JudikaturOGH

1Nc109/06d – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. Februar 2007

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der beim Bezirksgericht Graz-Ost zu 6 C 673/04b anhängigen Rechtssache der klagenden Partei Anton *****, vertreten durch Dr. Teja H. Kapsch, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagten Parteien 1. L***** GesmbH, *****, vertreten durch Brunner Kohlbacher Advokatur GmbH in Graz, und 2. Univ. Prof. Dr. Rudolf B*****, vertreten durch Dr. Ulrich Daghofer, Rechtsanwalt in Graz, wegen 236.402,78 EUR sA und Räumung, infolge Ablehnungs- und Delegierungsantrags der erstbeklagten Partei, GZ 6 C 673/04b-56, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

1. Der Ablehnungsantrag wird, soweit er alle Richter des Oberlandesgerichts Graz betrifft, zurückgewiesen.

2. Der Antrag, die Rechtssache „an ein sachlich zuständiges Gericht außerhalb des Sprengels des OLG Graz zu delegieren", wird abgewiesen.

Text

Begründung:

In der beim Bezirksgericht Graz eingebrachten Klage (AZ 6 C 673/04b) wird vorgebracht, der Kläger habe an die erstbeklagte Partei ein in Graz gelegenes Objekt vermietet; der Zweitbeklagte habe die persönliche Verpflichtung zur pünktlichen und gänzlichen Bezahlung des Bestandzinses übernommen. Die beklagten Parteien seien zur ungeteilten Hand schuldig, rückständige Bestandzinse zu zahlen. Darüber hinaus sei die erstbeklagte Partei schuldig, das Bestandobjekt geräumt zu übergeben, weil das Bestandverhältnis gemäß § 1118 ABGB aufgelöst worden sei.

Die erstbeklagte Partei wendete zunächst unter anderem ein, dass in einem von einem Dritten eingeleiteten Exekutionsverfahren ein ihre Mietrechte betreffendes „Verwertungsverbot" ausgesprochen und deren Zwangsverwaltung beschlossen worden sei. Der Kläger hätte daher den Zwangsverwalter auf Zahlung des Mietzinses in Anspruch nehmen müssen. Der Zweitbeklagte beantragte gleichfalls die Abweisung des Klagebegehrens.

Mit Schriftsatz vom 8. 2. 2006 hatte die erstbeklagte Partei bereits alle Richter aller Gerichtsebenen innerhalb des Sprengels des Oberlandesgerichts Graz abgelehnt und die Delegierung an ein außerhalb des Sprengels des Oberlandesgerichts Graz gelegenes Gericht beantragt. Diesen Delegierungsantrag wies der Oberste Gerichtshof mit Beschluss vom 18. 4. 2006, 1 Nc 41/06d, ab.

Mit Schriftsatz vom 9. 10. 2006 (Einlangen) lehnte die erstbeklagte Partei neuerlich den Verhandlungsrichter und einen weiteren namentlich genannten Richter des Erstgerichts sowie ferner „alle Richter des Sprengels des Bezirksgerichts Graz, des Sprengels des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz und des Sprengels des Oberlandesgerichts Graz" ab und beantragte die Delegierung der Rechtssache sowie des „hg Verfahrens 54 C 438/05y" an ein „sachlich zuständiges Gericht außerhalb des Sprengels des Oberlandesgerichts Graz". Sie verfolge in zwei Amtshaftungsprozessen einen Ersatzanspruch gegen den Bund, weil das Bezirksgericht Graz und der Zwangsverwalter im Verfahren 9 E 4762/02a des Bezirksgerichtes Graz „es unterlassen haben, die laufenden Mieten zu bezahlen". Diese - ursprünglich vor dem Landesgericht Leoben anhängig gewesenen - Amtshaftungsverfahren seien vom Oberlandesgericht Graz an das Landesgericht „für Zivilrechtssachen" Klagenfurt delegiert worden. Im Amtshaftungsverfahren vor dem Landesgericht Leoben sei Dr. Michael R***** (nunmehr Oberlandesgericht Graz) zuständig gewesen, dann Mag. Konstantin P*****. Nachdem sich vier weitere Richter des Landesgerichts Leoben für befangen erklärt hätten, habe das Oberlandesgericht Graz entschieden, dass das gesamte Landesgericht Leoben befangen sei. Auf Grund des Beispiels des Landesgerichts Leoben sei die Unbefangenheit des Bezirksgerichts für Zivilrechtssachen Graz undenkbar, weil der im Exekutionsverfahren zuständige Richter ebenso wie die Rechtspflegerin in einem Naheverhältnis zu sämtlichen Richtern des Bezirksgerichts für ZRS Graz stünden. Gleich verhalte es sich mit dem Landesgericht für ZRS Graz. Aus dem Gesamtzusammenhang lasse sich auch eine Unbefangenheit des Oberlandesgerichts Graz „nicht mehr denkmöglich" ableiten. Dr. Michael R***** habe als beim Landesgericht Leoben mit der Sache befasster Richter in derselben Sache an der Delegierungsentscheidung des Oberlandesgerichts Graz mitgewirkt, anstatt dass das Oberlandesgericht auf Grund der geänderten Situation neuerlich an den Obersten Gerichtshof herangetreten wäre. Während der Oberste Gerichtshof in seiner (im Rahmen dieser Amtshaftungsverfahren ergangenen) Entscheidung AZ 1 Nc 56/06k, 1 Nc 57/06g noch nicht davon ausgegangen sei, „dass das gesamte Landesgericht Leoben" befangen sei, ergebe sich dies aus dem Delegierungsbeschluss des Oberlandesgerichts Graz, sodass sich „die Sachlage seither verändert" habe.

Mit Verfügung vom 6. November 2006 legte das Bezirksgericht Graz dem Obersten Gerichtshof den Akt 6 C 673/04b zur Entscheidung über den Delegierungsantrag vor.

Rechtliche Beurteilung

Der die Richter des Oberlandesgerichts Graz betreffende Ablehnungsantrag und der neuerliche Delegierungsantrag sind unberechtigt.

1. Zum Ablehnungsantrag

Gemäß § 23 JN entscheidet über die Ablehnung von Richtern eines Gerichtshofs, der durch das Ausscheiden der abgelehnten Richter beschlussunfähig wäre, der übergeordnete Gerichtshof. Dies gilt insbesondere dann, wenn - wie hier - sämtliche Richter eines Gerichtshofs abgelehnt wurden (Ballon in Fasching2 I § 23 JN Rz 2). Soweit daher der Ablehnungsantrag (auch) alle Richter des Oberlandesgerichts Graz erfasst, ist der Oberste Gerichtshof zur Entscheidung berufen. Die Ablehnungswerberin behauptete indes gegen fast alle dieser Richter keinen bestimmten Ablehnungsgrund. Es handelt sich demnach insoweit um eine unbeachtliche Pauschalablehnung (RIS-Justiz RS0045983; RS0046005; Ballon aaO § 19 JN Rz 7). Den Richtern des Oberlandesgerichts Graz, die an der Delegierung des Amtshaftungsverfahrens mitgewirkt haben, wirft er vor, sie hätten infolge der Ausgeschlossenheit des Richters Dr. R***** „neuerlich an den OGH" herantreten müssen. Dies trifft aber nicht zu. Im Amtshaftungsverfahren selbst wäre der nunmehrige Richter des Oberlandesgerichts Graz Dr. Michael R***** von der Ausübung des Richteramts im Rechtsmittelverfahren gem § 20 Z 5 JN ausgeschlossen, sofern er die angefochtene Entscheidung als vormaliger Richter des Landesgerichts Leoben erlassen haben sollte. Von der Mitwirkung an der Entscheidung über die Delegierung im Rahmen des Amtshaftungsverfahrens war er aber jedenfalls nicht ausgeschlossen (siehe Mayr in Rechberger, ZPO3, § 20 JN Rz 6).

2. Zum Delegierungsantrag

Die behauptete „Änderung der Sachlage" seit Ergehen des Beschlusses des Obersten Gerichtshofs vom 11. Juli 2006, AZ 1 Nc 56/06k, 1 Nc 57/06g, bewirkt nicht, dass nunmehr der Tatbestand des § 9 Abs 4 AHG erfüllt und die Rechtssache vom Obersten Gerichtshof an ein Landesgericht außerhalb des Sprengels des Oberlandesgerichts Graz zu delegieren wäre. Eine solche Delegierung hätte zu erfolgen, würde ein Amtshaftungsanspruch aus einem Verhalten richterlicher Organe eines unmittelbar oder im Instanzenzug zuständigen Oberlandesgerichts abgeleitet werden. Wie bereits im Beschluss des OGH zu 1 Nc 41/06d ausgeführt, folgt schon aus dem Wortlaut des § 9 Abs 4 AHG unmissverständlich, dass diese Norm nur die Geltendmachung von Amtshaftungsansprüchen zum Gegenstand hat. Hier ist aber eine Entscheidung zu fällen, die das Verhältnis zwischen den Mietvertragsparteien bzw ein behauptetes schuldrechtliches Verhältnis zur zweitbeklagten Partei betrifft. Diese Entscheidung hängt ferner nicht vom Ausgang des Amtshaftungsverfahrens gegen den Bund auf Grund des von einem Dritten erwirkten exekutiven „Verwertungs- und Verfügungsverbots" der streitverfangenen Bestandrechte und deren Zwangsverwaltung ab.

Auch die Voraussetzungen für eine Delegierung aus Gründen der Zweckmäßigkeit nach § 31 JN liegen nicht vor. Eine solche Delegierung darf nur dann erfolgen, wenn die Durchführung des Verfahrens vor einem anderen Gericht die Erledigung der Rechtssache wesentlich erleichtert. Nach ständiger Rechtsprechung kann ein Delegierungsantrag aber nicht auf Ablehnungsgründe gestützt werden (RIS-Justiz RS0073042; RS0114309). Lediglich in dem - hier mangels rechtskräftig festgestellter Befangenheit nicht gegebenem - Fall, dass ein Gericht infolge Befangenheit von Richtern an der Ausübung der Gerichtsbarkeit gehindert wird, hätte eine Delegierung von Amts wegen gem § 30 JN zu erfolgen (RIS-Justiz RS0073042). Dies führt zur Zurückweisung des Ablehnungsantrags, soweit er alle Richter des Oberlandesgerichts Graz betrifft, sowie zur Abweisung des neuerlich gestellten Delegierungsantrags.

Rückverweise