eine aus der Formverletzung resultierende Benachteiligung des Angeklagten nennt, ist für den Obersten Gerichtshof unzweifelhaft erkennbar, dass diese auf die Entscheidung keinen derartigen Einfluss üben konnte (§ 281 Abs 3 erster Satz StPO; vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 263, 743). Der aus Z 4 relevierte Antrag auf Vernehmung des Sebastian K***** als Zeugen „zum Beweis dafür, dass in seinem Betrieb der Grundsatz herrscht, dass lästige Gäste hinausgeworfen werden können und daher kein Anlass für Katrin B***** bestand, vor ihrem Chef Angst zu haben" (S 205), wurde zu Recht wegen Unerheblichkeit abgewiesen. Er ließ nämlich offen, wie der unter Beweis gestellte Umstand die zur Feststellung entscheidender Tatsachen anzustellende Beweiswürdigung hätte maßgeblich beeinflussen sollen. Solcherart blieb der für den Erfolg des Beweisantrags erforderliche Konnex zur Schuldfrage im Dunkeln. Da allein der Antrag den Gegenstand der Entscheidung des Schöffengerichts bildet, überprüft auch der Oberste Gerichtshof dessen Berechtigung stets auf den Antragszeitpunkt bezogen. Nachträgliches Vorbringen hat demnach außer Betracht zu bleiben (WK-StPO § 281 Rz 325, 327).

Der Vorwurf schließlich, das erkennende Gericht habe die Unzulässigkeit vorgreifender Beweiswürdigung verkannt, trifft nicht zu. Es hat den Beweisantrag nämlich keineswegs wegen mangelnder Überzeugungskraft der zu erwartenden Angaben des beantragten Zeugen abgelehnt (zum Ganzen instruktiv: Lässig, Das Rechtsschutzsystem der StPO und dessen Effektuierung durch den OGH, ÖJZ 2006, 406; zuletzt:

13 Os 104/06b).

Der Mängelrüge zuwider wurden die Angaben der Zeugin Melina H***** eingehend erörtert (US 8, 11), sodass auch die gerügte Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) nicht vorliegt. Einen der Erörterung bedürftigen unterschiedlichen Bedeutungsinhalt der Angaben des Tatopfers und dieser Zeugin über ein zwischen diesen geführtes Telefonat zeigt die Beschwerde im Übrigen nicht auf. Auch unter dem Aspekt der Sache nach behaupteter erheblicher Bedenken gegen die dem Schuldspruch zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen schlägt das Beschwerdevorbringen mit dem Hinweis auf angebliche Widersprüche der beiden Zeugenaussagen nicht durch.

Indem die Subsumtionsrüge (Z 10) statt an den zur Gewaltanwendung (II) getroffenen Urteilsfeststellungen an einer einzelnen Textstelle des Protokolls über die polizeiliche Einvernahme der Zeugin Katrin B***** Maß nimmt, verfehlt sie den gesetzlichen Bezugspunkt und geht damit ins Leere.

Die Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde - und der gegen den Ausspruch über die Schuld ergriffenen Berufung des Angeklagten - bereits bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 285d Abs 1 StPO) hat die Zuständigkeit des Oberlandesgerichtes Innsbruck zur Entscheidung über die gegen den Strafausspruch gerichteten Berufungen zur Folge (§ 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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