JudikaturOGH

10ObS169/06k – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. Oktober 2006

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Harald Kaszanits (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Eva-Maria Florianschütz (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Rade J*****, ohne Beschäftigung, *****, vertreten durch Mag. Gernot Faber, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, wegen vorzeitiger Alterspension bei langer Versicherungsdauer, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29. August 2006, GZ 9 Rs 107/06f-21, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der am 8. 8. 1942 geborene Kläger hat zum Stichtag 1. 4. 2005 in Österreich insgesamt 190 Versicherungsmonate, davon 161 Beitragsmonate der Pflichtversicherung und 29 Monate einer Ersatzzeit, erworben. Im ehemaligen Jugoslawien erwarb der Kläger - aufgrund der im Anstaltsverfahren eingeholten Auskunft des jugoslawischen Versicherungsträgers vom 26. 5. 2005 (OZ 27 im Pensionsakt) - im Zeitraum vom 1. 10. 1968 bis 6. 10. 1986 insgesamt 216 Versicherungsmonate sowie fünf Versicherungstage. Weitere Versicherungszeiten des Klägers konnten nicht festgestellt werden. Das Erstgericht wies das auf Gewährung einer vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer ab 1. 4. 2005 gerichtete Klagebegehren ab. Gemäß § 253b ASVG in der auf den Kläger noch anwendbaren Fassung bestehe ein Anspruch auf vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer unter anderem dann, wenn der Versicherte am Stichtag 450 für die Bemessung der Leistung zu berücksichtigende Versicherungsmonate oder 420 Beitragsmonate der Pflichtversicherung erworben habe. Der Kläger erfülle diese besonderen Anspruchsvoraussetzungen nicht, weil er insgesamt höchstens 406 Versicherungsmonate bzw 377 Beitragsmonate der Pflichtversicherung erworben habe.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers keine Folge. Es gelangte ebenfalls zu dem Ergebnis, dass der Kläger die besondere Anspruchsvoraussetzung des Vorliegens von 450 Versicherungsmonaten bzw 420 Beitragsmonaten der Pflichtversicherung am Stichtag nicht erfülle. Es verneinte die in der Unterlassung der (neuerlichen) Einholung einer Auskunft des jugoslawischen Versicherungsträgers vom Kläger erblickte Mangelhaftigkeit des Verfahrens erster Instanz, weil selbst ausgehend von der Richtigkeit des Vorbringens des Klägers die besonderen Anspruchsvoraussetzungen für die begehrte Leistung zum Stichtag 1. 4. 2005 nicht erfüllt wären. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil bzw die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht bzw an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision ist nicht zulässig.

Der Kläger macht im Wesentlichen geltend, das Berufungsverfahren sei mangelhaft geblieben, weil entgegen dem im Sozialrechtsverfahren geltenden Untersuchungsgrundsatz keine (neuerliche) Auskunft des jugoslawischen Sozialversicherungsträgers über die von ihm im ehemaligen Jugoslawien erworbenen Versicherungszeiten eingeholt worden sei. Er habe im ehemaligen Jugoslawien im Zeitraum 1968 bis 1990 tatsächlich insgesamt zumindest 256 Versicherungsmonate/Beitragsmonate erworben.

Die Ansicht des Revisionswerbers, das sozialgerichtliche Verfahren unterliege dem Untersuchungsgrundsatz, trifft nicht zu. § 87 Abs 1 ASGG ordnet nur die amtswegige Beweisaufnahme an. Daraus resultiert die Pflicht des Gerichts, von Amts wegen alle entscheidungsrelevanten Tatsachen zu erheben, für die sich im Verfahren zumindest Anhaltspunkte ergeben (RIS-Justiz RS0042477 [T10]). Der Grundsatz der materiellen Wahrheitsforschung ist aber nach ständiger Rechtsprechung im Sozialrechtsverfahren nicht anzuwenden (SSV-NF 3/115; RIS-Justiz RS0103347).

Es entspricht ebenfalls der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, dass eine Auskunft eines ausländischen Versicherungsträgers über ausländische Versicherungszeiten jedenfalls dann nicht auf ihre Richtigkeit überprüft werden muss, wenn nach der Aktenlage keine Anhaltspunkte dafür gegeben sind, ihre Richtigkeit anzuzweifeln (SSV-NF 2/69 ua - zuletzt 10 ObS 100/05m; RIS-Justiz RS0113190). Den Feststellungen des Erstgerichtes über die vom Kläger im ehemaligen Jugoslawien erworbenen Versicherungszeiten liegt eine entsprechende Auskunft des jugoslawischen Sozialversicherungsträgers vom 26. 5. 2005 (vgl OZ 27 im Pensionsakt) zugrunde. Begründete Zweifel an der Richtigkeit dieser Auskunft bestehen nicht, zumal der Inhalt dieser Auskunft, wie bereits das Erstgericht zutreffend ausgeführt hat, mit den eigenen Angaben des Klägers in seinem Antrag auf Feststellung der Versicherungszeiten bzw Prüfung der versicherungsrechtlichen Anspruchsvoraussetzungen für eine Leistung aus den Versicherungsfällen des Alters zum frühestmöglichen Zeitpunkt (vgl OZ 3 im Pensionsakt) im Einklang steht. Die vom Klägers erstmals in der Tagsatzung vom 16. 12. 2005 erhobene Behauptung, „dass von ihm in Jugoslawien auch noch in den Jahren 1986 bis 1990 Versicherungszeiten erworben worden seien", ohne dies näher belegen zu können, steht im Widerspruch zu den eigenen Angaben des Klägers in seinem Antrag auf Feststellung der Versicherungszeiten sowie zum unstrittig feststehenden Versicherungsverlauf des Klägers in Österreich und war daher nicht geeignet, Bedenken an der Richtigkeit der Auskunft des jugoslawischen Versicherungsträgers zu erwecken. Die auch vom Berufungsgericht unterlassene (neuerliche) Einholung einer Auskunft des jugoslawischen Sozialversicherungsträgers begründet daher keine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens. Ausgehend von seinen unstrittig feststehenden Versicherungszeiten in Österreich und seinen vom Erstgericht aufgrund der Auskunft des jugoslawischen Versicherungsträgers festgestellten Versicherungszeiten im ehemaligen Jugoslawien hat der Kläger insgesamt höchstens 407 Versicherungsmonate bzw 378 Beitragsmonate der Pflichtversicherung erworben, sodass er die besonderen Anspruchsvoraussetzungen nach § 253b Abs 1 Z 2 lit a und b ASVG für die von ihm begehrte Pensionsleistung unzweifelhaft nicht erfüllt. Die außerordentliche Revision war daher mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

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