1Ob126/06w – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Stadt W*****, vertreten durch Mag. DI Markus Petrowsky, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei S***** AG, *****, vertreten durch Dr. Angelika Truntschnig, Rechtsanwältin in Wien, wegen EUR 200.000 sA, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 18. April 2006, GZ 3 R 133/05h-26, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Auch wenn die Verjährungsfrist für Schadenersatzansprüche gemäß § 1489 ABGB grundsätzlich erst mit Kenntnis des Geschädigten von Schaden und Schädiger - sowie der Schadensursache bzw des Schadensverlaufs - beginnt, entspricht es doch herrschender Judikatur, dass sich der Geschädigte nicht einfach passiv verhalten und es darauf ankommen lassen darf, dass er von den maßgeblichen Tatsachen eines Tages zufällig Kenntnis erhält (RIS-Justiz RS0065360). Kann der Geschädigte die für die erfolgversprechende Anspruchsverfolgung notwendigen Voraussetzungen ohne nennenswerte Mühe in Erfahrung bringen, gilt die Kenntnisnahme schon als in dem Zeitpunkt erlangt, in welchem sie ihm bei angemessener Erkundigung zuteil geworden wäre, wobei auf die Umstände des konkreten Falls abzustellen ist (RIS-Justiz RS0034327). Gegebenenfalls ist auch die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu verlangen (8 Ob 285/00w; 5 Ob 182/02d; 10 Ob 22/03p ua), insbesondere wenn davon die Beweisbarkeit anspruchsbegründender Tatsachen zu erwarten ist, die anders nicht ermittelt werden können.
Das Berufungsgericht ist bei seiner Entscheidung von den dargelegten Grundsätzen zum Beginn der Verjährungsfrist im Rahmen seiner auf einen konkreten Einzelfall bezogenen Entscheidung nicht abgewichen. Eine grobe Fehlbeurteilung, die vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit oder der Einzelfallgerechtigkeit korrigiert werden müsste, liegt nicht vor.
2. Die Revisionswerberin gesteht zu, dass sich ein Geschädigter nicht rein passiv verhalten darf, sondern gehalten ist, gegebenenfalls sachverständigen Rat einzuholen. Dies habe sie „schließlich" auch gemacht, wobei ihr eine Überlegungs- und Vorbereitungszeit zuzubilligen sei. Auch für die Gutachtenserstattung sei ein längerer Zeitraum (etwa sechs Monate) zu veranschlagen.
Damit vermag die Revisionswerberin jedoch eine bedenkliche Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts nicht aufzuzeigen, das eingehend dargelegt hat, aus welchen Gründen die Vertreter der Klägerin spätestens im August 2000 von einem (der Beklagten anzulastenden) Konstruktions- oder Ausführungsfehler hätten ausgehen müssen. Das Revisionsargument, die Klägerin hätte keinesfalls bereits im August 2000 ein „entsprechendes" Gutachten erhalten, wenn sie unverzüglich bei der Befundaufnahme einen (internen oder externen) Sachverständigen beigezogen hätte, geht schon deshalb ins Leere, weil die Klage erst am 23. 3. 2004 erhoben wurde. Maßgeblich ist daher, ob die Klägerin - auch wenn an ihre Erkundigungsobliegenheit keine strengen Anforderungen gestellt werden - bei zweckmäßigem Vorgehen spätestens am 22. 3. 2001 über die Schadensursache informiert gewesen wäre. Auf die Kenntnis des Schadensausmaßes kommt es entgegen der Auffassung der Revisionswerberin nicht an; bereits das Berufungsgericht hat auf die Möglichkeit einer Feststellungsklage zur Unterbrechung der Verjährung hingewiesen.
Nach den Feststellungen der Vorinstanzen gab es schon vor der Besichtigung am 28. 8. 2000 ständig Wassereintritte in die Wintergärten, deren negative Auswirkungen immer größer wurden, nachdem mehrere Sanierungsversuche keine dauerhafte Verbesserung gebracht hatten. Wenn das Berufungsgericht die Auffassung vertreten hat, die Vertreter der Klägerin hätten spätestens im Sommer des Jahres 2000 unter Beiziehung eines Fachmanns der zuständigen Magistratsabteilung Kenntnis darüber erlangen können, dass Ausführungsmängel vorlagen, die nur durch eine grundlegende Verbesserung der Konstruktion behoben werden könnten, kann darin eine bedenkliche Fehlbeurteilung in keiner Weise erblickt werden. Dass diese Magistratsabteilung erst im November 2000 beigezogen und trotz einer Besichtigung im Jänner 2001 erst Ende September 2001 eine schriftliche Stellungnahme abgegeben hat, stellt eine Nachlässigkeit in der Sphäre der Klägerin dar, die nicht zu einer Verlängerung der Verjährungsfrist führen kann. Die Klägerin behauptet auch nicht, dass die Fachleute der genannten Magistratsabteilung nicht in der Lage gewesen wären, unverzüglich im Anschluss an eine eingehende Untersuchung Auskunft über das Vorliegen von Konstruktions- bzw Verarbeitungsfehlern zu geben bzw dass nach der am 26. 1. 2001 erfolgten Untersuchung noch weitere Überprüfungen erfolgt bzw zur Ermittlung der Schadensursache erforderlich gewesen wären. Die Ansicht des Berufungsgerichts, bei unverzüglicher und korrekter Vorgangsweise nach der Besichtigung im August 2000 hätte die Klägerin erheblich früher als drei Jahre vor der Klageeinbringung Kenntnis von den Schadensursachen erlangt, begegnet somit keinen Bedenken. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).