JudikaturOGH

1Ob259/06d – OGH Entscheidung

Entscheidung
19. Dezember 2006

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1) Josef H*****, 2) Johann H*****, 3) Christine H*****, 4) Fritz S*****, und 5) Dipl. Ing. Michael S*****, alle vertreten durch Dr. Ferdinand Rankl, Rechtsanwalt in Micheldorf, gegen die beklagten Parteien 1) Franz S*****, und 2) Sibylle S*****, beide vertreten durch Dr. Alfons Adam und Mag. Gernot Steier, Rechtsanwälte in Neulengbach, wegen Abgabe von Willenserklärungen und Duldung (Streitwert 5.813,83 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landsgerichts Steyr als Berufungsgericht vom 25. Juli 2006, GZ 1 R 101/06f-138, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichts Kirchdorf an der Krems vom 20. März 2006, GZ 3 C 320/99x-121, abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Akt wird dem Berufungsgericht zur Entscheidung über den Antrag der klagenden Partei gemäß § 508 Abs 1 ZPO übermittelt.

Text

Begründung:

Die Kläger begehrten mit ihrem Haupt- und ihrem Eventualbegehren zuletzt, die Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig zu erkennen, in die Errichtung einer für den Holztransport mit Lastkraftwagen tauglichen Forststraße in bestimmter Ausführung auf einzelnen Grundstücken in deren Eigentum einzuwilligen und die Benützung dieser Grundstücke nach Errichtung der Forststraße im erforderlichen Ausmaß zu dulden. Diesen Streitgegenstand bewerteten sie in der 1999 eingebrachten Klage mit insgesamt 80.000 ATS (= 5.813,83 EUR). Das Erstgericht gab im nunmehr dritten Rechtsgang dem Hauptbegehren statt.

Das Berufungsgericht wies sowohl das Haupt- als auch das Eventualbegehren ab. Es sprach ferner aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 4.000 EUR, jedoch nicht 20.000 EUR übersteige, und ließ die ordentliche Revision nicht zu. Die „wirtschaftliche Bedeutung" der Klagebegehren folge aus ihrer Bewertung durch die Kläger. Davon abzugehen, bestehe kein Anlass. Dagegen erhoben die Kläger eine außerordentliche Revision. Sie stellten im Rechtsmittelschriftsatz aber auch einen mit ordentlicher Revision verbundenen Antrag gemäß § 508 Abs 1 ZPO. Die Gründe dieses Antrags und der ordentlichen Revision entsprechen jenen in der außerordentlichen Revision.

Das Erstgericht legte den Rechtsmittelschriftsatz mit Verfügung vom 10. 10. 2006 dem Berufungsgericht zur Entscheidung vor. Das Berufungsgericht trug dem Erstgericht mit Beschluss vom 14. 11. 2006 auf, den Akt zur Entscheidung über die außerordentliche Revision dem Obersten Gerichtshof vorzulegen. Die Kläger erhöben „in erster Linie" eine außerordentliche Revision. Der Antrag gemäß § 508 Abs 1 ZPO sei ein Eventualantrag. Das Berufungsgericht sei an die Reihung der Rechtsmittel durch die Kläger gebunden. Deshalb sei zuerst die außerordentliche Revision dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung vorzulegen. Lediglich im Fall der Zurückweisung dieses Rechtsmittels, „weil der Bewertungsausspruch des Berufungsgerichts nicht zu bemängeln" sei, werde der Eventualantrag neuerlich dem Berufungsgericht vorzulegen sein.

Rechtliche Beurteilung

Der Akt ist dem Berufungsgericht zu übermitteln.

1. Das Berufungsgericht ist bei seinem Ausspruch nach § 500 Abs 2 Z 1 ZPO an die Bewertung eines Streitgegenstands gemäß § 59 JN durch den Kläger nicht gebunden (Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 502 ZPO Rz 154 mN aus der Rsp). Dessen Bewertungsausspruch ist unanfechtbar. Er bindet den Obersten Gerichtshof, wenn zwingende Bewertungsvorschriften nicht verletzt wurden, eine offenkundige Unter- oder Überbewertung nicht vorliegt oder eine Bewertung nicht überhaupt hätte unterbleiben müssen (zuletzt so in Fortschreibung der ständigen Rechtsprechung: 1 Ob 244/06y).

2. Nach ständiger Rechtsprechung steht der durch eine gerichtliche Entscheidung belasteten Partei nur ein Rechtsmittel zu. Weitere Rechtsmittelschriften - auch innerhalb der gesetzlichen Frist - sind unzulässig (RIS-Justiz RS0041666). Wurden - wie hier - zwei Rechtsmittel gegen ein Berufungsurteil im gleichen Schriftsatz ausgeführt, so sind sie - wie mehrere Rechtsmittelschriften, die beim Erstgericht am selben Tag einlangten (3 Ob 206/06z; 7 Ob 27/00x) - als Einheit aufzufassen. Daraus folgt, dass das Rechtsmittel der Kläger - je nach den anzuwendenden verfahrensrechtlichen Bestimmungen - entweder als außerordentliche Revision oder als mit ordentlicher Revision verbundener Antrag gemäß § 508 Abs 1 ZPO zu erledigen ist (vgl Zechner aaO § 508 ZPO Rz 2), eröffnet doch das Verfahrensrecht Rechtsmittelwerbern nicht die Möglichkeit, ein Berufungsurteil mit einer gemäß § 505 Abs 4 ZPO jedenfalls unzulässigen, vom Obersten Gerichtshof zu erledigenden außerordentlichen Revision, gleichzeitig aber auch mit einem prozessual zulässigen, mit ordentlicher Revision verbundenen Antrag gemäß § 508 Abs 1 ZPO, über den das Berufungsgericht zu erkennen hat, zu bekämpfen. Wäre daher das Urteil des Berufungsgerichts nur mit Hilfe eines mit ordentlicher Revision verbundenen Antrags gemäß § 508 Abs 1 ZPO anfechtbar, so ist nicht die außerordentliche Revision zurückzuweisen, sondern der Akt ist dem Berufungsgericht zur Erledigung des - ihm vom Erstgericht ursprünglich bereits vorgelegten - Antrags gemäß § 508 Abs 1 ZPO zu übermitteln, verbliebe doch im Fall einer Zurückweisung wegen des erörterten Einmaligkeits- und Einheitsgrundsatzes kein Rechtsmittel, auf Grund dessen das Berufungsgericht noch eine Entscheidung gemäß § 508 Abs 3 oder 4 ZPO treffen könnte. Deshalb werden jedenfalls unzulässige außerordentliche Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof dann, wenn die angefochtene Entscheidung zweiter Instanz gemäß § 508 Abs 1 oder § 528 Abs 1a und 2a ZPO bekämpfbar ist, im Allgemeinen nicht zurückgewiesen, sondern gewöhnlich dem Erstgericht zur Vorlage an die zweite Instanz übermittelt (RIS-Justiz RS0109501, 0109620, 0109623; vgl ferner 3 Ob 42/05f; 7 Ob 144/03g). Die Zurückweisung eines solchen jedenfalls unzulässigen außerordentlichen Rechtsmittels an den Obersten Gerichtshof kommt daher bei der behandelten Sachlage nur in Sonderfällen wie etwa dann in Betracht, wenn das Berufungsgericht den allein zulässigen Antrag gemäß § 508 Abs 1 ZPO samt der ordentlichen Revision bereits gemäß § 508 Abs 4 ZPO zurückwies, der Rechtsmittelwerber jedoch in der Folge erklärte, seine im gleichen Rechtsmittelschriftsatz „hilfsweise" erhobene außerordentliche Revision dennoch aufrecht zu erhalten (6 Ob 248/05x), oder wenn der Rechtsmittelwerber das Erstgericht nach Zurückweisung des allein zulässigen Antrags gemäß § 508 Abs 1 ZPO samt ordentlicher Revision in zweiter Instanz gemäß § 508 Abs 4 ZPO ersuchte, das zurückgewiesene Rechtsmittel dem Obersten Gerichtshof als „außerordentliche Revision" vorzulegen (7 Ob 48/04s). Diesfalls wird die gebotene Rechtsklarheit erst durch einen Zurückweisungsbeschluss hergestellt.

3. Wie die Kläger selbst zutreffend ausführen, hatten sie den Streitgegenstand ihrer Klage nach § 59 JN zu bewerten. Sie entschieden sich für eine Bewertung von insgesamt 80.000 ATS (= 5.813,83 EUR), werfen aber nun dem Berufungsgericht vor, mit dem Ausspruch gemäß § 500 Abs 2 Z 1 ZPO eine offenkundige Unterbewertung vorgenommen zu haben, weil jeder Kläger ein vermögenswertes „Einzelinteresse" von zumindest 5.800 EUR gemäß § 5 Z 7 AHR (nunmehr: AHK 2005) geltend gemacht habe. Deren Ansprüche seien als solche materieller Streitgenossen gemäß § 55 Abs 1 JN überdies zusammenzurechnen. Somit ergebe sich als Entscheidungsgegenstand zweiter Instanz ein Betrag von insgesamt zumindest 23.200 EUR, falls dem Erstkläger „aufgrund der getätigten Grundabverkäufe an die Zweitbis Fünftkläger kein eigenes wirtschaftliches Interesse auf Grundlage eines Eigentumsrechts an einer herrschenden Liegenschaft" zugebilligt werden sollte. Außerdem begehrten die Beklagten in einem Verfahren gemäß § 394 EO einen Zuspruch von 216.811,98 EUR.

4. Nach der (erst) in der Revision begründeten Ansicht der Kläger soll der Entscheidungsgegenstand zweiter Instanz mindestens 23.200 EUR betragen. Insofern ist nicht zu erkennen, weshalb die durch das Berufungsgericht mit über 4.000 bis 20.000 EUR vorgenommene Bewertung eine offenkundige Unterbewertung sein soll. Das in der Zulassungsbeschwerde behauptete „Einzelinteresse" jedes Klägers von zumindest 5.800 EUR fußt ferner auf einer Regelung zur Angemessenheit des anwaltlichen Honorars. Das Honorarinteresse von Rechtsanwälten lässt sich allerdings mit dem vermögenswerten Interesse der Kläger an der Durchsetzung eines auf Abgabe von Willenserklärungen und Duldung gerichteten Begehrens nicht gleichsetzen. Unerheblich ist ferner, welche Ansprüche die Beklagten gemäß § 394 EO gegen die Kläger erhoben haben mögen. Die Kläger bewerteten das bezeichnete, nach ihrem Standpunkt zusammenzurechnende vermögenswerte Interesse mit insgesamt 5.813,83 EUR. Das war ihre Willensentscheidung. Aus dieser war für sich nicht ableitbar, dass das vermögenswerte Interesse der Kläger - selbst im Fall der in der Revision verfochtenen Zusammenrechnung - insgesamt jedenfalls 20.000 EUR übersteigen müsse. Von einer offenkundigen Unterbewertung des Entscheidungsgegenstands durch das Berufungsgericht kann somit keine Rede sein. Der Oberste Gerichtshof ist daher an den Bewertungsausspruch des Berufungsgerichts nach den Erwägungen unter 1. gebunden. Infolgedessen ist der Akt auf Grund der zu 2. erläuterten Gründe dem Berufungsgericht zur Entscheidung über den Antrag der Kläger gemäß § 508 Abs 1 ZPO zu übermitteln.

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