JudikaturOGH

1Nc11/07v – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. Februar 2007

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der beim Bezirksgericht Graz-Ost zu 54 C 438/05y anhängigen Rechtssache der klagenden Partei Anton ***** L*****, vertreten durch Dr. Teja H. Kapsch, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei L***** Gesellschaft mbH, ***** hier vertreten durch Mag. Christian Pilz, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, infolge Ablehnungs- und Delegierungsantrags der beklagten Partei folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

1. Der Ablehnungsantrag wird, soweit er alle Richter des Oberlandesgerichts Graz betrifft, zurückgewiesen.

2. Der Antrag, die Rechtssache „an ein sachlich zuständiges Gericht außerhalb des Sprengels des Oberlandesgerichts Graz zu delegieren", wird abgewiesen.

3. Der Antrag der klagenden Partei, über die beklagte Partei eine Mutwillensstrafe zu verhängen, wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der Kläger kündigte den Mietvertrag mit der Beklagten über ein Bestandobjekt und begehrte die Räumung des an die Beklagte vermieteten Hauses. In erster Instanz wurde der Klage durch das Bezirksgericht Graz stattgegeben; die Beklagte hat dagegen Berufung an das Landesgericht für ZRS Graz erhoben.

Die Beklagte stellt (neuerlich) einen Ablehnungsantrag „gegen den Richter des Bezirksgerichts Graz Mag. Georg R***** sowie gegen alle Richter des Sprengels des Bezirksgerichts Graz, des Sprengels des Landesgerichts für ZRS Graz und des Sprengels des Oberlandesgerichts Graz". Weiters beantragt sie (neuerlich) die Delegierung der Rechtssache an ein sachlich zuständiges Gericht außerhalb des Sprengels des Oberlandesgerichts Graz. Der Oberste Gerichtshof habe zwar zu den bisherigen Ablehnungs- und Delegierungsanträgen eine ablehnende Haltung eingenommen, allerdings habe sich die Sachlage seither verändert. Dem gegenständlichen Verfahren liege ein gerichtliches Belastungs- und Verwertungsverbot sowie eine Zwangsverwaltung zu 9 E 4762/02a des BGZ Graz zugrunde, in der das Gericht und der Zwangsverwalter es unterlassen hätten, die laufenden Mieten zu bezahlen. Beim „LGZ" Leoben seien zwei diesbezügliche Amtshaftungsklagen der Beklagten gegen die Republik Österreich anhängig, welche nunmehr vom Oberlandesgericht Graz an das Landesgericht Klagenfurt delegiert worden und dort anhängig seien. In den Verfahren vor dem Landesgericht Leoben sei ursprünglich der Richter Dr. Michael R*****, nunmehr beim Oberlandesgericht Graz ernannt, zuständig gewesen, dann der Richter Mag. Konstantin P*****. Zu Letzterem sei festgestellt worden, dass er als Urlaubsvertreter mit dem Akt E 4762/02a des BGZ Graz befasst gewesen sei; auf Grund dessen hätten sich weitere vier Richter des Landesgerichts Leoben für befangen erklärt und habe das Oberlandesgericht Graz in der Folge entschieden, dass „damit das gesamte Landesgericht Leoben befangen" sei. „Auf Grund des Beispiels des LG Leoben" sei es undenkbar, dass „das BGZ Graz" nunmehr unbefangen sei, da der Richter Mag. Martin T***** und eine Rechtspflegerin in einem Naheverhältnis zu sämtlichen Richtern des BGZ Graz stünden und beide für die Folgen ihres Verhaltens einzustehen hätten. Gleich verhalte es sich „mit dem LGZ Graz". Das Oberlandesgericht Graz werde deshalb als befangen abgelehnt, da sich aus dem Gesamtzusammenhang eine Unbefangenheit „nicht mehr denkmöglich ableiten" lasse. Richter Dr. Michael R***** als beim LG Leoben mit der Sache befasster Richter habe in derselben Sache, obwohl dadurch zwingend ausgeschlossen, an der Delegierungsentscheidung des OLG Graz zu 3 Nc 4/06a ("nach Klagenfurt zu GZ 22 Cg 28/06v") mitgewirkt, anstatt dass das Oberlandesgericht auf Grund der geänderten Situation neuerlich an den Obersten Gerichtshof herangetreten wäre. Der Oberste Gerichtshof sei in seiner Entscheidung 1 Nc 56/06k und 1 Nc 57/06g, die Delegierung abzulehnen, nicht davon ausgegangen, dass das gesamte Landesgericht Leoben befangen sei. Mittlerweile habe das Landesgericht Klagenfurt das schuldhafte Verhalten des Bezirksgerichts Graz sowie des LGZ Graz mit Urteil zu AZ 22 Cg 28/06v festgestellt es sei des Weiteren in der Berufungsverhandlung vor dem Oberlandesgericht Graz ein Vergleich geschlossen worden, der „die Republik Österreich verpflichte", Schadenersatz von EUR 70.000 zuzüglich Zinsen zu zahlen. Damit seien Regressforderungen gegen Richter des Bezirksgerichts und des LGZ Graz „möglich bis sicher".

Der Richter Mag. Georg R***** äußerte sich zum neuerlichen Ablehnungs- und Delegierungsantrag der Beklagten dahin, dass im vorliegenden Verfahren nur zu klären (gewesen) sei, ob der von der Beklagten jedenfalls zu einem Teil zugestandene Mietzinsrückstand in rechtlicher Hinsicht die Aufkündigung des Bestandvertrags rechtfertige. Der Ausgang des nunmehr beim Landesgericht Klagenfurt anhängigen Amtshaftungsverfahrens sei in diesem Zusammenhang nicht von Relevanz. Auch seien keine Gründe, welche für die beantragte Delegation sprächen, ersichtlich.

Der Kläger beantragte, den Ablehnungs- und Delegierungsantrag zurückzuweisen und über die Beklagte eine Mutwillensstrafe zu verhängen. Die Mutwilligkeit des nunmehrigen Ablehnungsantrags komme eindeutig aus dem Umstand hervor, dass sich die Beklagte in dem von ihr angestrengten Verfahren gegen die Republik Österreich, welches an das Landesgericht Klagenfurt delegiert worden und dort zu 20 Cg 162/06k anhängig sei, ohne „Befangenheitseinrede" eingelassen habe.

Rechtliche Beurteilung

1. Zum Ablehnungsantrag:

Gemäß § 23 JN entscheidet über die Ablehnung von Richtern eines Gerichtshofs, der durch das Ausscheiden der abgelehnten Richter beschlussunfähig wäre, der übergeordnete Gerichtshof. Dies gilt insbesondere dann, wenn - wie hier - sämtliche Richter eines Gerichtshofs abgelehnt wurden (Ballon in Fasching² I § 23 JN Rz 2). Soweit daher der Ablehnungsantrag (auch) alle Richter des Oberlandesgerichts Graz erfasst, ist der Oberste Gerichtshof zur Entscheidung berufen.

Nun sind aber die Ablehnungsgründe im Antrag konkret und genau sowie in Bezug auf jeden einzelnen abgelehnten Richter gesondert anzuführen (Mayr in Rechberger³ § 22 JN Rz 1). Die Ablehnungswerberin behauptete indes gegen fast alle dieser Richter keinen bestimmten Ablehnungsgrund. Es handelt sich daher insoweit um eine unbeachtliche Pauschalablehnung (RIS-Justiz RS0045983 uva). Den Richtern des OLG Graz, die an der Delegierung des Amtshaftungsverfahrens mitgewirkt haben, wirft er vor, sie hätten infolge der Ausgeschlossenheit des Richters Dr. R***** „neuerlich an den OGH" herantreten müssen. Dies trifft aber nicht zu. Im Amtshaftungsverfahren selbst wäre der nunmehrige Richter des Oberlandesgerichts Graz Dr. Michael R***** von der Ausübung des Richteramts im Rechtsmittelverfahren gemäß § 20 Z 5 JN ausgeschlossen, sofern er die angefochtene Entscheidung als vormaliger Richter des LG Leoben erlassen haben sollte. Von der Mitwirkung an der Entscheidung über die Delegierung im Rahmen des Amtshaftungsverfahrens war er aber jedenfalls nicht ausgeschlossen (siehe Mayr in Rechberger, ZPO³, § 20 JN Rz 6).

2. Zum Delegierungsantrag:

Wie schon zu hg 1 Nc 42/06a und auch zu hg 1 Nc 109/06d ausgeführt, liegt hier kein Fall des § 9 Abs 4 AHG vor. Soweit die Beklagte ihren Delegierungsantrag auf die oben wiedergegebenen Ablehnungsgründe stützt, ist lediglich darauf zu verweisen, dass ein Delegierungsantrag nicht auf Ablehnungsgründe gestützt werden kann (Mayr, aaO, § 31 JN, Rz 4; 1 Nc 109/06d mwN).

Der Delegierungsantrag ist daher abzuweisen.

3. Bei einer vom Obersten Gerichtshof zu verhängenden Mutwillensstrafe handelt es sich um eine rein amtswegige Strafmaßnahme, bei der den Parteien kein Antragsrecht zukommt (9 ObA 322/00v; RZ 1990/46; JBl 1957, 566). Der Antrag ist daher zurückzuweisen. Für ein amtswegiges Vorgehen mangelt es an einer gesetzlichen Grundlage.

Rückverweise