7Ob167/06v – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Elisabeth E*****, vertreten durch Mag. Hubert Traudtner, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Martin G*****, vertreten durch Dr. Alfred Steinbuch, Rechtsanwalt in Neunkirchen, und die Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei Livia C*****, vertreten durch Dr. Hans-Moritz Pott, Rechtsanwalt in Liezen, wegen Wiederaufnahme, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom 29. Juni 2005, GZ 18 R 92/05s-20, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Gloggnitz vom 26. Jänner 2005, GZ 3 C 1409/03p-14, bestätigt wurde, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Revisionsbeantwortung der Nebenintervenientin wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 499,44 (darin enthalten EUR 83,24 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 508a Abs 1 ZPO ist der Oberste Gerichtshof an den Ausspruch des Berufungsgerichtes über die Zulassung der Revision nicht gebunden. Entgegen diesem Ausspruch ist die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage unzulässig. Gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich die Zurückweisung eines solchen Rechtsmittels auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.
Das Berufungsgericht sprach zunächst aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Den nachträglich abgeänderten (§ 508 Abs 3 ZPO) Zulässigkeitsausspruch begründete es damit, dass die Berufungsentscheidung davon ausgegangen sei, die Frage, ob die Rechtsvorgänger [des Beklagten] von einer eintägigen Sperre [des Servitutsweges] hätten Kenntnis haben müssen, stelle eine bindend bereits im Urteil des Hauptverfahrens beantwortete Rechtsfrage dar. Auf die in der Berufung vertretene Rechtsansicht, lediglich die Änderung der Verhaltensweise des Ersitzungsgegners könne keinen Einfluss auf die bereits vorliegende Unredlichkeit des Ersitzenden haben, sei nicht eingegangen worden. Die Zulassungsbeschwerde führe nunmehr (unter Berufung auf Jelinek in Fasching/Konecny, IV/12 [2005] § 530 ZPO Rz 189) aus, dass diese Rechtsansicht des Berufungsgerichtes unzutreffend sei und der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes widerspreche. Richtig sei vielmehr, dass das Berufungsgericht im Wiederaufnahmeprozess bei der Beurteilung der konkreten Eignung des Wiederaufnahmegrundes, eine für den Wiederaufnahmewerber günstigere Entscheidung herbeizuführen, von der dem Urteil im Hauptverfahren zugrunde gelegten Rechtsansicht auszugehen habe, jedoch auf die Möglichkeit abweichender Beurteilung durch die höhere Instanz Bedacht nehmen müsse. Da dieser Umstand im berufungsgerichtlichen Erkenntnis unbeachtet geblieben sei, erscheine eine Abänderung des Zulassungsanspruches angebracht. Dabei wird übersehen, dass das betreffende Zitat lediglich die - in einem Vorprüfungsverfahren gemäß § 538 ZPO durchzuführende - Zulässigkeitsprüfung betrifft (ob die Wiederaufnahmeklage schlüssig ist), bei der die Eignung der neuen Tatsachen und Beweismittel, eine wesentliche Änderung des Beweisverfahrens herbeizuführen, in abstracto festzustellen ist. Nur in diesem Zusammenhang vertritt Jelinek (aaO § 530 ZPO Rz 189 Abs 1 aE) den Standpunkt, dass „dabei auf die Möglichkeit abweichender Beurteilung durch die höhere Instanz Bedacht genommen werden muss (Rsp 1935/174 [abl Pollak]". Hier geht es jedoch nicht um die Zurückweisung einer Wiederaufnahmeklage im Vorprüfungsverfahren, sondern um die im Aufhebungsverfahren durchzuführende Untersuchung der Beweismittel auf ihre konkrete Eignung, eine für den Wiederaufnahmewerber günstigere Entscheidung herbeizuführen, wobei auch dieser Eignungsprüfung im Aufhebungsverfahren die im Vorprozess vertretene Rechtsansicht zu Grunde zu legen ist (Jelinek aaO § 530 ZPO Rz 190). Der Zulassungsbegründung und den Ausführungen der Zulassungsbeschwerde ist somit zu erwidern, dass eine Bedachtnahme auf die „Möglichkeit einer abweichenden Beurteilung durch die höhere Instanz" hier gar nicht in Betracht kommt:
Die Wiederaufnahmeklage wird auf § 530 Abs 1 Z 7 ZPO, und zwar auf die Aussage eines neu aufgefundenen Zeugen, gestützt. Eine andere Beurteilung dieses Beweismittels, das die Tatsacheninstanzen im Aufhebungsverfahren dahin zu würdigen hatten, ob in der Nichtberücksichtigung der neuen Erkenntnisquelle ein Verstoß gegen die Forderung nach Richtigkeit und Vollständigkeit der Entscheidungsgrundlage liegt (Jelinek aaO), ist im Revisionsverfahren nämlich schon im Hinblick auf die Bindung des Obersten Gerichtshofes an die festgestellte Tatsachengrundlage und den Grundsatz der Unanfechtbarkeit der Beweiswürdigung ausgeschlossen. Mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision daher zurückzuweisen.
Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40, 41 und 50 ZPO. Der Beklagte hat in seiner Revisionsbeantwortung auf die dargestellte Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hingewiesen. Als verspätet zurückzuweisen war hingegen die Revisionsbeantwortung der Nebenintervenientin:
Im Fall eines Antrages nach § 508 Abs 1 ZPO, verbunden mit einer ordentlichen Revision, steht es dem Revisionsgegner frei, binnen vier Wochen ab der Zustellung der Mitteilung des Berufungsgerichtes, dass ihm die Beantwortung der Revision freigestellt werde, eine Revisionsbeantwortung zu überreichen (§ 507a Abs 2 Z 2 ZPO), welche gemäß § 507a Abs 3 Z 1 ZPO beim Berufungsgericht einzubringen ist. Der Nebenintervenientin wurde diese berufungsgerichtliche Mitteilung am 2. 6. 2006 zugestellt, die Rechtsmittelfrist endete somit am 30. 6. 2006. Die Revisionsbeantwortung wurde zwar am 29. 6. 2006 zur Post gegeben, jedoch an das Gericht erster Instanz adressiert und langte erst am 5. 7. 2006, sohin nach Ablauf der Rechtsmittelfrist - also verspätet - beim Berufungsgericht ein (RIS-Justiz RS0043678; RS0041608; RS0041584; zu allem: 10 Ob 109/01d).