JudikaturOGH

4Ob252/05w – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. Januar 2006

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Ralph Forcher, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei S***** AG, *****, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte OEG in Wien, wegen Unterlassung, Feststellung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 36.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 19. Oktober 2005, GZ 6 R 168/05f-16, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Die Klägerin macht gegen die Beklagte ua einen durch einstweilige Verfügung zu sichernden wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch geltend: Die Beklagte verstoße gegen den von den Streitteilen abgeschlossenen Einspielvertrag. Sie habe verhindert, dass das lokale Fernsehprogramm der Klägerin in das betroffene regionale Kabelfernsehnetz eingespielt werde. Dies sei sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG.

Die Beklagte bestreitet die ihr vorgeworfene Vertragsverletzung; ihre Verpflichtungen aus dem Einspielvertrag bestünden nur, soweit ihnen nicht Verpflichtungen aus den mit den Gemeinden geschlossenen Verträgen über die Errichtung des Kabelfernsehnetzes entgegenstünden. Letztere enthielten das ausdrückliche Recht der jeweiligen Gemeinde, das in das Netz einzuspeisende lokale Fernsehprogramm zu bestimmen. Die Gemeinden hätten von ihrer „Programmhoheit" Gebrauch gemacht; die Beklagte habe dem Rechnung getragen.

Im Fall eines Vertragsbruchs bedeutet nur eine subjektiv vorwerfbare, also zumindest fahrlässige Verletzung rechtlicher Bindungen eine über die bloße schuldrechtliche Verantwortlichkeit hinausgehende unlautere, gegen die guten Sitten verstoßende Wettbewerbshandlung (stRsp: 4 Ob 351/86 = MR 1988, 203 - Traktorseilwinde mwN; 4 Ob 272/98y; 4 Ob 212/04m). Eine Vertragsverletzung kann insbesondere dann nicht als Verstoß gegen § 1 UWG gewertet werden, wenn sich die Vertragswidrigkeit des Handelns erst aus einer bestimmten Auslegung des Vertrags ergibt und dieser allenfalls auch anders gedeutet werden könnte (4 Ob 406/79 = ÖBl 1980, 65 - exportbüro wien; 4 Ob 46/95 = MR 1995, 187 - Sportgeschäft; 4 Ob 272/98y; 4 Ob 212/04m).

Die Auslegung eines Vertrags kann nur dann eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne der §§ 502 Abs 1, 528 Abs 1 ZPO sein, wenn dem Gericht zweiter Instanz eine auffallende Fehlbeurteilung oder eine wesentliche Verkennung der Rechtslage unterlaufen ist (4 Ob 151/98d; 4 Ob 272/98y; 4 Ob 212/04m; RIS-Justiz RS0042936, RS0042776, RS0112106). Ein derartiger Entscheidungsfehler liegt hier nicht vor:

Das Rekursgericht hat sich der - auch von den betroffenen Gemeinden geteilten - Auffassung der Beklagten angeschlossen, nach den mit den Gemeinden geschlossenen Verträgen sei zwischen einem gemeindeeigenen Kanal (Beil./H Punkt VI Abs 2: Festlegung und Gestaltung durch die Gemeinde; erst späterer Sendebetrieb vorgesehen) und einem darüber hinaus offensichtlich bereits bei Vertragsabschluss zum Sendebetrieb vorgesehenen lokalen Fernseh- und Rundfunkkanal (Beil./H Punkt VI Abs 1: Auswahl des zu übermittelnden Fernseh- und Rundfunkprogramms durch die Gemeinde) zu unterscheiden. Dafür spricht, dass schon rein begrifflich eine „gemeindeeigene oder von der Gemeinde genehmigte ...

Sendung" (Beil./H und ./I Punkt III) der bloßen Auswahl eines [erg:

auf dem Lokalkanal] zu übermittelnden Fernseh- und Rundfunkprogramms (Beil./H Punkt VI und Beil./I Punkt VIII) nicht gleichzuhalten ist. Der in der Zulassungsbeschwerde vertretenen Auffassung, eine Gemeinde könne schon deshalb keine Programmhoheit ausüben, weil sie als Gebietskörperschaft gem § 10 Abs 2 Privatfernsehgesetz (PrTV-G) als Rundfunkveranstalterin ausgeschlossen sei, ist entgegenzuhalten, dass die Bestimmung des einzuspeisenden Programms der Veranstaltung von Rundfunk nicht gleichzuhalten ist. Rundfunkveranstalter im Sinne des Privatfernsehgesetzes ist, wer Hörfunk- oder Fernsehprogramme schafft, zusammenstellt und verbreitet oder durch Dritte vollständig und unverändert verbreiten lässt; wer Rundfunkprogramme ausschließlich weiter verbreitet, ist kein Rundfunkveranstalter (§ 2 Z 1 PrTV-G). Der Betreiber eines Kabelfernsehnetzes ist daher kein Rundfunkveranstalter, auch wenn er naturgemäß bestimmt, welches Programm eingespeist wird. Gleiches muss auch für denjenigen gelten, dem der Kabelfernsehnetzbetreiber die Befugnis einräumt, das einzuspeisende Programm zu bestimmen.

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