1Ob103/06p – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Adolf L*****, vertreten durch Dr. Dietrich Clementschitsch, Dr. Wolfgang Flucher, Dr. Reinhard Köffler und Dr. Günther Clementschitsch, Rechtsanwälte in Villach, gegen die beklagte Partei Ing. Marko G*****, vertreten durch MMag. Dr. Michael Michor und Mag. Walter Dorn, Rechtsanwälte in Villach, wegen Unterlassung (Streitwert EUR 5.800), infolge ordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 23. Februar 2006, GZ 2 R 32/06t-38, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Villach vom 17. Oktober 2005, GZ 18 C 816/03z-33, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 499,40 (darin EUR 83,24 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Der Kläger begehrte, den Beklagten schuldig zu erkennen, das Befahren eines Weges auf dem Grundstück des Klägers zu unterlassen, soweit das Befahren über die Zwecke einer landwirtschaftlichen Nutzung eines bestimmten Grundstücks des Beklagten hinausgeht. Der Beklagte benütze den Weg als Zu- und Abfahrt zu einem neu errichteten Einfamilienhaus, worin eine unzulässige Erweiterung des (nur landwirtschaftlichen Zwecken dienenden) Wegerechts zu erblicken sei. Es bestehe weder eine öffentliche Wegedienstbarkeit, noch sei es zu einer stillschweigenden Vereinbarung über eine Ausweitung der Servitut gekommen. Anlässlich der Bauverhandlung habe der Kläger seine Zustimmung zur (weitergehenden) Benützung des Wegs vom Abschluss eines schriftlichen Servitutsvertrags abhängig gemacht.
Der Beklagte wandte dagegen im Wesentlichen ein, der Weg sei von Gemeindebürgern und Touristen seit jeher mit allen Fahrzeugen befahren worden, um zum Bahnhof und zum Friedhof zu gelangen, weshalb eine Öffentlichkeitsersitzung stattgefunden habe. Der Kläger habe bei der Bauverhandlung ausdrücklich seine Zustimmung zur uneingeschränkten Benützung des Wegs erteilt. Er habe jedenfalls seit diesem Zeitpunkt die Dienstbarkeit stillschweigend genehmigt, weil er durch sieben Jahre die Ausübung bewusst geduldet habe. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und ging dabei zusammengefasst von folgendem Sachverhalt aus: Der Weg über das Grundstück des Klägers wurde von der Gemeinde vor dem Jahr 1970 asphaltiert und in weiterer Folge erhalten und gereinigt bzw vom Schnee geräumt, wobei die Gemeinde in den letzten vier Jahren für die Schneeräumung Entgelt verrechnete. Um das Jahr 1980 herum wurde der Weg gelegentlich als Zufahrt für Lieferanten und Besucher eines jährlich stattfindenden Zeltfestes benutzt, selten auch für den Transport eines Langlaufloipenspurgeräts. Von der Allgemeinheit wurde der Weg mit Pkw nicht befahren, wohl aber von den unmittelbaren Anrainern benutzt. Ein im Jahr 1997 von den Anliegern - auch von den Streitteilen - gestellter Antrag an die Gemeinde um Übernahme des Straßenbereichs ins öffentliche Gut wurde letztlich wegen fehlenden öffentlichen Interesses nicht positiv erledigt, weil der im Anschluss an den gegenständlichen Weg befindliche öffentliche Weg praktisch als Sackgasse ende.
Anlässlich der Verhandlung über das Bauansuchen des Beklagten am 29. 8. 1996 wurde von der Behörde festgehalten, dass die wegmäßige Erschließung über den strittigen Weg erfolge. In der Verhandlungsniederschrift wurde protokolliert, dass der Kläger für die Erschließung des Grundstücks des Bauwerbers seine Zustimmung erteile und ein entsprechender Servitutsvertrag abgeschlossen werde. Diese Zusage war die Grundlage für die positive Erledigung des Bauansuchens. Ein Servitutsvertrag wurde jedoch nie abgeschlossen. Seit dem Baubeginn im Jahre 1996 fährt der Beklagte über den strittigen Weg mit seinem Pkw zu seinem Haus; teilweise benützte er auch die Wegverbindung über die benachbarte Liegenschaft seines Vaters bzw nun seines Bruders. Im Zusammenhang mit Baumaßnahmen des Bruders des Beklagten im Jahr 2001 erklärte der Kläger sein Einverständnis damit, dass auch ein Stück des Weges auf seinem Grund befestigt werde. Vor Einbringung der Klage sprach der Kläger den Beklagten auf die seiner Meinung nach unzulässige Benutzung des Weges an, worauf dieser sinngemäß antwortete, er werde den Weg weiter benutzen, da er dazu berechtigt sei. Vorher hat der Kläger den Beklagten nie zur Unterlassung der Benutzung des Weges aufgefordert. Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt dahin, dass die Ersitzung eines Rechts, den Weg mit Pkw zu befahren, durch die Gemeinde nicht erfolgt sei, zumal eine derartige Benützung durch die Allgemeinheit während der Ersitzungszeit nicht stattgefunden habe. Allenfalls könnte eine Öffentlichkeitsersitzung im Sinne eines Gehrechtes oder eines Fahrrechtes mit Fahrrädern oder Mopeds erfolgt sein. In der Bauverhandlung habe der Kläger die Zustimmung vorbehaltlich dessen erteilt, dass es in weiterer Folge zum Abschluss eines entsprechenden Servitutsvertrags kommt. Wenngleich ein Vorbehalt in diese Richtung wörtlich aus dem Protokoll nicht hervorgehe, sei doch der wahre Parteienwille ausschlaggebend. Eine ausdrückliche Willensübereinstimmung hinsichtlich des Abschlusses eines Servitutsvertrags sei nicht erfolgt, wie auch eine Punktation oder ein Vorvertrag nicht zustande gekommen seien. Eine stillschweigende Genehmigung liege schon deshalb nicht vor, weil an einen konkludenten Vertragsabschluss im Fall der Erwerbung einer Dienstbarkeit ein strenger Maßstab anzulegen sei. Vor allem seien neben der Unterlassung der Geltendmachung des Eigentumsrechts auch positive Handlungen zu verlangen, die jeden vernünftigen Zweifel daran ausschließen, dass es zu einer Servitutsbestellung gekommen sei. Die bloße Duldung einer Benützung über mehrere Jahre sei nicht als konkludente Dienstbarkeitsbestellung zu verstehen. Ebenso wenig könne aus dem auch vom Kläger unterschriebenen Antrag auf Übernahme des Wegs ins öffentliche Gut ein konkludenter Vertragsabschluss erblickt werden.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung in der Hauptsache und erklärte die ordentliche Revision für zulässig. Die vom Beklagten für maßgeblich angesehene Erklärung des Klägers sei im Rahmen einer Bauverhandlung abgegeben worden, deren Gegenstand das Bauansuchen des Beklagten gewesen sei. Aus einer Zustimmung zur Erschließung des Grundstücks des Bauwerbers im öffentlich-rechtlichen Verfahren lasse sich eine entsprechende privatrechtliche Willenserklärung, die auf die Einräumung eines dauerhaften dinglichen (oder allenfalls obligatorischen) Rechts einer (uneingeschränkten) Wegedienstbarkeit gerichtet gewesen sei, nicht ableiten. Auch aus dem Satz „Ein Servitutsvertrag wird abgeschlossen" ergebe sich nicht, was genau der Inhalt dieses Vertrags sein sollte, ob dieser unentgeltlich oder - gegebenenfalls in welcher Form - entgeltlich sein sollte. Ohne eine Einigung über die essentialia eines Servitutsvertrags könne aber nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger im Zuge der damaligen Bauverhandlung eine Verpflichtung durch Einräumung eines unbeschränkten Fahrrechts an den Beklagten begründen habe wollen. Auch dieser habe nicht davon ausgehen können, im Zuge der Bauverhandlung ein unbeschränktes Wegerecht erworben zu haben. Durch das bloße Dulden einer Wegbenützung komme es grundsätzlich nicht zur konkludenten Einräumung einer Wegeservitut, und zwar auch nicht, wenn die Benützung sieben Jahre lang dauert. Tendenziell gegen die konkludente Einräumung einer weitergehenden Servitut spreche auch das in § 485 ABGB verankerte Verbot ihrer Erweiterung. Der auch vom Kläger unterfertigte Antrag auf Übernahme der Weganlage in das öffentliche Gut stelle schon deshalb keine konkludente Dienstbarkeitseinräumung dar, weil dadurch keine an den Beklagten gerichtete privatrechtliche Willenserklärung abgegeben werden sollte. An eine Übernahme in das öffentliche Gut wären auch ganz andere Folgen für die Beteiligten geknüpft als an die Einräumung einer Wegeservitut an einen Nachbarn. Eine Öffentlichkeitsersitzung würde neben dem Zeitablauf und dem redlichen Besitz während der gesamten Ersitzungszeit auch das Vorhandensein eines entsprechenden Besitzwillens voraussetzen. Ein solcher Besitzwille der Gemeinde sei im Hinblick auf die Beschaffenheit des Weges, der praktisch eine Sackgasse sei, in keiner Weise erwiesen. Im Übrigen sei der Weg von der Allgemeinheit seit 25 Jahren nur mehr eingeschränkt als Fußweg, Spazierweg oder Radfahrweg genutzt worden. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zwar nach überwiegender Rechtsprechung aus dem bloßen Dulden einer Wegbenutzung keine (dingliche oder allenfalls obligatorische) Berechtigung abgeleitet werden könne, der Oberste Gerichtshof jedoch in einer Entscheidung die stillschweigende Einräumung einer Servitut im Falle einer (gegenseitigen) unbeanstandeten Benützung des Nachbargrundstückes über 16 Jahre bejaht habe und im vorliegenden Fall die Benützung immerhin sieben Jahre lang unbeanstandet erfolgt sei; auch komme der bislang nicht eindeutig geklärten Frage, welcher Erklärungswert einer im öffentlich-rechtlichen Verfahren abgegebenen Willenserklärung im Hinblick auf die Begründung privatrechtlicher Rechtsverhältnisse zukomme, eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu. Die Revision des Beklagten erweist sich entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts als unzulässig, weil keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zu lösen ist.
Rechtliche Beurteilung
Der erkennende Senat schließt sich im Grundsätzlichen den Erwägungen der Vorinstanzen an, sodass generell darauf zu verweisen ist (§ 510 Abs 3 ZPO). Im Einzelnen ist den Revisionsausführungen Folgendes entgegen zu halten:
In der Antragstellung um Übernahme der Weganlage in das öffentliche Gut kann schon deshalb keine auf Begründung eines Wegerechts des Beklagten gerichtete Erklärung liegen, weil eine derartige Rechtsfolge erkennbar überhaupt nicht angestrebt wurde. Wie bereits das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat, hätte die Übernahme des Wegs in das öffentliche Gut für den Kläger ganz andere Rechtsfolgen; insbesondere wäre er von der Pflicht zur Erhaltung des Wegs befreit. Es besteht nicht der geringste Anlass zur Annahme, der Kläger habe dem Beklagten ein umfassendes Wegerecht einräumen wollen, sofern der Antrag auf Übernahme des Wegs in das öffentliche Gut erfolglos bleibt.
Nicht näher einzugehen ist auf die Behauptung, der Kläger habe dem Beklagten gestattet, den Dienstbarkeitsweg zu befestigen, weil eine solche Feststellung nicht getroffen wurde; das Einverständnis wurde vielmehr seinem Bruder erteilt, der eine ebenfalls angrenzende Liegenschaft besitzt. Auch der Verweis auf eine in einem anderen Verfahren abgelegte Zeugenaussage ist unerheblich, soweit daraus von den Vorinstanzen keine unmittelbar rechtserheblichen Tatsachenfeststellungen getroffen wurden.
Die bloße Duldung der Wegbenutzung über einen Zeitraum von sieben Jahren kann schon deshalb nicht als konkludenter Abschluss eines entsprechenden Dienstbarkeitsvertrags verstanden werden, weil der Erklärungswert bloßen Schweigens keineswegs die von § 863 ABGB geforderte Eindeutigkeit aufweist. Auch wenn der Kläger einige Zeit gegen die Benützung keine Einwendungen erhoben hat, kann daraus doch nicht abgeleitet werden, dass er dem Beklagten auf Dauer und unentgeltlich eine Dienstbarkeit einräumen wollte.
Von einer „ausdrücklichen Zustimmung" der „beklagten Partei" (richtig wohl: des Klägers) durch seine Erklärungen im Zuge der Bauverhandlung kann keine Rede sein. Vernünftigerweise kann dessen grundsätzliche Zustimmung zur „Erschließung des Grundstücks des Bauwerbers" (nur) als Anbot zum Abschluss eines entsprechenden Servitutsvertrags mit noch im Detail zu vereinbarendem Inhalt, im Zweifel jedenfalls aber gegen eine angemessene Gegenleistung, verstanden werden. Dass eine Einigung im Detail schließlich erfolgt wäre oder dass der Beklagte eindeutig zu erkennen gegeben hätte, eine solche Vereinbarung abschließen zu wollen, kann er selbst nicht nachvollziehbar darlegen. Er vertritt vielmehr ersichtlich die Auffassung, es sei eine Vereinbarung über eine unentgeltliche Wegbenützung zustande gekommen, wovon angesichts der Feststellungen der Vorinstanzen keine Rede sein kann. Der Kläger hat in der Bauverhandlung unmissverständlich erklärt, dass ein entsprechender Servitutsvertrag erst abgeschlossen werden soll. Wenn sich der Beklagte in der Folge nicht um einen derartigen Vertrag bemüht hat, hat er die nachteiligen Folgen selbst zu tragen. Der (an sich richtige) Verweis des Revisionswerbers auf die Maßgeblichkeit des Empfängerhorizonts lässt unbeachtet, dass der Beklagte nicht den geringsten Anlass dazu hatte, in der Erklärung des Klägers ein Anbot auf unentgeltliche Einräumung eines Wegerechts zu erblicken. Er hat während des gesamten Verfahrens auch in keiner Weise darlegen können, aus welchen Erwägungen er zum Zeitpunkt der Bauverhandlung Anlass hätte haben können, die Erklärung des Klägers in der Weise aufzufassen, dass dieser ihm eine Erweiterung des Wegerechts gleichsam „schenken" wolle.
Nicht weiter einzugehen ist auf die Revisionsausführungen zur „öffentlichen Servitut" bzw zur „Dienstbarkeitsausweitung". In beiden Fällen geht die Revision dabei von den Feststellungen der Vorinstanzen ab. Dass die öffentliche Wegparzelle nur über das Grundstück des Klägers erreicht werden kann, mag zwar zutreffen, doch sind daraus keine für den Beklagten günstigen Schlussfolgerungen abzuleiten, zumal eine Berechtigung der Benützung zu landwirtschaftlichen Zwecken vom Kläger nie bestritten wurde und der öffentliche Weg offenbar dem Erreichen landwirtschaftlich genutzter Flächen dient.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50 Abs 1, 41 Abs 1 ZPO. Der Kläger hat in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen, sodass sich sein Schriftsatz als zweckentsprechende Rechtsverfolgungsmaßnahme darstellt.