6Nc31/06w – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Pimmer als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Schenk und den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Univ. Doz. Dr. Kodek als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache Hermann P*****, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die mit Beschluss des Bezirksgerichtes Graz vom 29. 3. 2006, 13 P 46/05x-73, verfügte Übertragung der Zuständigkeit zur Führung des Sachwalterschaftsverfahrens an das Bezirksgericht Innere Stadt Wien wird genehmigt.
Text
Begründung:
Das Sachwalterschaftsverfahren ist seit 24. 1. 2004 beim Bezirksgericht Graz anhängig. Mit Beschluss vom 19. 10. 2005 wurde Dr. Ute M***** gemäß § 273 ABGB zur Sachwalterin des Betroffenen bestellt und mit der Besorgung sämtlicher Angelegenheiten betraut (ON 46). Mit Schriftsatz vom 17. 3. 2006 beantragte der Betroffene die Delegierung des Aktes an das Bezirksgericht Innere Stadt Wien; dies mit der Begründung, mittlerweile in 1040 Wien wohnhaft zu sein (ON 72). Mit Beschluss vom 29. 3. 2006 (ON 73) übertrug daraufhin das Bezirksgericht Graz seine Zuständigkeit an das Bezirksgericht Innere Stadt Wien.
Mit Beschluss vom 10. 5. 2006 verweigerte das Bezirksgericht Innere Stadt Wien die Übernahme der Zuständigkeit mit der Begründung, der Betroffene sei seit Anfang Mai 2006 stationär im Kaiser Franz Josef-Spital in 1100 Wien aufgenommen. Mit seiner Entlassung sei Ende Mai 2006 zu rechnen; im Anschluss daran werde sich jedoch eine Aufnahme in ein Pflegeheim als notwendig erweisen. Da der Betroffene somit weder in 1040 Wien wohnhaft sei, noch dessen Rückkehr dorthin gesichert erscheine, sei die Übernahme der Zuständigkeit zu verweigern.
Einen dagegen erhobenen Rekurs des Betroffenen wies das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien als unzulässig zurück. Ein außerordentlicher Revisionsrekurs des Betroffenen wurde vom Obersten Gerichtshof mit Beschluss vom 9. 11. 2006 zurückgewiesen (6 Ob 251/06i).
Rechtliche Beurteilung
Nach § 111 Abs 2 JN bedarf die Übertragung der Zuständigkeit im Fall der Weigerung des anderen Gerichtes zu ihrer Wirksamkeit der Genehmigung des den beiden Gerichten zunächst übergeordneten gemeinsamen höheren Gerichtes, im vorliegenden Fall sohin des Obersten Gerichtshofs.
Gemäß § 111 Abs 1 JN kann das Pflegschaftsgericht seine Zuständigkeit einem anderen Gericht übertragen, wenn dies im Interesse des Pflegebefohlenen gelegen erscheint. Dies ist in der Regel dann der Fall, wenn der Mittelpunkt der Lebensführung des Pflegebefohlenen im Sprengel jenes Gerichtes liegt, an das die Zuständigkeit übertragen wird. Entscheidend ist immer das Wohl des Pflegebefohlenen, das nach den im Einzelfall gegebenen Umständen zu beurteilen ist (RIS-Justiz RS0047300; 3 Nc 6/06x). Nach der Aktenlage kann keinem Zweifel unterliegen, dass sich der Mittelpunkt der Lebensführung des Betroffenen derzeit in Wien befindet; dies wird vom Betroffenen auch so empfunden. Die Angaben des Betroffenen (ON 84), er müsse nur mehr alle zwei Wochen zu einer Kontrolluntersuchung in das Spital und wohne im Übrigen wieder in 1040 Wien, *****, werden durch die vorliegenden Erhebungsergebnisse bestätigt. Nach telefonischer Auskunft des Krankenhauses wurde der Betroffene am 24. 5. 2006 in häusliche Pflege entlassen; er habe mehrfach und ausdrücklich den Wunsch geäußert, in seine Wohnung in 1040 Wien zurückkehren zu wollen. Als Voraussetzung für seine Entlassung sei eine mobile Krankenschwester sowie Heimhilfe organisiert worden (ON 40). Dass einzelne Beschlüsse dem Betroffenen tatsächlich in Graz zugestellt werden konnten (vgl die Rückscheine zu ON 73), steht dem nicht zwingend entgegen, weil daraus kein Rückschluss auf den - rechtlich allein ausschlaggebenden - Mittelpunkt der Lebensführung des Betroffenen zu ziehen ist.
Damit liegen im vorliegenden Fall aber die Voraussetzungen des § 111 Abs 1 JN vor, sodass spruchgemäß zu entscheiden war.