JudikaturOGH

5Ob218/06d – OGH Entscheidung

Entscheidung
14. November 2006

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch, Dr. Kalivoda, Dr. Höllwerth und Dr. Grohmann als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 9. Mai 2001 verstorbenen Otto S*****, zuletzt wohnhaft gewesen in *****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Witwe Dr. Edith S*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Gewolf, Dr. Gernot Murka und Mag. Christian Bauer, Rechtsanwälte in Klagenfurt, gegen den Beschluss des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgericht vom 17. März 2006, GZ 1 R 13/06s-50a, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Dr. Edith S***** wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Text

Begründung:

Der am 9. 5. 2001 verstorbene Erblasser und seine Ehefrau, die nunmehrige Rechtsmittelwerberin, waren Eigentümer je eines halben Mindestanteils verbunden mit Wohnungseigentum an der Wohnung W 1 der Liegenschaft EZ 523 GB 72168 St. Martin bei Klagenfurt. Der Erblasser hinterließ seine Ehefrau und die beiden gemeinsamen mj Kinder sowie zwei vj Kinder aus erster Ehe. Im Testament vom 22. März 2001 berief der Erblasser seine vier Kinder zu gleichen Teilen als Erben und enterbte seine Ehefrau. Die vier Kinder gaben auf Grund des Testaments vom 22. März 2001 zu je einem Viertel und die Ehefrau, die die Gültigkeit des Testaments bestritt, aufgrund des Gesetzes zu einem Drittel bedingte Erbserklärungen ab. Das Erstgericht teilte der Ehefrau die Klägerrolle zu. Diese erhob gegen alle vier Testamentserben Erbrechtsklage mit dem Begehren, „es werde mit Wirkung zwischen der Klägerin und den Beklagten festgestellt, dass das am 22. März 2001 in Klagenfurt errichtete schriftliche Testament des Erblassers ungültig sei"; weiters stellte sie das Evenutalbegehren, es werde zwischen der Klägerin und den Beklagten festgestellt, dass die im schriftlichen Testament zu Lasten der Klägerin ausgesprochene Enterbung ungültig sei. In der Folge zog die Ehefrau die Klage unter Verzicht auf den eingeklagten Anspruch, jedoch mit dem Hinweis zurück, dass die vom Erblasser behauptete Verwirklichung eines rechtlich relevanten Enterbungstatbestands ausdrücklich bestritten bleibe. Das Prozessgericht sprach daraufhin aus, dass dieses Verfahren beendet sei.

Mit dem bekämpften Beschluss trug das Erstgericht der Ehefrau im Abhandlungsverfahren gestützt auf § 10 Abs 1 Z 2 WEG 1975 (idF BGBI 1147/1999) auf, binnen 14 Tagen ab Rechtskraft des Beschlusses bekannt zu geben, ob sie auf den Zuwachs des Anteils des Verstorbenen am Mindestanteil und gemeinsamen Wohnungseigentum verzichte oder gemeinsam mit den Erben des Verstorbenen eine Vereinbarung schließe, aufgrund derer der gesamte Mindestanteil an eine Person ungeteilt oder an Ehegatten je zur Hälfte unter gleichzeitigem Erwerb des gemeinsamen Wohnungseigentums übergehe.

Dem gegen diesen Beschluss erhobenen Rekurs der Ehefrau gab das Rekursgericht nicht Folge.

Die Rechtsmittelwerberin macht zur Zulässigkeit ihres außerordentlichen Revisionsrekurses geltend,

-- es fehle Rechtsprechung des Höchstgerichts zur Frage, ob der Eigentumszuwachs nach § 10 Abs 1 Z 1 WEG 1975 durch Erbunwürdigkeit des überlebenden Ehegatten vereitelt werde;

-- es fehle Rechtsprechung des Höchstgerichts zur Frage, ob durch eine modifizierte Klagszurückziehung im Erbrechtsstreit die Enterbungsfrage zu Lasten des Enterbten entschieden sei, obwohl die im Rahmen eines Eventualbegehrens gestellte Frage der (Un )Rechtmäßigkeit der Enterbung nicht Gegenstand des Erbrechtsstreits geworden sei;

-- die Frage, ob eine rechtswirksame Enterbung im Anlassfall vorliege, betreffe auch die Rechtsstellung der Rechtsmittelwerberin als Vorausvermächtnisnehmerin gemäß § 758 ABGB. Ohne rechtswirksame Enterbung komme der Rechtsmittelwerberin aus der zitierten Rechtsposition die Berechtigung zu, die Ehewohnung zu nutzen, und zwar auch und insbesondere dann, wenn ihr der Hälfteanteile des Erblassers nicht ins Eigentum anwachse, sondern zB ein Dritter Eigentümer werde. Diese Kollision mit dem Anwachsungstatbestand nach dem WEG 1975 sei unberücksichtigt geblieben;

-- der der Rechtsmittelwerberin erteilte Auftrag sei so formuliert, dass er die Möglichkeit der vertraglichen Begründung einer Eigentümerpartnerschaft auf Übernehmerseite nicht zulasse und dadurch rechtswidrig diese nunmehr bestehende Möglichkeit der Rechtsgestaltung beschneide.

Rechtliche Beurteilung

Die Rechtsmittelwerberin zeigt mit diesen Ausführungen keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG nF auf:

1. Der nach § 10 WEG 1975 als Vindikationslegat konstruierte Erwerb kraft Gesetzes durch Anwachsung bewirkt, dass dieser Anteil wegen des unmittelbaren Eigentumsübergangs nicht in die Verlassenschaftsmasse fällt. Allerdings tritt gemäß § 10 Abs 1 Z 2 WEG 1975 dieser Zuwachs nicht ein, wenn der überlebende Ehegatte vor dem Ablauf einer vom Verlassenschaftsgericht festzusetzenden angemessenen Frist entweder auf den Zuwachs verzichtet oder gemeinsam mit den Erben des Verstorbenen (unter Zustimmung allfälliger Pflichtteilsberechtigter) eine Vereinbarung betreffend den Übergang des Mindestanteils schließt. Während der offenen Frist ist der überlebende Ehegatte gemäß § 10 Abs 1 Z 4 1975 WEG hinsichtlich des gesamten Anteils einem Erben gleichgestellt, dem die Besorgung und Benützung des Nachlasses überlassen worden ist. Durch die Bestimmung des § 10 Abs 1 Z 2 WEG ist der Übergang des halben Mindestanteils des verstorbenen Ehegatten ins Eigentum des überlebenden Ehegatten ein auflösend bedingter. Der Schwebezustand dauert an, solange die Frist nicht gesetzt wurde (RIS-Justiz RS0082946) bzw noch nicht abgelaufen ist. Da somit bereits durch den Ablauf der vom Erstgericht mit dem bekämpften Beschluss gesetzten Frist besagter Schwebezustand beseitigt wird, ohne dass es dazu einer weiteren Entscheidung bedürfte, ist zunächst die Beschwer der Rechtsmittelwerberin bereits durch den fristsetzenden Beschluss zu bejahen.

2. Es trifft zu, dass der Oberste Gerichtshof bislang nicht zur Frage Stellung zu nehmen hatte, ob der Eigentumszuwachs nach § 10 Abs 1 Z 1 WEG 1975 durch Erbunwürdigkeit des überlebenden Ehegatten vereitelt werde. Zur Klärung dieser Frage besteht aber auch aus Anlass des vorliegenden Rechtsmittels keine Notwendigkeit, weil der Beschluss des Erstgerichts ohnehin gerade auf der Annahme eines möglichen Zuwachses nach § 10 Abs 1 Z 1 WEG 1975 beruht. Aus demselben Grund bedarf auch die allfällige Bedeutung der im Streitverfahren erfolgten, vermeintlich „modifizierten" Klagszurückziehung auf die Enterbungsfrage keiner Untersuchung.

3. Durch den bekämpften erstgerichtlichen Beschluss, der nicht über die Rechtmäßigkeit der Enterbung abspricht, werden die allfälligen Ansprüche der Rechtsmittelwerberin nach § 758 ABGB nicht verkürzt, sodass auch dazu nicht Stellung zu nehmen ist.

4. Richtig ist, dass das Erstgericht seinen Auftrag ohne Bedachtnahme auf die Möglichkeit der Begründung einer Eigentümerpartnerschaft formulierte. Diese Formulierung des Erstgerichts versteht sich allerdings augenscheinlich als schlichte Wiedergabe des Wortlauts des § 10 Abs 1 Z 2 WEG 1975. Wie dort der Begriff des gemeinsamen Wohnungseigentums von Ehegatten ab dem 1. Juli 2002 zu verstehen ist, folgt aber schon aus § 56 Abs 8 WEG 2002, sodass es im Hinblick auf diese ausdrückliche gesetzliche Regelung auch dazu keiner Stellungnahme des Obersten Gerichtshofs bedarf.

Da die Rechtsmittelwerberin keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG nF geltend macht, ist ihr außerordentlicher Revisionsrekurs unzulässig und zurückzuweisen.

Rückverweise