2Nc39/05s – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der zu 1 P 60/05b des Bezirksgerichtes Mistelbach anhängigen Pflegschaftssache der mj. Kinder Manuel T*****, geb. am 17. Dezember 1993, Dusan T*****, geb. am 21. Feber 1995 und Stephan T*****, geb. am 15. November 1996, wegen Übertragung der Zuständigkeit gemäß § 111 Abs 1 und 2 JN, folgenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die mit Beschluss des Bezirksgerichtes Mistelbach vom 10. August 2005, GZ 1 P 60/05b-86, gemäß § 111 Abs 1 und 2 JN verfügte Übertragung der Zuständigkeit zur Führung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Leoben wird nicht genehmigt.
Text
Begründung:
Mit Beschluss des (damals zuständigen) Jugendgerichtes Graz vom 29. 10. 2001, GZ P 187/00g-38 wurde die Obsorge für die mj. Kinder Manuel, Dusan und Stephan T***** hinsichtlich der Pflege und Erziehung und die gesetzliche Vertretung in diesem Bereich gem. § 176 Abs 1 ABGB der Mutter Sonja K***** entzogen und gem. § 213 ABGB dem Land Steiermark als Jugendwohlfahrtsträger, vertreten durch den Magistrat Graz, Amt für Jugend und Familie übertragen. Gleichzeitig wurden die Anträge der Mutter, die Fremdunterbringung der Kinder aufzuheben und die Kinder in ihre Pflege und Erziehung zurückzubringen, abgewiesen.
Die Kinder waren seit dem 1. 5. 2000 auf einem Dauerpflegeplatz bei der Familie Michael und Beate K***** in 7551 Stegersbach, *****, untergebracht.
Der Magistrat hatte am 5. 5. 2000 beim Jugendgericht den Antrag gestellt, die Obsorge für die Kinder hinsichtlich Pflege und Erziehung und gesetzliche Vertretung für diesen Bereich dem Jugendwohlfahrtsträger zu übertragen, weil die Mutter ihre Zustimmung zur Fremdunterbringung widerrufen hatte.
Die Mutter hatte dagegen Anträge gestellt, die Fremdunterbringung der Kinder aufzuheben.
In der Folge verblieben die Kinder bis zum 15. 1. 2004 auf dem Dauerpflegeplatz bei der Familie K***** in Stegersbach. Am 16. 1. 2004 wurden die Kinder in der Pro Juventute Sozial Pädagogischen Wohngemeinschaft Mistelbach in 2130 Mistelbach untergebracht, weil die Unterbringung der Kinder am bisherigen Pflegeplatz in Stegersbach der positiven Entwicklung der Kinder nicht mehr dienlich war.
Das (damals zuständige) Bezirksgericht Graz übertrug mit Beschluss vom 18. 4. 2005, GZ P 187/00g-74, die Zuständigkeit zur Führung der Pflegschaftssache dem Bezirksgericht Mistelbach, weil die Kinder ihren Wohnsitz nunmehr in dessen Sprengel hätten. Das Bezirksgericht Mistelbach übernahm die Übertragung der Zuständigkeit (ON 77). Die Bezirkshauptmannschaft Leoben stellte am 5. 8. 2005 (ON 85) den Antrag, die Zuständigkeit zur Führung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Leoben zu übertragen. Die Kindesmutter habe ihren ordentlichen Wohnsitz im örtlichen Zuständigkeitsbereich; die Vertretung des teilweise mit der Obsorge betrauten Jugendwohlfahrtsträgers sei von der Bezirkshauptmannschaft Leoben übernommen worden. Der mj. Dusan sei seit dem 20. 5. 2005 in der Sozialpädagogischen Wohngemeinschaft in 8786 Rottenmann fremduntergebracht, während sich Manuel und Stephan seit Juli 2005 wieder auf Pflegeplätzen bei der Familie K***** in 7551 Stegersbach befänden. Da die Vertretung des Obsorgeträgers sowie der Kindesmutter durch die Bezirkshauptmannschaft Leoben erfolge, sei die Übertragung der Zuständigkeit gerechtfertigt.
Das Bezirksgericht Mistelbach übertrug mit Beschluss vom 10. 8. 2005 die Zuständigkeit zur Besorgung dieser Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Leoben (ON 86).
Das Bezirksgericht Leoben lehnte die Übernahme der Zuständigkeit zur Besorgung dieser Pflegschaftssache ab, weil der gewöhnliche Aufenthaltsort der Kinder nicht in dessen Sprengel liege.
Rechtliche Beurteilung
Die Übertragung der Zuständigkeit zur Besorgung der Pflegschaftssache ist nicht gerechtfertigt.
Nach § 111 Abs 1 JN kann das Pflegschaftsgericht seine Zuständigkeit einem anderen Gericht übertragen, wenn dies im Interesse des Pflegebefohlenen gelegen erscheint, insbesondere, wenn dadurch die wirksame Handhabung des dem Pflegebefohlenen zugedachten Schutzes voraussichtlich gefördert wird. Diese Voraussetzungen liegen in der Regel vor, wenn die Pflegschaftssache dem Gericht übertragen wird, in dessen Sprengel der Mittelpunkt der Lebensführung des Kindes liegt (10 Nd 509/01 mwN; Fucik in Fasching² § 111 JN Rz 3 mwN). Hier liegt der Mittelpunkt der Lebensführung der Kinder weder im Sprengel des Bezirksgerichtes Mistelbach noch im Sprengel des Bezirksgerichtes Leoben. Wenngleich unter Umständen auch die Interessen des gesetzlichen Vertreters berücksichtigt werden können (Fucik aaO), ist doch hier von Bedeutung, dass Manuel und Stephan im Sprengel des Bezirksgerichtes Güssing (Stegersbach) wohnen und Dusan im Sprengel des Bezirksgerichtes Liezen (Rottenmann) wohnt. Keines der Kinder wohnt daher im Sprengel des Bezirksgerichtes Leoben. Es ist hier von untergeordneter Bedeutung, dass die Bezirkshauptmannschaft Leoben die Vertretung des Jugendwohlfahrtsträgers übernommen hat und auch die Mutter im Sprengel dieses Bezirksgerichtes wohnt.
Die Übertragung zur Führung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Leoben konnte daher nicht genehmigt werden.