JudikaturOGH

5Ob183/06g – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. August 2006

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Kalivoda, Dr. Höllwerth und Dr. Grohmann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Regina Herta P*****, vertreten durch Dr. Karin Wintersberger, Rechtsanwältin in Salzburg, diese vertreten durch Dr. Thomas Wagner, Rechtsanwalt in Mattighofen, gegen die beklagte Partei Norbert P***** vertreten durch Dr. Sylvia Bleierer und Dr. Johannes Wiener, Rechtsanwälte in Mattighofen, wegen Unterhalt, infolge „außerordentlicher Revision" der Klägerin gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 13. April 2006, GZ 21 R 104/06z-71, womit das Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 30. April 2005, GZ 2 C 98/92t-59, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die dem Obersten Gerichtshof mit Vorlagebericht vom 19. Juli 2006 vorgelegten Akten werden dem Bezirksgericht Salzburg zur gesetzmäßigen Behandlung zurückgestellt.

Text

Begründung:

Das Erstgericht hat das Begehren der Klägerin, den Beklagten - zusätzlich zu erbrachten Zahlungen - zur Leistungen weiteren rückständigen und laufenden Unterhalts zu verpflichten, zur Gänze abgewiesen. Das abgewiesene Begehren umfasste folgende - zusätzlich zum bereits titulierten Unterhalt angesprochene - Euro-Beträge:

Rückstand für die Zeit von

07/02 bis 12/02 mtl 409,28

07/02 bis 12/02 insgesamt 2.455,68

01/03 bis 12/03 mtl 427,63

01/03 bis 12/03 insgesamt (mit Rechenfehler:)

5.123,76

01/04 bis 06/04 mtl 463,18

01/04 bis 06/04 insgesamt 2.779,08

07/04 591,81

08/04 bis 01/05 mtl 656,14 3.936,84

02/05 bis 04/05 mtl 437,15

02/05 bis 04/05 insgesamt 1.311,45

Rückstand insgesamt 16.198,62

laufender Unterhalt ab 05/05

(zusätzlich) mtl 437,15

Die Klägerin bekämpfte das Urteil des Erstgerichts in vollem Umfang.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge und sprach aus, die ordentliche Revision sei nicht zulässig. Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die „außerordentliche Revision" der Klägerin mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der Klagsstattgebung; hilfsweise stellt die Klägerin auch einen Aufhebungsantrag. Das Erstgericht legte die „außerordentliche Revision" dem Obersten Gerichtshof direkt vor.

Rechtliche Beurteilung

Die Vorgangsweise des Erstgerichts widerspricht der auf der Erweiterten Wertgrenzen-Novelle 1997 BGBl I 1997/140 beruhenden und seit 1. 1. 1998 geltenden Rechtslage, weil der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat (Entscheidungsgegenstand), 20.000 Euro nicht übersteigt:

1. Die Klägerin macht Ansprüche auf gesetzlichen Unterhalt geltend, weshalb der Entscheidungsgegenstand nach der Berechnungsregel des § 58 Abs 1 JN zu bemessen ist und es deshalb auch keines Bewertungsausspruches des Gerichts zweiter Instanz bedarf (vgl RIS-Justiz RS0042366 [T1 und 5]).

2. Der Anspruch auf Bezahlung des laufenden Unterhaltes ist nach § 58 Abs 1 JN mit dem Dreifachen der Jahresleistung zu bewerten (RIS-Justiz RS0103147 [T2]; vgl auch RS0042366 [T4]). Wird - wie hier - eine Erhöhung eines Unterhaltsbetrags begehrt, so bildet den Streitwert nicht der Gesamtbetrag, sondern nur der dreifache Jahresbetrag der begehrten Erhöhung (RIS-Justiz RS0046543 [T1]).

3. Grundsätzlich sind bereits fällig gewordene Ansprüche nicht zusätzlich neben dem dreifachen Jahresbetrag zu berücksichtigen (RIS-Justiz RS0042366 [T7]; RS0046543 [T2]; RS0103147 [T6]). Zusätzlich begehrte, bereits fällige Beträge können allerdings dann zu einer Erhöhung der Bewertung nach dem dreifachen Jahresbetrag im Sinn des § 58 JN führen, wenn der Durchschnitt dreier Jahre bereits fälligen Unterhalts höher ist als das Dreifache der Jahresleistung des laufenden (zusätzlichen) Unterhalts (2 Ob 76/99m; 5 Ob 309/04h).

4. Das Erstgericht hat das Begehren der Klägerin auf Leistung eines laufenden (zusätzlichen) Unterhaltsbeitrags von monatlich 437,15 Euro abgewiesen; daraus folgt ein dreifacher Jahresbetrag von (nur) 15.737,40 Euro. Aber auch das vom Erstgericht abgewiesene Begehren auf rückständigen Unterhalt übersteigt im Durchschnitt dreier Jahre (zur Durchschnittsbildung vgl auch Gitschthaler in Fasching² § 58 JN Rz 4) für keinen in Frage kommenden, von der Klage erfassten Zeitraum den Betrag von 20.000 Euro. Das Berufungsgericht hat daher hier über keinen 20.000 Euro übersteigenden Streitgegenstand entschieden.

5. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist hier nicht § 502 Abs 5 Z 1 ZPO, welcher nicht auf § 49 Abs 2 Z 2 JN verweist, sondern § 502 Abs 4 ZPO maßgeblich. Demnach ist in den im § 508 Abs 1 ZPO (idF WGN 1997) angeführten familienrechtlichen Streitigkeiten nach § 49 Abs 2 Z 2 JN, zu denen auch das Begehren auf Erhöhung eines mit gerichtlichem Vergleich festgelegten, laufenden Unterhalts gehört (vgl 2 Ob 193/05d), in denen der Entscheidungsgegenstand - wie hier - insgesamt 20.000 Euro nicht übersteigt und in denen das Gericht zweiter Instanz ausgesprochen hat, dass ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig sei, auch ein außerordentliches Rechtsmittel nicht zulässig (§§ 502 Abs 3, 505 Abs 4 ZPO). Gemäß § 508 Abs 1 ZPO kann in einem solchen Fall eine Partei einen Antrag an das Berufungsgericht stellen, seinen Ausspruch dahin abzuändern, dass das ordentliche Rechtsmittel für zulässig erklärt werde. Mit demselben Schriftsatz ist das ordentliche Rechtsmittel auszuführen. Dieser Antrag, verbunden mit dem ordentlichen Rechtsmittel ist beim Prozessgericht erster Instanz einzubringen und gemäß § 508 Abs 3 und 4 ZPO vom Berufungsgericht zu behandeln. Dies gilt auch dann, wenn die Revision fälschlicherweise als „außerordentliche" bezeichnet wird (7 Ob 201/04s; 7 Ob 304/03m).

6. Hier hat die Klägerin ihr Rechtsmittel (per Fax) rechtzeitig beim Erstgericht eingebracht und darin auch ausgeführt, warum sie die Revision entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts für zulässig erachtet. Der Revision fehlt allerdings die ausdrückliche Erklärung, dass der Antrag auf Abänderung des Zulässigkeitsausspruches durch das Berufungsgericht (§ 508 Abs 1 ZPO) gestellt werde. Nach der dargestellten Rechtslage war dieser Rechtsmittelschriftsatz jedenfalls nicht direkt dem Obersten Gerichtshof vorzulegen, darf dieser doch über das Rechtsmittel nur und erst entscheiden, wenn das Gericht zweiter Instanz gemäß § 508 Abs 3 ZPO ausgesprochen hat, dass ein ordentliches Rechtsmittel doch zulässig sei (RIS-Justiz RS0109501 [T4]). Im Streitwertbereich des § 508 Abs 1 ZPO sind Rechtsmittel gegen Entscheidungen, gegen die nach dem Ausspruch gemäß § 500 Abs 1 Z 3 ZPO die ordentliche Revision nicht zulässig ist, nur dem Gericht zweiter Instanz vorzulegen. Ist das Erstgericht der Meinung, einer solchen Vorgangsweise stehe das Fehlen des ausdrücklichen Antrags entgegen, das Berufungsgericht möge seinen Zulässigkeitsausspruch abändern, und es genüge die im Rechtsmittel enthaltene Zulassungsbeschwerde deshalb nicht, weil diese nicht an das Berufungsgericht gerichtet sei, dann wird es einen mit Fristsetzung verbundenen Verbesserungsauftrag zu erteilen haben. Fehlt nämlich einem fristgebundenen Schriftsatz ein Inhaltserfordernis des § 84 Abs 3 ZPO, dann ist ein Verbesserungsverfahren einzuleiten (RIS-Justiz RS0109501).

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