10Ob18/06d – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon. Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V***** A***** S***** GmbH, ***** vertreten durch Putz Partner, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei F***** W***** AG, ***** vertreten durch Cerha Hempel Spiegelfeld Hlawati Rechtsanwaltspartnerschaft in Wien, wegen Zuhaltung eines Vertrages (Streitwert nach RATG EUR 7.000), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Handelsgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 28. November 2005, GZ 50 R 107/05z-14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes für Handelssachen Wien vom 20. Mai 2005, GZ 4 C 1096/04m-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 499,39 (darin enthalten EUR 83,23 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Der in der Revisionsbeantwortung gestellte Antrag der beklagten Partei, gemäß § 8 RATG die Bemessungsgrundlage für den Streitgegenstand mit EUR 1,066.559,59 festzusetzen, wird abgewiesen.
Text
Begründung:
Am 15. 12. 1997 wurde zwischen der Beklagten einerseits und der A***** S***** S.R.O. sowie der Klägerin andererseits ein Rahmenvertrag abgeschlossen. Zielsetzung dieses Vertrages war es, die Anteile der Beklagten an der Klägerin nach Ausgliederung des damals neben dem Werftbetrieb ebenfalls von der Klägerin ausgeübten Unternehmensbereiches General Aviation (Abfertigung von Flugzeugen, Vermietung von Räumen und Hangars, Betankung von Flugzeugen und Betrieb des General-Aviation-Centers) an die A***** S***** S.R.O. zu übertragen. Zur Ausführung dieses Vertragszieles wurden einzelne Verträge abgeschlossen, die in Punkt I. des Rahmenvertrages angeführt sind.
Unter Punkt I.7. des Rahmenvertrages wurde vorgesehen, dass zum Betrieb einer Werft im derzeitigen Betriebsumfang zwischen der Beklagten und der Klägerin über die derzeit und auch weiterhin von der Klägerin benutzten Flächen am Betriebsgelände der Beklagten ein Mietvertrag abgeschlossen werden sollte. Dieser Bestandvertrag wurde von den Streitteilen ebenfalls am 15. 12. 1997 abgeschlossen. Im Zusammenhang mit diesem Mietvertrag wurde im letzten Satz des Punktes I. des Rahmenvertrages folgende Vereinbarung getroffen:
„Schließlich verpflichtet sich F***** W***** Aktiengesellschaft (=
Beklagte), der V***** A***** S***** Gesellschaft mbH (= Klägerin),
solange der oben 7. genannte Mietvertrag ungekündigt aufrecht ist, maximal jedoch innerhalb eines Zeitraumes von 20 Jahren ab Abschluss dieses in 7. genannten Mietvertrages, bei deren Bedarf, der schriftlich bekanntzugeben ist, binnen zwei Monaten ein Anbot über die Vermietung einer geeigneten Ersatzfläche im General-Aviation-Bereich im Ausmaß von maximal 5.000 m² zwecks Errichtung und Betrieb einer Werft für General-Aviation-Flugzeuge sowie eines Bürogebäudes für eigene Zwecke im Bereich des Betriebsgeländes der F***** W***** Aktiengesellschaft (Beklagte) zum Netto-Mietzins von 10 S/m² und Monat, wertgesichert auf Basis des VPI 1986...., Ausgangsbasis der für Oktober 1997 verlautbarte Wert, zu legen. Diese Offerte wird einen Kündigungsverzicht der F***** W***** Aktiengesellschaft (= Beklagte) auf 30 Jahre enthalten. Über die weiteren genauen Bedingungen einschließlich der Pflicht zur Zahlung von Aufschließungskosten wird in diesem Zusammenhang das Einvernehmen herzustellen sein. Für die Geschäftswertabgabe gilt II. jedenfalls weiter".
Am 25. 10. 2001 richtete die Klägerin an die Beklagte ein Schreiben, in dem sie im Sinne dieser Bestimmung ihren Bedarf für eine geeignete Ersatzfläche im Ausmaß von 5.000 m² bekanntgab und um Angebotslegung innerhalb der vereinbarten Frist ersuchte. Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 6. 11. 2001 eine Angebotslegung mit der Begründung ab, die Klägerin sei derzeit nicht berechtigt, Instandhaltungsarbeiten gemäß JAR 145 vorzunehmen, und es bestehe überdies auch aufgrund der Geschäftsentwicklung kein Bedarf auf Zurverfügungstellung einer Ersatzfläche.
Am 31. 10. 2001 brachte die Beklagte beim Bezirksgericht Innere Stadt Wien zu 30 C 1440/01s die Räumungsklage betreffend das zwischen den Parteien bestehende Bestandverhältnis über den Hangar ein. Mit Beschluss vom 22. 3. 2002 wurde über das Vermögen der Klägerin das Ausgleichsverfahren eröffnet, in der Folge kam es am 20. 6. 2002 zur Eröffnung des Anschlusskonkurses. Am 30. 9. 2002 wurde der laut Punkt I. 7. des Rahmenvertrages bestehende Bestandvertrag zwischen dem Masseverwalter und der Beklagten einvernehmlich aufgelöst. Im Laufe des Konkursverfahrens brachte die Klägerin einen Zwangsausgleichsantrag ein, der am 18. 2. 2004 angenommen wurde. Die daraufhin erfolgte Aufhebung des Konkurses wurde mit Beschluss vom 3. 6. 2004 für rechtskräftig erklärt.
Mit Schreiben vom 2. 7. 2004 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass von ihr beschlossen worden sei, das Unternehmen fortzuführen, und wurde die Beklagte nochmals zur Anbotslegung bezüglich einer Ersatzfläche gemäß Punkt I. des Rahmenvertrages eingeladen. Mit Schreiben vom 5. 8. 2004 teilte die Beklagte mit, diesem Ersuchen nicht entsprechen zu können, weil der im Rahmenvertrag angesprochene Bestandvertrag, der die Grundlage für die Ersatzflächenregelung war, einvernehmlich aufgelöst wurde.
Die Klägerin begehrt nunmehr von der Beklagten im Sinne der oben wiedergegebenen Vertragsbestimmung die Legung eines Anbotes über die Vermietung einer Ersatzfläche im General-Aviation-Bereich im Ausmaß von maximal 5.000 m² zwecks Errichtung und Betrieb einer Werft für General-Aviation-Flugzeuge sowie eines Bürogebäudes für eigene Zwecke im Bereich des Betriebsgeländes der Beklagten zum Netto-Mietzins von EUR 0,73 pro m² wertgesichert, mit einem Kündigungsverzicht der Beklagten auf 30 Jahre.
Das Erstgericht wies dieses Klagebegehren ab. Es qualifizierte die unter Punkt I.7. des Rahmenvertrages vom 15. 12. 1997 getroffene Vereinbarung als ausreichend bestimmten Vorvertrag im Sinn des § 936 ABGB. Nach dieser Gesetzesstelle verjährten Rechte aus Vorverträgen binnen einem Jahr. Diese Verjährungsfrist werde durch Klage, nicht aber durch außergerichtliches Begehren gewahrt. Die Klägerin habe mit Schreiben vom 25. 10. 2001 um Anbotslegung ersucht. Nach Ablauf der im Vertrag vorgesehenen Frist von zwei Monaten ab Aufforderung durch die Klägerin zur Anbotslegung habe die Verjährungsfrist von einem Jahr für die klageweise Geltendmachung des behaupteten Anspruches zu laufen begonnen. Der mit der erst am 26. 11. 2004 beim Erstgericht eingebrachten Klage geltend gemachte Anspruch auf Legung eines Anbotes durch die Beklagte sei daher verjährt.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin keine Folge und schloss sich im Wesentlichen der Rechtsansicht des Erstgerichtes an. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes unter sinngemäßer Heranziehung der Bewertungsgrundsätze des § 58 JN EUR 20.000 übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei, weil das Berufungsgericht in der Beurteilung der rechtserheblichen Frage des Vorliegens eines Vorvertrages im Sinn des § 936 ABGB von der in SZ 53/19 veröffentlichten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes abgewichen sei.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, bzw ihr keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist ungeachtet des Zulassungsausspruches des Berufungsgerichtes, an den der Oberste Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht gebunden ist, nicht zulässig.
Auch in der Revision wird als erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nur geltend gemacht, das Berufungsgericht sei bei der Beurteilung der Frage des Vorliegens eines Vorvertrages im Sinn des § 936 ABGB von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen. Die Klägerin vertritt dazu die Ansicht, dass im Sinne der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes auch im vorliegenden Fall das Vorliegen eines ausreichend bestimmten Vorvertrages im Sinn des § 936 ABGB zu verneinen sei, weshalb auch die entsprechende Verjährungsbestimmung keine Anwendung finde. Bei der im Rahmenvertrag getroffenen Vereinbarung handle es sich um eine „Mischform" von Option und Vorvertrag bzw um eine Verpflichtung „sui generis", auf welche die allgemeine 30-jährige Verjährungsfrist des § 1478 ABGB Anwendung finde. Der Anspruch der Klägerin auf Anbotslegung durch die Beklagte sei daher nicht verjährt.
Im vorliegenden Fall erübrigt sich ein inhaltliches Eingehen auf diese Revisionsausführungen der Klägerin, weil, wie die Revisionsbeantwortung zutreffend aufzeigt, die Entscheidung gemäß § 406 ZPO aufgrund der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz zu ergehen hat. Entscheidend ist somit das Bestehen oder Nichtbestehen des Anspruchs zu diesem Zeitpunkt. Änderungen des Anspruchs und seiner Sachverhaltsgrundlage bis zu diesem Zeitpunkt müssen daher bei der Entscheidung berücksichtigt werden. Es müssen somit bei Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz alle anspruchsbegründenden Tatsachen gegeben sein (Fucik in Fasching/Konecny² III § 406 Rz 1 ff; Rechberger in Rechberger, ZPO² § 406 Rz 1 jeweils mwN). Im vorliegenden Fall begehrt die Klägerin nach ihrem Vorbringen und Urteilsbegehren, die Beklagte zur Legung eines Angebotes im Sinne der erwähnten Vertragsbestimmung zu verpflichten. Einem Erfolg ihres aktuellen Klagebegehrens steht aber entgegen, dass die Beklagte nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Vereinbarung nur solange der unter Punkt I.7. des Rahmenvertrages genannte Mietvertrag ungekündigt aufrecht ist, zur Legung eines solchen von der Klägerin begehrten Angebotes verpflichtet ist. Damit wurde zwischen den Parteien der Fortbestand des genannten Mietvertrages ausdrücklich zur Bedingung der hier strittigen Vereinbarung erhoben (§ 901 erster Satz ABGB), weshalb dessen Wegfall auch zur Auflösung dieser Vereinbarung führte, ohne dass es darauf ankäme, in welcher Sphäre sich der Wegfall der vereinbarten Tatsache ereignete. Da der genannte Mietvertrag nach den maßgebenden Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen zwischen dem für die Klägerin damals bestellten Masseverwalter und der Beklagten bereits am 30. 9. 2002 einvernehmlich aufgelöst wurde, fehlte im maßgebenden Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz diese für einen Erfolg des Klagebegehrens wesentliche Voraussetzung, weshalb sich schon aus diesem Grunde die Abweisung des Klagebegehrens durch die Vorinstanzen als gerechtfertigt erweist. Da die Beurteilung der Rechtssache somit nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO abhängig ist, war die Revision zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Ihr Antrag auf Änderung der Bemessungsgrundlage für den Streitwert im Sinn des § 8 RATG war abzuweisen, weil sich der Wert des Streitgegenstandes seit der nicht bekämpfbaren (vgl § 7 RATG) Bewertung durch den Beschluss des Erstgerichtes vom 23. 3. 2005 nicht im Sinne dieser Bestimmung geändert hat (vgl 3 Ob 188/99i).