1Ob184/06z – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P***** GesmbH Co KG, *****, vertreten durch Dr. Siegfried Holzer, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei W***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Dagmar Arnetzl und Dr. Maximilian Geiger, Rechtsanwälte in Graz, wegen EUR 18.778,03 sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 12. April 2006, GZ 4 R 35/06h-67, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 3. Jänner 2006, GZ 16 Cg 188/02f-63, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 1.000,98 (darin EUR 166,83 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Strittig ist allein eine von der Beklagten aus dem Titel des Schadenersatzes bis zur Höhe der Klageforderung (Kaufpreisanspruch) eingewandte Gegenforderung, die die Beklagte damit begründet hatte, dass die Klägerin durch Direktbelieferung eines arabischen Kunden eine Vereinbarung verletzt habe, mit der der Beklagten ein Alleinvertriebsrecht in dieser Region eingeräumt worden sei. Ihr seien dadurch Provisionen und Gewinne entgangen. Die Klägerin bestritt das Bestehen einer solchen Vereinbarung.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und erkannte die eingewandte Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend. Es stellte fest, dass zwischen den Streitteilen weder ein Gebietsschutz bzw ein Alleinvertriebsrecht noch ein „Exklusiv"-Recht für Lieferungen an die arabische Käuferin vereinbart worden seien. Da der Beklagten kein Alleinvertriebsrecht zugesagt worden sei, bestehe keine Basis für die eingewandte Gegenforderung.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte die ordentliche Revision letztlich für zulässig. Das Erstgericht habe zutreffend von der beantragten Zeugenvernehmung abgesehen, nachdem die Beklagte den ihr aufgetragenen Kostenvorschuss nicht erlegt hatte. Auch die Fortsetzung des Verfahrens ohne einen ausdrücklich darauf abzielenden Antrag der Klägerin stelle keinen Verfahrensmangel dar, weil auch eine formelle Entscheidung des Gerichts über die Fortsetzung der Verhandlung nicht anfechtbar gewesen wäre. Der vom Erstgericht festgestellte Sachverhalt reiche für eine abschließende rechtliche Beurteilung der Gegenforderung aus. Die in der Berufung begehrten zusätzlichen Feststellungen seien schon deshalb unbeachtlich, weil ein Schadenersatzanspruch jedenfalls ein Alleinvertriebsrecht der Beklagten voraussetzte, das vom Erstgericht jedoch bereits auf Tatsachenebene verneint worden sei. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zu den Fragen, ob das Erstgericht zu Recht von der Vernehmung der beantragten Zeugen Abstand genommen und die Verhandlung entgegen § 332 Abs 2 ZPO amtswegig fortgesetzt hat, aktuelle höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Beklagten erweist sich als unzulässig, weil darin die unrichtige Lösung einer im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfrage nicht aufgezeigt wird.
Die Vorwürfe, das Erstgericht habe in Verletzung der Verfahrensgesetze zwei von der Beklagten beantragte Zeugen wegen unterlassenen Erlags des aufgetragenen Kostenvorschusses nicht vernommen und darüber hinaus das Verfahren ohne diesbezüglichen Antrag des Prozessgegners amtswegig fortgesetzt, hat das Berufungsgericht verworfen und damit das Bestehen von Mängeln des Verfahrens erster Instanz verneint. Ein (vermeintlicher) Mangel des Verfahrens erster Instanz, der vom Berufungsgericht verneint wurde, kann jedoch in der Revision nicht neuerlich geltend gemacht werden (vgl nur RIS-Justiz RS0042963), zumal nach § 503 Z 2 ZPO nur Mängel des Berufungsverfahrens selbst als Revisionsgrund in Betracht kommen. Soweit die Revisionswerberin in der amtswegigen Fortsetzung des Verfahrens gar einen Nichtigkeitsgrund erblicken will und in diesem Zusammenhang (unzutreffend) auf § 405 ZPO verweist, ist ihr schon entgegenzuhalten, dass eine - hier gar nicht vorliegende - Verletzung des § 405 ZPO nach herrschender Rechtsprechung (nur) einen „einfachen" Verfahrensmangel darstellt (vgl nur die Judikaturnachweise bei Rechberger in Rechberger2 § 405 ZPO Rz 6). Da der Revisionswerberin auch keineswegs die Möglichkeit, vor Gericht zu verhandeln, durch ungesetzlichen Vorgang entzogen wurde, kommt auch der Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 4 ZPO nicht in Betracht. Im Rahmen der Rechtsrüge geht die Revisionswerberin entgegen den Feststellungen der Vorinstanzen davon aus, die Klägerin hätte der Beklagten „auch Exklusivrechte zugebilligt bzw zubilligen müssen". Insofern ist die Revision daher nicht gesetzmäßig ausgeführt. Warum es - unter Berücksichtigung der klaren Feststellungen über das Nichtbestehen derartiger „Exklusivrechte" - von Bedeutung sein sollte, ob die Beklagte für einen gewissen Zeitraum die arabische Käuferin ausschließlich beliefert hat und ob die Klägerin die Rechnungen der Beklagten allenfalls „unbeanstandet übernommen" hat, ist nicht erkennbar.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50 Abs 1, 41 Abs 1 ZPO. Die Klägerin hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen, sodass sich ihr Schriftsatz als zweckentsprechende Rechtsverfolgungsmaßnahme darstellt, für die Kostenersatz gebührt.