6Ob125/06k – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Doz. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Peter K*****, vertreten durch Friedl Holler Rechtsanwalt-Partnerschaft in Gamlitz, gegen die beklagten Parteien 1. Franz M*****, vertreten durch Dr. Mario Sollhart, Rechtsanwalt in Graz, und 2. Georg B*****, vertreten durch Dr. Peter Wasserbauer ua Rechtsanwälte in Weiz, wegen 13.401,18 EUR sA, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz vom 9. März 2006, GZ 4 R 15/06t-39, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 29. November 2005, GZ 18 Cg 215/04v-29, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Rekurs wird zurückgewiesen.
Der Antrag der erstbeklagten Partei auf Zuspruch der Kosten der Rekursbeantwortung wird abgewiesen.
Text
Begründung:
Der Kläger nahm zunächst beide im Firmenbuch eingetragene Geschäftsführer einer mittlerweile gelöschten GmbH für Forderungen gegen die GmbH in Anspruch. Sie hätten es verabsäumt, bei Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft einen Konkursantrag nach § 69 KO zu stellen und dadurch Gläubigerinteressen grob fahrlässig beeinträchtigt.
Das Erstgericht verpflichtete den erstbeklagten Geschäftsführer zur Zahlung, das Klagebegehren gegen den zweitbeklagten Geschäftsführer wies es ab, weil dieser zufolge seines Ausscheidens aus der GmbH im Jahr 2002 nicht (mehr) zur Konkursantragstellung verpflichtet gewesen sei.
Das Erstgericht stellte fest, dass die GmbH den bis Jänner 2003 offenen Saldo abgedeckt, danach aber - mit Ausnahme von Zahlungen im August, September, November und Dezember 2003 von insgesamt 2.300 EUR - keine Zahlungen mehr geleistet habe. Der Kläger habe noch bis 24. 6. 2003 Weinlieferungen an die GmbH vorgenommen. Ob die GmbH im Laufe des Jahres 2003 tatsächlich zahlungsunfähig wurde oder der erstbeklagte Geschäftsführer die Rechnungen bloß nicht mehr bezahlte, konnte das Erstgericht nicht feststellen. Den Antrag des Klägers, ein Sachverständigengutachten zu diesem Thema einzuholen, wies das Erstgericht ab. Es stellte noch fest, der Erstbeklagte sei zu 21 Hv 47/04b des Landesgerichts Graz wegen schweren Betrugs (Vortäuschung der Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit der GmbH bzw seiner Person gegenüber den Gläubigern Druckhaus Thalerhof und der Weinlieferantin Koleric) verurteilt worden.
Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, dass der Erstbeklagte zur Stellung eines Konkursantrags verpflichtet gewesen wäre. Es komme nicht darauf an, ob die GmbH im Laufe des Jahres 2003 tatsächlich zahlungsunfähig gewesen sei oder der Erstbeklagte sich auch gegenüber dem Kläger dolos verhalten habe. Dass er die Geschäftsbeziehung zum Kläger aufrechterhalten habe bedeute eine Verletzung der Aufklärungspflicht, weil die Zahlungsunfähigkeit der GmbH für ihn evident gewesen sei.
Das Berufungsgericht hob das von der klagenden Partei und von der erstbeklagten Partei angefochtene Urteil auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Die Rechtssache sei noch nicht zur Entscheidung reif. Es stehe nämlich nicht fest, ob und gegebenenfalls zu welchem Zeitpunkt die GmbH zahlungsunfähig bzw überschuldet gewesen sei. Für die Zeit vor Konkursreife bestehe keine Verpflichtung des Geschäftsführers zur Anmeldung des Konkurses und dementsprechend auch keine Haftung für die Unterlassung des Konkursantrags. Auch für die Annahme einer Aufklärungspflichtverletzung bedürfe es klarer Feststellungen darüber, ob und zu welchem Zeitpunkt sich die Gesellschaft in einem Zustand befunden habe, sodass der Konkursantrag hätte gestellt werden müssen oder ob und wann damit zu rechnen gewesen wäre, dass die GmbH bei Fälligkeit der Forderungen zahlungsunfähig werden könnte und welche konkreten Gründe die Beklagten dem Kläger gegenüber für die schleppenden Zahlungen der GmbH angeführt hätten. Erst danach könne beurteilt werden, ob die Geschäftsführer ihre Aufklärungspflichten dem Kläger gegenüber verletzt hätten.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage der Haftung eines zurückgetretenen, im Firmenbuch jedoch nicht gelöschten Geschäftsführers einer GmbH gegenüber Gläubigern der GmbH wegen Nichtanmeldung des Konkurses vor seinem Rücktritt fehle.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs des Klägers gegen den Aufhebungsbeschluss ist entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden - Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig:
1. Im Verfahren zwischen Kläger und zweitbeklagtem Geschäftsführer trat nach der Entscheidung des Berufungsgerichts (ewiges) Ruhen des Verfahrens ein. Die vom Berufungsgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage ist somit nicht mehr entscheidend.
2. Zur Haftung des Geschäftsführers einer GmbH (hier des Erstbeklagten) wegen Konkursverschleppung (§ 69 KO) hat der Oberste Gerichtshof schon wiederholt Stellung genommen (RIS-Justiz RS0027441). Voraussetzung für die Pflicht des Geschäftsführers, Konkurseröffnung zu beantragen, ist die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Gesellschaft (Koppensteiner GmbH² § 25 Rz 34 ff mwN). Ob diese vom Kläger zu beweisenden Voraussetzungen vorliegen, hat das Erstgericht mangels Ausschöpfung der im Verfahren beantragten Beweismittel nicht festgestellt. Die Auffassung des Berufungsgerichts, eine Verfahrensergänzung sei insoweit erforderlich, ist nicht zu beanstanden.
Ob der vom Erstgericht festgestellte Sachverhalt für die Annahme ausreicht, der Erstbeklagte habe dem Kläger die Zahlungsfähigkeit und -willigkeit wider besseres Wissen vorgetäuscht, ist eine Frage der durch den Obersten Gerichtshof nicht überprüfbaren Beweiswürdigung. Die strafgerichtliche Verurteilung des Erstbeklagten wegen Betruges betraf die Schädigung anderer Gläubiger. Sie hat auf die hier zu beurteilende Frage, ob der Erstbeklagte mangels Antrags auf Konkurseröffnung ein Schutzgesetz zugunsten des Klägers verletzt hat oder auch dem Kläger gegenüber Aufklärungspflichten verletzt hat, keinen Einfluss. Der Erstbeklagte wurde damals wegen Vergehens des schweren Betruges, begangen an zwei vom Kläger verschiedenen Gläubigern, verurteilt. Die Bindungswirkung dieser Verurteilung erstreckt sich nicht auf die Frage, ob er (auch) den Kläger durch vorsätzliche Täuschung über die Zahlungsfähigkeit und -willigkeit der Gesellschaft in Bereicherungsabsicht geschädigt hat. Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Rechtssache sei noch nicht entscheidungsreif, ist daher nicht zu beanstanden.
Mangels Vorliegens erheblicher Rechtsfragen musste das Rechtsmittel des Klägers zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO. Der Erstbeklagte hat auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels nicht hingewiesen, sodass seine Rekursbeantwortung der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung nicht dienlich sein konnte.