1Nc115/06m – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner und Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Sorin A*****, vertreten durch Dr. Helmut Graupner, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17-19, wegen EUR 3.800 sA, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Zur Erledigung des Verfahrens wird gemäß § 9 Abs 4 AHG das Landesgericht Linz als zuständig bestimmt.
Text
Begründung:
Der Kläger nimmt die beklagte Partei nach dem AHG und gemäß Art 5 EMRK wegen einer im Rahmen eines Strafverfahrens vor dem Landesgericht für Strafsachen Wien erlittenen Verwahrungs- bzw Untersuchungshaft vom 27. 2. 2000 bis 28. 2. 2000, vom 30. 8. 2000 bis 31. 8. 2000 und vom 31. 1. 2001 bis 6. 3. 2001 in Anspruch. Er brachte vor, diese Haft sei über ihn jeweils infolge rechtswidrigen und schuldhaften Verhaltens richterlicher Organe verhängt und in der Folge aufrecht erhalten worden. Die Untersuchungsrichterin, die die Haftbefehle gegen den Kläger erlassen hat, war Mag. Natalia F*****. Das Landesgericht für ZRS Wien wies mit Urteil vom 16. 2. 2006 die Klage ab. Dagegen richtete sich die an das Oberlandesgericht Wien gerichtete Berufung des Klägers. Mag. Natalia F***** war mittlerweile zur Richterin des Oberlandesgerichts Wien ernannt worden und ist dort seit 1. 1. 2006 in der Rechtsprechung tätig. Deswegen bestimmte der Oberste Gerichtshof mit Beschluss vom 18. 10. 2006, GZ 1 Nc 100/06f, zur (allfälligen) Verhandlung und Entscheidung über die Berufung des Klägers gemäß § 9 Abs 4 AHG das Oberlandesgericht Linz als zuständig. Dieses hob aus Anlass der Berufung das Urteil des Landesgerichts für ZRS Wien als nichtig auf, weil zum Zeitpunkt seiner Erlassung das Oberlandesgericht Wien „und mit ihm das Erstgericht" ausgeschlossen gewesen seien. Das vorangegangene Verfahren sei von der Nichtigkeit nicht betroffen, weil der Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz bereits vor dem Zeitpunkt der Ernennung von Mag. Natalia F***** zur Richterin des Oberlandesgerichts erfolgt war. Bei Anwendung des § 9 Abs 4 AHG sei es nicht möglich, die Zuständigkeit des Gerichts erster Instanz unverändert zu lassen und bloß ein anderes Oberlandesgericht als Rechtsmittelgericht zu bestimmen. Das Oberlandesgericht Linz legte den Akt mit Verfügung vom 20. 11. 2006 „zur Bestimmung eines außerhalb des Oberlandesgerichtssprengels Linz gelegenen Erstgerichts" dem Obersten Gerichtshof vor.
Rechtliche Beurteilung
Wie der erkennende Senat bereits wiederholt ausgesprochen hat, liegt den Fällen einer notwendigen Delegierung im Sinne des § 9 Abs 4 AHG die Erwägung zu Grunde, dass Richter eines Gerichtshofs nicht über Ansprüche erkennen sollen, die ein Verhalten auch nur irgendeines Mitglieds desselben Gerichtshofs zum Gegenstand haben (RIS-Justiz RS0056449). Wird der Ersatzanspruch aus einem Verhalten eines Richters abgeleitet, der (nunmehr) bei dem Erstgericht übergeordneten Oberlandesgericht, das im Instanzenzug zuständig wäre, tätig ist, so ist ein in einem anderen Oberlandesgerichtssprengel gelegenes Erstgericht zur Erledigung der Rechtssache zu bestimmen, da es nicht möglich ist, die Zuständigkeit des Gerichts erster Instanz unverändert zu lassen und bloß ein anderes Oberlandesgericht (als das Oberlandesgericht Wien) als Rechtsmittelgericht zu bestimmen (RIS-Justiz RS0050128). Der Vollständigkeit wegen ist klarzustellen, dass der Beschluss des Oberlandesgerichts Linz vom 20. 11. 2006, mit welchem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 16. 2. 2006 als nichtig aufgehoben wurde, einer Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof entzogen ist. Für die Delegierung eines außerhalb des Oberlandesgerichtssprengels Linz gelegenen Erstgerichts besteht keine Veranlassung. Die Delegierung des Landesgerichts Linz ist zweckmäßig.