JudikaturOGH

9ObA115/06m – OGH Entscheidung

Entscheidung
01. Februar 2007

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter KommR Mag. Paul Kunsky und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Maria M*****, diplomierte Krankenschwester, *****, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Land Burgenland, Europaplatz 1, 7000 Eisenstadt, vertreten durch Hajek Boss Wagner Rechtsanwälte OEG in Eisenstadt, wegen EUR 1.344 brutto sA und Feststellung (EUR 630; Gesamtstreitwert EUR 1.974), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 6. September 2006, GZ 8 Ra 98/06z-10, mit dem das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Arbeits- und Sozialgericht vom 1. Februar 2006, GZ 29 Cga 6/05v-6, bestätigt wurde, in in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Arbeitsrechtssache wird an das Erstgericht zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Klägerin ist Landesvertragsbedienstete der Beklagten. In dieser Eigenschaft ist sie seit Mitte 1981 als diplomierte Krankenschwester im Allgemeinen Öffentlichen Krankenhaus O***** tätig. Per 1. 1. 1993 wurden die Landesbediensteten, deren Dienststelle eine Landeskranken- oder Pflegeanstalt war, unter Wahrung ihrer Rechte und Pflichten als Landesbedienstete der Krankenanstaltengesellschaft mbH Burgenland zur Dienstleistung zugewiesen (§ 1 Abs 1 des Gesetzes vom 22. 10. 1992 über die Zuweisung von Landesbediensteten und die Übertragung von Aufgaben an die Krankenanstaltengesellschaft mbH Burgenland, LGBl 1993/1). Bis Mitte 2003 hatte die Klägerin die Leitung der Station „A*****" inne, was mit der Einstufung in die „Entlohnungsgruppe K 4a" verbunden war. Aus familiären Gründen legte sie jedoch die Stationsleitung wieder zurück und wurde hierauf in die „Entlohnungsgruppe K 4b" umgestuft, wodurch sie weniger als zuvor verdiente. Zunächst wurde ihr noch befristet bis 31. 12. 2004 eine „Ergänzungszulage" gewährt, da für die beklagte Partei nicht klar war, ob die Klägerin ihre frühere Funktion nicht doch wieder übernehmen werde. Als jedoch für die beklagte Partei Ende 2004 feststand, dass dies nicht der Fall sein werde, wurde der Klägerin ab 1. 1. 2005 keine Ergänzungszulage mehr gewährt.

Die Klägerin begehrt mit der vorliegenden Klage nach Ausdehnung des Klagebegehrens zuletzt den Betrag von EUR 1.344 brutto sA als Ergänzungszulage für den Zeitraum Jänner 2005 bis Februar 2006 und die Feststellung, dass sie gegenüber der beklagten Partei Anspruch auf eine Ergänzungszulage gemäß § 15a VBG habe. Nachdem sie die Stationsleitung Mitte 2003 zurückgelegt habe, sei sie von der Entlohnungsgruppe K 4a in die Entlohnungsgruppe K 4b überstellt worden. Da das monatliche Entgelt seither geringer sei, gebühre ihr gemäß § 15a VBG eine „aufsaugbare" Ergänzungszulage, die sich für den Zeitraum Jänner 2005 bis Februar 2006 auf insgesamt EUR 1.344 brutto belaufe. Da die Beklagte den Anspruch der Klägerin auf Gewährung einer Ergänzungszulage bestreite, begehre die Klägerin auch die Feststellung dieses Anspruchs.

Die Beklagte bestritt das Klagebegehren, beantragte dessen Abweisung und wendete ein, dass die Ergänzungszulage gemäß § 15a VBG nicht auf Fälle angewendet werden könne, in denen die Überstellung gemäß § 15 VBG auf Wunsch des Vertragsbediensteten vorgenommen worden sei. Dies würde nämlich dazu führen, dass sich ein Vertragsbediensteter in Leitungsfunktion wieder seiner Verantwortung entledigen könnte, gleichzeitig aber durch Gewährung einer Ergänzungszulage das bisherige Entgelt weiterbeziehen würde. Die Klägerin könne daher aus der über ihren Wunsch erfolgten Überstellung von der Entlohnungsgruppe K 4a in die Entlohnungsgruppe K 4b keine Ansprüche gegen die Beklagte ableiten.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren unter Zugrundelegung der wiedergegebenen Tatsachenfeststellungen ab. In rechtlicher Hinsicht ging es davon aus, dass gemäß § 2 LVBG 1985 das Vertragsbedienstetengesetz 1948 sinngemäß anzuwenden sei, soweit nicht anderes bestimmt sei. Nach dem Willen des historischen Gesetzgebers sollte mit dem VBG eine weitestmögliche Angleichung an das Dienstrecht der Beamten hergestellt werden, insbesondere im Bereich des Entlohnungssystems. Gemäß § 36 GehG gebühre eine Ergänzungszulage dann, wenn die Abberufung eines Beamten von seinem Arbeitsplatz aus Gründen erfolge, die von ihm nicht zu vertreten seien. Erfolge hingegen die Abberufung aus Gründen, die vom Beamten zu vertreten seien, dann gebühre keine Ergänzungszulage. Diese Regelung sei auf Vertragsbedienstete analog anzuwenden, sodass für die Anwendung des § 15a VBG kein Raum bleibe. Eine andere Auslegung würde dazu führen, dass sich ein Vertragsbediensteter nach der Überstellung in eine höhere verantwortungsvollere Entlohnungsgruppe wieder in seine frühere Funktion zurückziehen könnte, dennoch aber den höheren Gehaltsanspruch infolge Gewährung einer Ergänzungszulage behalten würde. Der Klägerin gebühre daher keine Ergänzungszulage. Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung der Klägerin nicht Folge und trat der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichts bei. Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil die in § 502 Abs 1 ZPO normierten Voraussetzungen nicht vorliegen. Gegen das Berufungsurteil richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung iSd Klagestattgebung abzuändern. Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil zu Unrecht vom Vorliegen einer Überstellung iSd Vertragsbedienstetengesetzes 1948 (VBG), BGBl 1948/86, ausgegangen wurde; sie ist auch im Ergebnis iSd implizit gestellten Aufhebungsantrags (vgl Kodek in Rechberger, ZPO² § 471 Rz 4 mwN ua) berechtigt.

Das privatrechtliche Dienstverhältnis der Klägerin zur Beklagten als Landesvertragsbedienstete unterliegt dem Burgenländischen Landesvertragsbedienstetengesetz 1985 (LVBG), LGBl 1985/49. Gemäß dessen § 2 Abs 1 sind auf Landesvertragsbedienstete auch verschiedene bundesgesetzliche Vorschriften sinngemäß anzuwenden, soweit durch das LVBG nicht anderes bestimmt wird. Dabei handelt es sich vor allem laut § 2 Abs 1 Z 1 lit a LVBG um das VBG, in der im Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens des LVBG geltenden Fassung, sowie laut § 2 Abs 1 Z 1 lit b bis zu LVBG um einen umfangreichen Katalog verschiedener Änderungen des VBG in näher bezeichneten Novellen.

Das LVBG enthält weder eine Regelung hinsichtlich der von den Parteien und den Vorinstanzen zugrundegelegten Überstellung noch bezüglich der von der Klägerin begehrten Ergänzungszulage. Entsprechende Regelungen enthält jedoch das VBG, das kraft der erwähnten Verweisung im LVBG in der bei In-Kraft-Treten des LVBG am 18. 12. 1985 geltenden Fassung samt weiteren näher spezifizierten späteren Änderungen des VBG auf das Dienstverhältnis der Klägerin sinngemäß Anwendung findet.

Das VBG enthielt schon in seiner Stammfassung (BGBl 1948/86) in § 12 (Schema I) und § 15 (Schema II) Regelungen zur Überstellung eines Vertragsbediensteten von einer Entlohnungsgruppe in eine andere. Eine Ergänzungszulage infolge Überstellung wurde erst mit der 3. VBG-Novelle, BGBl 1961/165, eingeführt. Dabei wurden zwei Anwendungsfälle unterschieden, und zwar je nach dem, ob ein Vertragsbediensteter vorübergehend zu Arbeiten in einer höheren Entlohnungsgruppe herangezogen wurde (§ 14 Abs 5 VBG) oder infolge einer Überstellung in eine andere Entlohnungsgruppe ein niedrigeres Monatsentgelt als vorher bezog (§ 15 Abs 5 VBG). Im ersten Fall sollte somit die gegenüber der tatsächlichen Entlohnung höherwertigere Arbeit des Vertragsbediensteten abgegolten werden, im zweiten Fall sollte ein durch eine Überstellung allenfalls verursachter Einkommensverlust des Vertragsbediensteten ausgeglichen werden. Die hier interessierende Regelung des zweiten Anwendungsfalls nach § 15 Abs 5 VBG wurde in der weiteren Folge vom Bundesgesetzgeber noch mehrfach spezifiziert und schließlich in den Abs 8 dieser Bestimmung verlagert. Ab dem In-Kraft-Treten des LVBG am 18. 12. 1985 lautete § 15 Abs 8 VBG, beruhend auf der 25. VBG-Novelle, BGBl 1977/663, bis zu seiner Ablöse durch § 15a VBG per 1. 1. 1999 wie folgt:

„Ist das jeweilige Monatsentgelt in der neuen Entlohnungsgruppe niedriger als das Monatsentgelt, das dem Vertragsbediensteten jeweils in seiner bisherigen Entlohnungsgruppe zukommen würde, so gebührt dem Vertragsbediensteten eine Ergänzungszulage auf dieses Monatsentgelt. Ist jedoch das Monatsentgelt, das der Vertragsbedienstete bei einer Überstellung in ein anderes Entlohnungsschema oder in eine niedrigere Entlohnungsgruppe erhält, niedriger als das bisherige Monatsentgelt, so gebührt dem Vertragsbediensteten abweichend vom ersten Satz eine nach Maßgabe des Erreichens eines höheren Monatsentgeltes einzuziehende Ergänzungszulage auf das bisherige Monatsentgelt. Dienstzulagen sind, soweit sie nur für die Dauer einer bestimmten Verwendung gebühren, bei der Ermittlung der Ergänzungszulage dem jeweiligen Monatsentgelt nicht zuzurechnen."

Im Rechtsstreit der Parteien geht es nun um die Frage, ob einem Vertragsbediensteten auch im Fall einer über seinen Wunsch erfolgten Überstellung iSd des § 15 Abs 1 VBG eine Ergänzungszulage gebührt. Diese Zulage wird von der Klägerin ausdrücklich auf § 15a VBG gestützt. Dazu ist anzumerken, dass diese Bestimmung erst ab 1. 1. 1999 auf Grund des Art I Z 17 des Vertragsbedienstetenreformgesetzes (VBRG), BGBl I 1999/10, eingeführt wurde und, wie bereits erwähnt, den § 15 Abs 8 VBG, der bis dahin Sitz der Regelung der Ergänzungszulage war, ablöste. Laut § 2 Abs 1 Z 1 lit zh LVBG sollen zwar auch einzelne Änderungen des VBG durch das VBRG für Landesbedienstete gelten; der genannte Art I Z 17 des VBRG befindet sich jedoch nicht unter den Bestimmungen, auf die vom LVBG verwiesen wird.

Sowohl die Parteien als auch die Vorinstanzen gehen übereinstimmend davon aus, dass es sich bei der erfolgten Umstufung der Klägerin von der Entlohnungsgruppe K 4a in die Entlohnungsgruppe K 4b um eine Überstellung iSd VBG handelte. Eine derartige Überstellung setzt laut Definition in § 15 Abs 1 VBG die Einreihung eines Vertragsbediensteten in eine andere Entlohnungsgruppe voraus. Um daher von einer Überstellung iSd VBG sprechen zu können, müssen zwei Entlohnungsgruppen iSd VBG bestehen und betroffen sein, und zwar jene, in der sich der Vertragsbedienstete vor der Überstellung befand, und jene („andere"), in der sich der Vertragsbedienstete nach der Überstellung befindet. Diese Voraussetzung ist hier nicht gegeben, denn weder das VBG noch das LVBG kennen oder kannten Entlohnungsgruppen „K 4a" und „K 4b" für den Krankenpflegedienst. Am nächsten kommt dem noch das mit VBG-Novelle BGBl 1991/277 neu eingeführte „Entlohnungsschema K" für Vertragsbedienstete des Krankenpflegedienstes in § 61 VBG. Dieses Entlohnungsschema K unterscheidet sechs Entlohnungsgruppen (k 1 bis k 6), kennt also ua auch eine Entlohnungsgruppe „k 4"; Entlohnungsgruppen „K 4a" und „K 4b" (bzw „k 4a" und „k 4b"), wie von den Parteien geltend gemacht, sind jedoch auch hierin nicht vorgesehen. Im Übrigen verweist zwar § 2 Abs 1 Z 1 lit m LVBG auch auf die Änderung des VBG durch die Novelle BGBl 1991/277; der mit Art III Z 7 des BG laut BGBl 1991/277 neu eingeführte Abschnitt V mit „Sonderbestimmungen für Vertragsbedienstete des Krankenpflegedienstes" (§§ 59 bis 63 VBG) ist jedoch von diesem Verweis des LVBG nicht umfasst.

Feststeht somit vorläufig nur, dass die Klägerin, unter ausdrücklicher Bezugnahme des Dienstgebers darauf, dass sie Mitte 2003 die Stationsleitung zurücklegte, seit dem 1. 1. 2005 keine „Ergänzungszulage" mehr erhält. Dies wurde von den Parteien übereinstimmend mit einer Änderung der Einstufung der Klägerin von der „Entlohnungsgruppe K 4a" auf die „Entlohnungsgruppe K 4b" begründet und als „Überstellung" iSd VBG qualifiziert. Auf Grund des übereinstimmenden Vorbringens der Parteien und der erstgerichtlichen Feststellungen ist davon auszugehen, dass bei der Beklagten bzw der Krankenanstaltengesellschaft mbH Burgenland tatsächlich derartige „Entlohnungsgruppen" existieren. Worauf sich diese allerdings gründen, wurde bisher von den Parteien weder offengelegt noch wurde dies mit ihnen erörtert. Es kann sich bei „K 4a" und „K 4b" jedenfalls nicht um Entlohnungsgruppen iSd VBG oder LVBG handeln. Damit scheidet aber auch die darauf aufbauende Annahme der Parteien hinsichtlich einer Überstellung der Klägerin nach § 15 Abs 1 VBG und - mangels einer Überstellung - auch § 15a VBG (bzw § 15 Abs 8 VBG) als Anspruchsgrundlage für die von der Klägerin begehrte Ergänzungszulage „aus Anlass einer Überstellung" aus. Da die Parteien nicht mit einer Rechtsauffassung überrascht werden dürfen, die sie nicht bedacht haben und auf die sie vom Gericht nicht aufmerksam gemacht wurden, kommt vorerst nur eine Aufhebung der Entscheidungen und Zurückverweisung der Arbeitsrechtssache an das Erstgericht in Betracht (RIS-Justiz RS0037300 ua). Dieses wird im fortgesetzten Verfahren mit den Parteien zu erörtern haben, auf welcher Grundlage die Entlohnung der Klägerin vor und nach dem 1. 1. 2005 erfolgte und welche allfällige Anspruchsgrundlage für die von der Klägerin begehrte Entgeltdifferenz gegenüber ihrer früheren Tätigkeit als Stationsleiterin nun tatsächlich geltend gemacht wird. Zu den Überlegungen des Erstgerichtes zu § 36 Abs 1 Gehaltsgesetz 1956 (GehG), BGBl 1956/54, ist anzumerken, dass es richtig ist, dass diese Bestimmung (für ihren Geltungsbereich) hinsichtlich der Gewährung einer Ergänzungszulage darauf abstellt, ob für die Abberufung von einem Arbeitsplatz Gründe maßgebend sind, „die vom Beamten nicht zu vertreten sind". Diese besondere Bezugnahme auf die Gründe der Abberufung wurde erst mit dem Besoldungsreform-Gesetz 1994, BGBl 1994/550, eingeführt (zu den näheren Motiven s RV 1577 BlgNR 18. GP 183 f), sohin erst Jahre nach dem In-Kraft-Treten des LVBG. Wie schon erwähnt, erklärt § 2 LVBG eine Reihe von bundesgesetzlichen Vorschriften auf Landesvertragsbedienstete sinngemäß für anwendbar. Diese Bestimmung enthält jedoch keine Bezugnahme auf § 36 GehG. Eine unmittelbare Anwendung dieser Bestimmung auf die Klägerin scheidet daher aus. Auf die dem Erstgericht vorschwebende „analoge" Anwendung des § 36 GehG (idF des Besoldungsreform-Gesetzes) ist derzeit nicht einzugehen, solange nicht einmal feststeht, auf welcher rechtlichen Grundlage die Entlohnung der Klägerin unter Bezugnahme auf die „Entlohnungsgruppen K 4a bzw K 4b" erfolgt(e).

Der Kostenvorbehalt beruht auf §§ 52 Abs 1 ZPO.

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