JudikaturOGH

1Ob48/06z – OGH Entscheidung

Entscheidung
04. April 2006

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Beatrix B*****, vertreten durch Dr. Clement Achammer, Mag. Martin Mennel, Dr. Rainer Welte, Mag. Clemens Achammer und Dr. Thomas Kaufmann, Rechtsanwälte in Feldkirch, wider die beklagte Partei Elmar W*****, vertreten durch Dr. Thomas Lins, Rechtsanwalt in Bludenz, wegen 4.190,45 EUR sA, infolge ordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Berufungsgericht vom 9. November 2005, GZ 3 R 297/05g-39, womit das Urteil des Bezirksgerichts Bludenz vom 19. August 2005, GZ 3 C 575/03h-35, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 399,74 EUR (darin 66,62 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu zahlen.

Text

Begründung:

Das Erstgericht wies das Klagebegehren von 4.190,45 EUR sA ab. Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach zunächst aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Mit Beschluss vom 3. 1. 2005, GZ 3 R 297/05g-42, änderte es letzteren Ausspruch dahin ab, dass die ordentliche Revision doch zulässig sei. Die Entscheidung hänge von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage nach § 502 Abs 1 ZPO ab, weil es an einer einheitlichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zum Erfordernis der Schriftform für eine Entschädigungsbürgschaft mangle. Hätte die Klägerin als Entschädigungsbürgin geleistet, so könnte ihr Begehren wegen des auf sie übergegangenen Regressanspruchs der Bürgin gegen den Beklagten als Hauptschuldner erfolgreich sein, obgleich sie diesen Rechtsgrund in der Berufung nicht geltend gemacht habe.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist unzulässig.

1. Nach Auffassung des Erstgerichts hat das Klagebegehren in § 1358 ABGB keine Stütze, weil die Klägerin für die Kreditschulden des Beklagten nicht hafte. Da die Klägerin die Bürgin des Beklagten nach deren Inanspruchnahme durch die Kreditgläubigerin - auf Grund des Ergebnisses eines Vorprozesses - schad- und klaglos halten und „die Rückzahlungen an die Kreditgeberin aus den Einnahmen" eines bestimmten Unternehmens bestreiten müsse, habe sie mit der Zahlung an die Bürgin eine formell und materiell eigene Schuld getilgt. Deshalb könne sie die Regressforderung der Bürgin gegen den Beklagten auch nicht gemäß § 1422 ABGB eingelöst haben.

2. Die Rechtsansicht des Erstgerichts wurde in der Berufung lediglich mit dem Argument bekämpft, die Klägerin habe durch ihre Zahlung die Regressforderung der Bürgin gegen den Kreditschuldner nach § 1422 ABGB eingelöst, weil sie „bei der Zahlung" die Abtretung deren Rechte gegen Letzteren - zumindest schlüssig - verlangt habe. Sie habe „keine eigene Kreditschuld" gedeckt. Die Erwägungen des Erstgerichts über „die Schad- und Klagloshaltung" der Bürgin „und die verschiedenen weiteren Rechtsverhältnisse zwischen der Berufungswerberin einerseits und dem Berufungsgegner andererseits sowie der Berufungswerberin und ihrer Mutter" seien „für den konkreten Einlösungsfall iSd § 1422 ABGB zur Gänze unmaßgeblich". Im Übrigen blieben „sämtliche weiteren, in erster Instanz geltend gemachten Anspruchsgrundlagen aufrecht". Eine Begründung dafür, weshalb das Klagebegehren allenfalls nicht gemäß § 1422 ABGB, sondern - entgegen der Ansicht des Erstgerichts - aus bestimmten anderen Rechtsgründen gerechtfertigt sein soll, ist der Berufung nicht zu entnehmen.

3. In der Revision verficht die Klägerin nicht mehr den Standpunkt, durch ihre Zahlung die Regressforderung der Bürgin gegen den Beklagten als Kreditschuldner gemäß § 1422 ABGB eingelöst zu haben, sondern sie führt jetzt ins Treffen, auf Grund der Haftungsvereinbarung zwischen ihr und der Bürgin als „Entschädigungsbürgin" gemäß § 1348 ABGB geleistet und deshalb deren Regressforderung gegen den Kreditschuldner erworben zu haben, wobei das Schriftformerfordernis für die Entschädigungsbürgschaft auf Grund der schriftlichen „Verpflichtungserklärung" der Klägerin erfüllt sein „dürfte".

4. Ein Rechtsmittelwerber muss Rechtsgründe, denen in sich geschlossene - somit etwa selbstständige rechtserzeugende - Tatsachen zugrunde liegen, im Rechtsmittel behandeln, um den Nachprüfungsrahmen auf sie zu erstrecken. Eine allseitige Prüfung der Rechtslage findet daher nur innerhalb der im Rechtsmittelverfahren aufrecht erhaltenen Rechtsgründe statt. Beschränkte sich der Rechtsmittelwerber auf die Geltendmachung bestimmter, durch die erörterte Selbstständigkeit charakterisierte Rechtsgründe, so sind die anderen in Betracht kommenden Rechtsgründe nicht mehr Gegenstand der Nachprüfung (Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 503 ZPO Rz 189 ff mN aus der Rsp). Eine in der Berufung insofern unterlassene Rechtsrüge ist in der Revision nicht nachholbar (Zechner aaO § 503 ZPO Rz 53, 56, 191 mN aus der Rsp). Eine Rechtsrüge, in der die Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung - etwa auch in Ansehung einzelner selbstständiger Streitpunkte - nur ganz allgemein behauptet wird, kann mangels gesetzmäßiger Ausführung gleichfalls nicht zu deren Nachprüfung führen (Zechner aaO § 503 ZPO Rz 53, 56 mN aus der Rsp).

5. Aus der soeben erläuterten Rechtslage folgt, dass der erst in der Revision geltend gemachte, im Sinn der voranstehenden Ausführungen selbstständige Rechtsgrund, die Klägerin habe auf Grund der Haftungsvereinbarung zwischen ihr und der Bürgin als „Entschädigungsbürgin" gemäß § 1348 ABGB geleistet und deshalb deren Regressforderung gegen den Kreditschuldner erworben, unbeachtlich ist, weil dieser Rechtsgrund nicht Gegenstand der Berufung war und dieses Versäumnis mit der Revision nicht mehr saniert werden kann. Der nach den Sachverhaltsgrundlagen wesentliche Unterschied zwischen den in zweiter und dritter Instanz verfochtenen Rechtsgründen besteht darin, dass die Forderungseinlösung gemäß § 1422 ABGB die Zahlung einer fremden Schuld, für die der Leistende nicht haftet, der Forderungsübergang infolge Entschädigungsbürgschaft dagegen die Zahlung einer fremden Schuld, für die der Leistende wegen dieser Bürgschaft persönlich haftet, voraussetzt. Dieser Unterschied in den Tatbeständen trägt das Ergebnis, dass der zahlende Entschädigungsbürge ex lege nicht nur den Regressanspruch des Bürgen gegen den Hauptschuldner, sondern auch die Forderung des Gläubigers gegen den Hauptschuldner erwirbt (Gamerith in Rummel, ABGB³ § 1348 Rz 1 [Doppelzession]).

Dass die Klägerin im Berufungsverfahren nur mehr den Rechtsgrund einer Forderungseinlösung nach § 1422 ABGB aufrecht erhielt, ergibt sich unmissverständlich (auch) aus ihren Ausführungen, die Gründe des Erstgerichts zur „Schad- und Klagloshaltung" der Bürgin „und die verschiedenen weiteren Rechtsverhältnisse zwischen der Berufungswerberin einerseits und dem Berufungsgegner andererseits sowie der Berufungswerberin und ihrer Mutter" seien „für den konkreten Einlösungsfall iSd § 1422 ABGB zur Gänze unmaßgeblich". Im Widerspruch dazu wurde zwar überdies betont, dass „sämtliche weiteren, in erster Instanz geltend gemachten Anspruchsgrundlagen aufrecht" blieben, insofern entbehrte die Berufung jedoch einer gesetzmäßigen Ausführung, weil es an konkreten Gründen mangelte, weshalb das Erstgericht die dann maßgebenden Rechtsfragen unrichtig gelöst haben soll.

6. Aus allen bisherigen Erwägungen folgt, dass die Entscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO abhängt. Der Oberste Gerichtshof ist bei Prüfung der Zulässigkeit der Revision gemäß § 508a Abs 1 ZPO an einen Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht gebunden; er kann sich gemäß § 510 Abs 3 ZPO im Übrigen auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

7. Der Beklagte wies auf die Unzulässigkeit der Revision hin. Ihm sind daher die Kosten der Revisionsbeantwortung als solche einer zweckentsprechenden Rechtsverteidigung gemäß § 41 iVm § 50 Abs 1 ZPO zuzuerkennen.

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