JudikaturOGH

4Nc17/06x – OGH Entscheidung

Entscheidung
06. Juni 2006

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers Rudolf G*****, vertreten durch Mag. Stefan Benesch, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Antragsgegner Günter S*****, wegen 1.817,07 EUR sA, über den Ordinationsantrag des Antragstellers den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Antrag, der Oberste Gerichtshof möge für die Rechtssache gemäß § 28 Abs 1 Z 1 JN ein örtlich zuständiges Gericht bestimmen, wird abgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Der Antragsteller (mit Wohnsitz in Österreich) brachte vor, beim Antragsgegner (mit Sitz in Deutschland) ein Kraftfahrzeug erworben zu haben. Nach Einfuhr des Fahrzeuges nach Österreich habe sich herausgestellt, dass das Fahrzeug - entgegen einer Zusage des Verkäufers bei Übergabe - nicht verkehrssicher gewesen sei. Der Antragsteller beabsichtige, Gewährleistungsansprüche in Höhe des Verbesserungsaufwands gerichtlich geltend zu machen. Es handle sich um eine Verbrauchersache, bei der die Klage gemäß Art 16 Abs 1 EuGVVO entweder vor den Gerichten des Vertragsstaats, in dem der Vertragspartner seinen Wohnsitz habe, oder vor den Gerichten des Vertragsstaats, in dem der Verbraucher seinen Wohnsitz habe, erhoben werden könne. Art 16 EuGVVO enthalte keine örtlichen Zuständigkeitsregeln, weshalb der Oberste Gerichtshof gem § 28 Abs 1 Z 1 JN ein örtlich zuständiges Gericht zu bestimmen habe. Der Ordinationsantrag vom 1. 6. 2006 ist nicht berechtigt. Gemäß § 28 JN hat der Oberste Gerichtshof ein örtlich zuständiges Gericht zu bestimmen, wenn für eine bürgerliche Rechtssache die Voraussetzungen für die örtliche Zuständigkeit eines inländischen Gerichtes im Sinne der ZPO oder einer anderen Rechtsvorschrift nicht gegeben oder nicht zu ermitteln sind, vorausgesetzt, dass Österreich aufgrund eines völkerrechtlichen Vertrages zur Ausübung von Gerichtsbarkeit verpflichtet, oder die Rechtsverfolgung im Ausland nicht möglich oder unzumutbar wäre. Die Bestimmung der Zuständigkeit durch den Obersten Gerichtshof setzt daher unter anderem voraus, dass die inländische Gerichtsbarkeit (internationale Zuständigkeit) gegeben, ein österreichisches Gericht jedoch nicht örtlich zuständig ist (4 Nd 513/96 = SZ 69/227). Ob ein Gerichtsstand im Inland fehlt, hat der ordinierende Oberste Gerichtshof - in sinngemäßer Anwendung des § 41 Abs 1 JN - von Amts wegen zu prüfen, wobei diese Prüfung - in sinngemäßer Anwendung des § 41 Abs 2 JN - auf Grund der Angaben des Antragstellers bzw auf Grund der Aktenlage erfolgt (Matscher in Fasching² I § 28 JN Rz 11 mwN).

Am 1. 3. 2002 trat die Verordnung (EG) Nr 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Brüssel I-Verordnung, EuGVVO) in Kraft. Sie ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt gemäß dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft unmittelbar in den Mitgliedstaaten (Art 76 EuGVVO). Die Vorschriften dieser Verordnung sind auf solche Klagen anzuwenden, die erhoben worden sind, nachdem diese Verordnung in Kraft getreten ist (Art 66 Abs 1 EuGVVO).

Die Verordnung enthält in ihren Art 15 - 17 Zuständigkeitsbestimmungen für bestimmte Verbrauchergeschäfte, wobei der Schutz des „passiven" Verbrauchers, dessen Vertragspartner im Wohnsitzstaat des Verbrauchers eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt oder auf diesen Staat ausrichtet, weiter reicht als der des „aktiven" Verbrauchers, der ins Ausland fährt und dort rechtsgeschäftlich tätig wird (Tiefenthaler in Czernich/Tiefenthaler/G. Kodek, Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht² Art 15 Rz 1). Art 15 EuGVVO engt den Anwendungsbereich der Sonderregelung für Verbrauchersachen auf drei Typen von Verbrauchergeschäften ein, nämlich auf Abzahlungsgeschäfte (lit a), den drittfinanzierten Kauf (lit b) und das Tätigwerden des Unternehmers im bzw die Ausrichtung seiner Tätigkeit auf den Wohnsitzstaat des Verbrauchers (lit c). Für alle anderen Verbrauchersachen bleibt es bei den allgemeinen Vorschriften der Art 2 ff bzw Art 23 EuGVVO (Tiefenthaler aaO Rz 4).

Ausgehend vom Vorbringen im Ordinationsantrag und dem gleichzeitig vorgelegten Entwurf einer Klage liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung eine Verbrauchersache im Sinne der Art 15 ff EuGVVO betrifft. Insbesondere wurde nicht behauptet, dass der in Deutschland abgeschlossene Kaufvertrag ein Abzahlungsgeschäft oder ein drittfinanzierter Kauf sei. Auch ist nicht zu erkennen, dass der Verkäufer in Österreich tätig geworden wäre oder grenzüberschreitende absatzfördernde Handlungen gesetzt hätte (vgl die bei Tiefenthaler aaO Rz 24 angeführten Beispiele). Liegt demnach kein Verbrauchergeschäft iSd Art 15 EuGVVO vor, kann sich der Antragsteller auch nicht auf den Wahlgerichtsstand nach Art 16 EuGVVO berufen.

Der Antragsteller übersieht darüber hinaus, dass sich im Zusammenhang mit den Änderungen der verbraucherrechtlichen Vorschriften durch die Brüssel I-Verordnung die Rechtslage gegenüber dem zuvor geltenden Art 14 Abs 1 EuGVÜ/LGVÜ insoweit geändert hat, als nunmehr Art 16 Abs 1 EuGVVO durch den Verweis auf „das Gericht des Ortes, an dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat", auch die örtliche Zuständigkeit regelt (9 Nd 502/02 = AnwBl 2002/7828 [zust Mayr] ua; RIS-Justiz RS0106680, RS0108686 [T10]). Auch aus diesem Grund besteht kein Anlass für eine Ordination (Matscher in Fasching I³ § 28 JN Rz 12 mwN).

Der unbegründete Ordinationsantrag ist daher abzuweisen.

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