11Ns16/06a – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 25. April 2006 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Danek, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Westermayer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Hans S***** und einen anderen Beschuldigten wegen des Verbrechens der versuchten absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 und Abs 2 StGB sowie weiterer strafbarer Handlungen in dem zum AZ 9 Ur 129/05g des Landesgerichtes Wels und zum AZ 224 Ur 375/05y des Landesgerichtes für Strafsachen Wien geführten Zuständigkeitsstreit nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Das Strafverfahren steht dem Landesgericht für Strafsachen Wien zu.
Text
Gründe:
Das Strafverfahren gegen Hans S***** und Mag. Johann K***** wegen des - als Bestimmungstäter nach § 12 zweiter Fall StGB begangenen - Verbrechens der versuchten absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 und Abs 2 StGB wurde beim Landesgericht für Strafsachen Wien am 1. November 2005 anhängig (S 3a). Am selben Tag erließ der Journalrichter dieses Gerichts - in der Folge widerrufene (ON 9) - Haftbefehle gegen beide Beschuldigte (ON 3, 4). Diesen lag aufgrund der polizeilichen Anzeige vom 31. Oktober 2005 (ON 2) der Verdacht zugrunde, die Beschuldigten hätten in 1110 Wien (S 15 iVm S 11) und in 1010 Wien (S 15 iVm S 31) versucht, Bentcho Ke***** dazu zu bestimmen, einem Beamten des Finanzamtes Linz sowie einer Vertragsbediensteten des Finanzamtes Gmunden-Vöcklabruck schwere Körperverletzungen mit zumindest schweren Dauerfolgen zuzufügen. Nach Einlangen weiterer sicherheitsbehördlicher Erhebungsergebnisse (ON 5), welche auch Verdachtsmomente hinsichtlich beider Beschuldigter in Richtung des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 StGB, bezüglich Mag. Johann K***** überdies in Richtung der Vergehen der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB sowie der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223, 224 StGB enthielten, erließ die Untersuchungsrichterin des Landesgerichtes für Strafsachen Wien am 3. November 2005 drei Hausdurchsuchungsbefehle (ON 6 bis 8).
Über die Anträge der Staatsanwaltschaft Wien vom 1. November 2005 und vom 3. November 2005 auf Einleitung (S 1) bzw Ausdehnung (S 3b) der Voruntersuchung wurde bislang nicht entschieden.
Am 11. November 2005 trat das Landesgericht für Strafsachen Wien das Strafverfahren an das Landesgericht Wels zur Einbeziehung (§ 56 StPO) in das dort zum AZ 9 Ur 129/05g geführte Verfahren infolge subjektiver Konnexität bezüglich des Beschuldigten Hans S***** ab (S 3e).
Nach Verfügung (zu ergänzen:) der abgesonderten Führung nach § 57 Abs 1 StPO und der Rückabtretung gemäß § 58 StPO durch das letztgenannte Gericht am 16. November 2005 (S 3f) erklärte sich das Landesgericht für Strafsachen Wien am 6. Dezember 2005 zur Führung der Strafsache nicht zuständig (ON 14).
Da das Oberlandesgericht Wien (am 20. Jänner 2006 zum AZ 21 Ns 349/05i) die Zuständigkeit des Landesgerichtes für Strafsachen Wien und das Oberlandesgericht Linz (am 17. Februar 2006 zu AZ 10 Ns 8/06m) jene des Landesgerichtes Wels verneinte, hat gemäß § 64 Abs 1 StPO eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes über den (negativen) Kompetenzkonflikt zu ergehen.
Rechtliche Beurteilung
Ausgehend von der ursprünglichen Verdachtslage der versuchten Anstiftung Bentcho Ke*****s zum Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung stand das Strafverfahren gemäß § 51 Abs 1 StPO dem Landesgericht für Strafsachen Wien zu, weil die Tathandlungen nach dem dargelegten Anzeigeinhalt in dessen Sprengel gesetzt worden sein sollen.
Der Umstand, dass aus der Anzeige allenfalls weitere - ungewisse - Tatorte hervorgehen, vermag an dieser örtlichen Kompetenz nichts zu ändern, weil das Landesgericht für Strafsachen Wien jedenfalls die erste Untersuchungshandlung vorgenommen hat (§ 51 Abs 2 und Abs 3 StPO). Ebenso wenig beeinflussen nachträglich hinsichtlich weiterer strafbarer Handlungen hervorgekommene Verdachtsmomente - jedenfalls solange die Verfahren gemäß § 56 Abs 1 StPO gemeinsam geführt werden - die einmal begründete örtliche Zuständigkeit (§ 56 Abs 2 erster Satz StPO).
Da das Landesgericht für Strafsachen Wien somit abgesehen von der hinsichtlich Hans S***** bestehenden subjektiven Konnexität zum Verfahren AZ 9 Ur 129/05g des Landesgerichtes Wels zur Führung des gegenständlichen Strafverfahrens zuständig ist, war der letztgenannte Gerichtshof gemäß § 58 StPO zur Rückabtretung berechtigt. Von den widerstreitenden Rechtsauffassungen der über die Zuständigkeit ihnen unterstehender Gerichte uneinigen Gerichtshöfe zweiter Instanz ist somit jene des Oberlandesgerichtes Linz im Recht.