JudikaturOGH

5Ob48/06d – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. April 2006

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Kuras, Dr. Kalivoda und Dr. Höllwerth als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ingrid J*****, vertreten durch Mag. Ernst Michael Lang, Rechtsanwalt in Dornbirn, gegen die beklagte Partei mj. Alexander D*****, vertreten durch die Mutter Ruth S*****, diese vertreten durch Blum, Hagen Partner, Rechtsanwälte GmbH in Feldkirch, wegen 19.453,66 EUR s. A., über die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 16. November 2005, GZ 3 R 143/05m-18, womit das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 25. Mai 2005, GZ 5 Cg 294/04x-13, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Klägerin ist schuldig, dem Beklagten binnen 14 Tagen die mit 1.063,80 Euro (darin 177,30 Euro an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten seiner Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht hat zwar ausgesprochen, die ordentliche Revision sei wegen der zu klärenden kollisionsrechtlichen Anknüpfung zulässig; entgegen diesem Ausspruch des Berufungsgerichts, an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist (§ 508a Abs 1 ZPO), ist die Revision der Klägerin jedoch deshalb unzulässig, weil diese in ihrem Rechtsmittel auf die vom Berufungsgericht als erheblich erkannte Rechtsfrage inhaltlich nicht eingeht und auch sonst keine Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO geltend macht. Die Zurückweisung des ordentlichen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO):

1. Die Klägerin sieht zunächst einen Mangel des Berufungsverfahrens darin, dass die Aussage des Zeugen Günther Jochum betreffend die - ihr fraglich erscheinende - Verbindlichkeit der Vereinbarung über die Absicherung der Bürgen nicht berücksichtigt worden sei. Das Berufungsgericht ist aber nicht verpflichtet, sich im Rahmen der Überprüfung der vom Erstgericht getroffenen Sachverhaltsfeststellungen mit jedem einzelnen Argument des Berufungswerbers auseinanderzusetzen (RIS-Justiz RS0043162; RS0043371 [T18]). Nur wenn sich das Berufungsgericht mit der Beweisfrage in einem wesentlichen Punkt überhaupt nicht befasst hat, ist sein Verfahren mangelhaft geblieben (RIS-Justiz RS0043371 [T2]); dies trifft aber hier nicht zu, weil sich das Berufungsgericht mit der Frage des - bindenden - Zustandekommens der Vereinbarung zwischen Kreditnehmer und Bürgen konkret auseinandergesetzt und dabei auch auf den Inhalt des in diesem Zusammenhang von der Klägerin angesprochenen Akts 8 Cg 194/98a des Landesgerichts Feldkirch Bezug genommen hat (Berufungsurteil S 10). Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt demnach nicht vor.

2. Soweit die Klägerin auch im Rahmen ihrer Rechtsrüge an verschiedenen Stellen das wirksame Zustandekommen der von ihr bestrittenen Vereinbarung zwischen Kreditnehmer und Bürgen bezweifelt, bekämpft sie - unzulässig (vgl E. Kodek in Rechberger² § 503 ZPO Rz 3) - die Beweiswürdigung der Vorinstanzen.

3.1. Das Berufungsgericht hat die Zulässigkeit der ordentlichen Revision mit der zu klärenden kollisionsrechtlichen Anknüpfung begründet; es ist dabei für die zugrunde liegende Abtretung eines obligatorischen Anspruchs des Treugebers gegen den Treuhänder betreffend eine im Ausland gelegene Liegenschaft sowohl gestützt auf § 1 IPRG (Grundsatz der stärksten Beziehung), §§ 11, 35 IPRG (Rechtswahl) und - im Hinblick auf den Vertragsabschluss vor dem In-Kraft-Treten des EVÜ - auf die §§ 36, 45 IPRG zur Anwendung österreichischen Sachrechts gelangt und hat insofern ein Abweichen von der Rechtsprechung zu 6 Ob 679/84, richtig: 6 Ob 699/84 (= EvBl 1987/54, 239), für möglich erachtet, weil dort eine hypothetische Wahl des für den Ort der Liegenschaft geltenden Sachrechts angenommen worden war.

3.2. Das Berufungsgericht hat - wie zuvor angesprochen - die festgestellte Vereinbarung des Kreditnehmers mit den Bürgen als Abtretung der obligatorischen Ansprüche des Kreditnehmers und Treugebers gegen dessen Treuhänder gewertet. Ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, stellt allerdings nur dann eine erhebliche Rechtsfrage dar, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RIS-Justiz RS0042936); derartiges macht die Klägerin in ihrem Rechtsmittel aber nicht erkennbar geltend.

3.3. Zu der vom Berufungsgericht als erheblich erachteten Rechtsfrage, nach welchem Sachrecht besagte Abtretung zu beurteilen sei, verweist die Klägerin lediglich darauf, dass gemäß § 11 Abs 2 IPRG eine im anhängigen Verfahren bloß schlüssig getroffene Rechtswahl unbeachtlich sei. Diese Rechtsansicht entspricht zwar dem Gesetzeswortlaut, doch ist sie im vorliegenden Fall nicht einschlägig, weil das Berufungsgericht ohnehin keine Rechtswahl im anhängigen Verfahren, sondern offenbar im Zusammenhang mit dem Abschluss der Vereinbarung im Hinblick auf die enge sachliche und persönliche Beziehung zu Österreich angenommen hat.

3.4. Die Klägerin unterstellt mehrfach, es seien Liegenschaftsanteile übertragen („abgetreten") worden und es sei deshalb - obwohl die Klägerin laufend auf der Basis österreichischen Rechts argumentiert - wegen des Lageorts (zusätzlich [?]) belgisches Sachrecht anzuwenden. Die Klägerin übersieht dabei einerseits, dass der Treugeber nicht das

- aus seinem Vermögen ausgeschiedene (vgl auch 8 Ob 313/00p = JBl

2002, 126 = ZIK 2001/313) - (unbewegliche) Treugut, sondern (nur) den Herausgabeanspruch gegen den Treuhänder abtreten kann (Apathy in Schwimann³ § 1002 ABGB Rz 11; vgl auch 1 Ob 147/00z = JBl 2001, 313 = ecolex 2001/95 = RdW 2001/439 = NZ 2002/45); andererseits unterliegt das schuldrechtliche Grundgeschäft für sachenrechtiche Verfügungen dem Vertragsstatut und nicht der lex rei sitae (Verschraegen in Rummel³ § 31 IPRG Rz 15; RIS-Justiz RS0010005 [T1]).

3.5. Soweit die Klägerin im abgetretenen Anspruch eine Buchforderung zu erkennen meint und für die Wirksamkeit einer Sicherungszession einen Buchvermerk vermisst, negiert sie, dass die hier vorgelegene Verständigung (Kenntnis) des an der Vereinbarung beteiligten (Dritt )Schuldners ausreicht (vgl 6 Ob 319/01g mwN).

3.6. Für die von der Klägerin letztlich ebenfalls noch erwogene notariatsaktpflichtige Schenkung fehlt jedes Tatsachensubstrat.

4.1. Zusammengefasst folgt, dass die Klägerin die vom Berufungsgericht als erheblich erkannte Rechtsfrage nicht inhaltlich nachvollziehbar aufgreift und auch sonst keine erheblichen Rechtsfragen geltend macht, weshalb sich die Revision als unzulässig erweist und zurückzuweisen ist (RIS-Justiz RS0102059).

4.2. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50 Abs 1, 41 Abs 1 ZPO. Der Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen, sodass sich dessen Revisionsbeantwortung als Maßnahme zweckentsprechender Rechtsverteidigung darstellt.

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