5Ob132/05f – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Baumann, Dr. Hurch, Dr. Kalivoda und Dr. Höllwerth als weitere Richter in der außerstreitigen Wohnrechtssache des Antragstellers Dragan V*****, vertreten durch Dr. Guido Kollmann, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegnerin J*****, wegen §§ 17, 26 Abs 1 Z 5 und 8 WEG 1975, über die außerordentlichen Revisionsrekurse beider Parteien gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 22. März 2005, GZ 40 R 345/04p-40, mit welchem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Meidling vom 5. Oktober 2004, GZ 9 Msch 10019/02t (29 Msch 17/05m)-32, teils bestätigt, teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung
I. den Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs des Antragstellers wird mangels der Voraussetzungen des § 37 Abs 3 Z 16 MRG, § 52 Abs 2 WEG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).
II. den Sachbeschluss
gefasst:
Dem außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsgegnerin wird Folge
gegeben.
Der Sachbeschluss des Rekursgerichts wird dahin abgeändert, dass der antragsabweisende erstinstanzliche Sachbeschluss - zur Gänze, also auch in seinem Punkt 1) - wiederhergestellt wird.
Der Antragsteller hat seine Barauslagen und beide Parteien haben die Kosten ihrer rechtsfreundlichen Vertretung in allen Instanzen selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Der Antragsteller ist zu 62/510-tel Anteilen Miteigentümer der Liegenschaft EZ *****, mit welchen Wohnungseigentum an der Wohnung Top 2 untrennbar verbunden ist. Die Antragsgegnerin ist Verwalterin der Liegenschaft.
In dem die Liegenschaft EZ *****, Grundstücksadresse *****, betreffenden, am 11. 11. 1998 abgeschlossenen Wohnungseigentumsvertrag kamen die seinerzeitigen Miteigentümer der Liegenschaft, die R***** GesmbH sowie die Ehegatten Erol und Gülbahar K*****, zu Vertragspunkt XI. überein, dass für die Aufteilung der Betriebskosten, öffentlichen Abgaben und Instandhaltungskosten "gemäß § 19 Abs 1 Z 2 des Wohnungseigentumsgesetzes die jeweils geltenden Bestimmungen des Mietrechtsgesetzes anzuwenden (sind)". Die Ersichtlichmachung der „Vereinbarung über die Aufteilung der Aufwendungen gemäß § 19 WEG" erfolgte zu TZ 3373/1998. Der Antragsteller hatte sein Miteigentum an der Liegenschaft mit dem am 15. 9. 1998 unterfertigten Kaufvertrag von der R***** GesmbH erworben. Dieser Kaufvertrag bedurfte zu seiner Rechtswirksamkeit der ausländergrundverkehrsbehördlichen Genehmigung, welche - erst nach Abschluss des Wohnungseigentumsvertrags - mit Bescheid vom 1. 2. 1999 erteilt wurde. Daraufhin schlossen der Antragsteller und die R***** GesmbH den Nachtragsvertrag vom 29. 5. 2000, mit welchem zum Kaufvertrag vom 15. 9. 1998 darauf hingewiesen wird, dass mit den vom Antragsteller erworbenen Liegenschaftsanteilen Wohnungseigentum an der Wohnung Top 2 verbunden ist. Die Einverleibung des Eigentums des Antragstellers aufgrund des Kaufvertrags vom 15. 9. 1998 und des Nachtragsvertrags vom 29. 5. 2000 erfolgte zu TZ 1629/2000. Ursprünglich hatte die R***** GesmbH geplant, einen auch im Nutzwertgutachten berücksichtigten Dachbodenausbau vorzunehmen; dies ist in der Folge nicht geschehen und die dazu vorgelegene Genehmigung ist inzwischen abgelaufen. Die Antragsgegnerin hat deshalb im Nutzflächenschlüssel das Dachgeschoß nicht (mit 0 m² = 0 %) berücksichtigt.
Der Antragsteller begehrte,
1) der Antragsgegnerin unter Androhung einer Geldstrafe von 3.000 Euro aufzutragen, binnen 14 Tagen eine nachvollziehbare Abrechnung für die Jahre 2000 und 2001 vorzulegen bzw dem Gericht zu erklären, welche der vier bislang gelegten Abrechnungsvarianten die richtige sein soll oder eine fünfte, als nunmehr gültig zu bezeichnende Variante der Abrechnung vorzulegen.
2) über die Antragsgegnerin eine Mutwillenstrafe in der Höhe von 2.000 Euro gemäß § 408 ZPO zu verhängen.
Der Antragsteller machte - zusammengefasst - geltend, der im Wohnungseigentumsvertrag vergesehene Aufteilungsschlüssel sei mit ihm nie vereinbart worden und daher für ihn nicht maßgeblich. Bei der Nutzfläche müsse der Dachboden berücksichtigt werden, weil dieser im Nutzwertgutachten veranschlagt und zum Ausbau geeignet sei. Die Antragsgegnerin habe für die Jahre 2000 und 2001 mehrfach widersprüchliche und nicht nachvollziehbare Abrechnungen gelegt. Die Antragsgegnerin beantragte Abweisung der Anträge mit der wesentlichen Begründung, die zuletzt für die Jahre 2000 und 2001 gelegten Abrechungen (Blg ./16 und ./18) würden dem Aufteilungsschlüssel gemäß Pkt XI. des Wohnungseigentumsvertrags entsprechen, welchen auch der Antragsteller gegen sich gelten lassen müsse. Bei der Nutzfläche sei das unausgebaute Dachgeschoß nicht zu veranschlagen.
Das Erstgericht wies mit seinem Sachbeschluss beide Anträge ab. In Pkt XI. des Wohnungseigentumsvertrags sei - noch vor der ausländergrundverkehrsbehördlichen Genehmigung des Kaufvertrags des Antragstellers - ein abweichender, dem § 17 MRG vergleichbarer Verteilungschlüssel vereinbart worden, der auch für den Antragsteller maßgeblich sei. Der Dachboden sei nicht ausgebaut und deshalb bei der Nutzfläche nicht zu berücksichtigen. Die von der Antragsgegnerin für die Jahre 2000 und 2001 zuletzt gelegten Abrechnungen (Blg ./16 und ./18) würden den gesetzlichen Erfordernissen entsprechen. Das Rekursgericht änderte den Sachbeschluss des Erstgerichts über Rekurs des Antragstellers teilweise, nämlich in seinem Punkt 1) im antragsstattgebenden Sinn dahin ab, dass es der Antragsgegnerin auftrug, dem Antragsteller binnen 14 Tagen eine ordentliche und richtige Abrechnung für die Jahre 2000 und 2001 zu legen, wobei nur die Betriebskosten und öffentlichen Abgaben nach dem MRG nach dem Verhältnis der Nutzflächen zu verteilen, während die übrigen Aufwendungen im Verhältnis der Miteigentumsanteile zum Zeitpunkt des Endes der Abrechungsperiode aufzuteilen seien. Für den Fall der Nichterfüllung der Abrechnungsverpflichtung drohte das Rekursgericht der Antrasgegnerin eine Ordungsstrafe von 1.000 Euro an. Das Rekursgericht erwog rechtlich, es sei der in Pkt XI. des Wohnungseigentumsvertrags vergesehene Aufteilungsschlüssel noch vor Wirksamkeit des Eigentumserwerbs des Antragstellers vereinbart worden und daher auch für diesen bindend. Der in Pkt XI. des Wohnungseigentumsvertrags vereinbarte Aufteilungsschlüssel sei allerdings so zu verstehen, dass (nur) die Betriebskosten und die öffentlichen Abgaben nach dem Verhältnis der Nutzflächen, die übrigen Aufwendungen aber wegen im MRG hiefür fehlender Verteilungskriterien nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile abzurechnen seien. Diesen Anforderungen entspreche die Antragsgegnerin nicht, wenn sie für alle Aufwendungen die Nutzflächen heranziehen wolle.
Das Rekursgericht sprach aus, der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteige 10.000 Euro und der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig, weil lediglich die im Einzelfall getroffene Aufteilungsvereinbarung zu beurteilen gewesen sei.
Gegen diesen Entscheidung des Rekursgerichts richten sich die außerordentlichen Revisionsrekurse beider Parteien. Der Antragsteller strebt die Abänderung des zweitinstanzlichen Sachbeschluss dahin an, dass die Antragsgegnerin zur Legung einer Abrechnung (nur) nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile und zum Ersatz sämtlicher Verfahrenskosten verpflichtet werde; hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt. Der Antragsteller hält im Revisionsrekurs seine Ansicht aufrecht, wonach der in Pkt XI. des Wohnungseigentumsvertrags vorgesehene Aufteilungsschlüssel erst nach seinem Wohnungseigentumserwerb vereinbart worden, ihm demnach unbekannt gewesen und für ihn daher nicht maßgeblich sei. Von der Antragsgegnerin seien im Verlauf des Verfahrens insgesamt vier Abrechnungsvarianten vorgelegt worden, von denen keine der rekursgerichtlichen Überprüfung standgehalten habe; der Antragsgegnerin hätten daher alle Verfahrenskosten auferlegt werden müssen.
Die Antragsgegnerin strebt die Abänderung des zweitinstanzlichen Sachbeschluss im Sinne der (gänzlichen) Abweisung des Rechnungslegungsauftrags an. Hilfsweise stellt auch die Antragsgegnerin einen Aufhebungsantrag und macht in der Sache - zusammengefasst - geltend, mit ihren zuletzt für 2000 und 2001 gelegten Abrechnungen (Blg ./16 und ./18) ohnehin den vom Rekursgericht gestellten Anforderungen entsprochen und die Betriebskosten nach dem Nutzflächenschlüssel, die Reparaturrücklage dagegen nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile abgerechnet zu haben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs des Antragstellers ist mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG nF unzulässig. Der Revisionsrekurs der Antragsgegnerin ist zulässig und auch berechtigt, weil das Rekursgericht verkannt hat, dass die Antragsgegnerin mit ihren zuletzt für 2000 und 2001 gelegten Abrechnungen (Blg ./16 und ./18) den vom Rekursgericht gestellten Anforderungen bereits entsprochen hat.
I. Zum Revisionsrekurs des Antragstellers:
1. Der abweichende Verteilungsschlüssel war im Wohnungseigentumsvertrag vom 11. 11. 1998 vereinbart worden. Der den Wohungseigentumserwerb des Antragsstellers begründende Kaufvertrag bedurfte für seine Rechtswirksamkeit der ausländergrundverkehrsbehördlichen Genehmigung (zur suspensiven Wirkung einer solchen Genehmigung vgl RIS-Justiz RS0038627), die erst nach Abschluss des Wohnungseigentumsvertrag am 1. 2. 1999 erteilt wurde. Die Ersichtlichmachung der „Vereinbarung über die Aufteilung der Aufwendungen gemäß § 19 WEG" erfolgte zu TZ 3373/1998 und die Einverleibung des Eigentums des Antragstellers zu TZ 1629/2000. Der Antragsteller ist daher als Rechtsnachfolger gemäß § 19 Abs 5 WEG 1975 (nunmehr: § 32 Abs 7 WEG 2002) an den im Wohnungseigentumsvertrag vereinbarten Aufteilungsschlüssel gebunden; die Ersichtlichmachung dieser Vereinbarung im Grundbuch hat keine rechtserzeugende Wirkung (Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht, § 32 WEG Rz 59).
2. Über den Kostenpunkt ist der Revisionsrekurs gemäß § 62 Abs 2 Z 1 AußStrG nF jedenfalls unzulässig (vgl auch RIS-Justiz RS0044228; RS0044110).
Der außerordentliche Revisionsrekurs des Antragstellers ist daher mangels Vorliegens einer - der Überprüfung zugänglichen - Rechtsfrage im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG nF unzulässig und zurückzuweisen.
II. Zum Revisionsrekurs der Antragsgegnerin:
1. Das Rekursgericht hat die im Wohnungseigentumsvertrag vom 11. 11. 1998 getroffene Vereinbarung eines Aufteilungsschlüssel dahin ausgelegt, dass (nur) die Betriebskosten und die öffentlichen Abgaben nach dem Verhältnis der Nutzflächen, die übrigen Aufwendungen (hier nur mehr: die Reparaturrücklage) nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile abzurechnen seien. Dieses Auslegungsergebnis ist im Revisionsrekursverfahren nicht mehr strittig; es wird auch nicht mehr aufgegriffen, dass - nach der vom Erstgericht vertretenen Ansicht - der nicht ausgebaute Dachboden nicht in die Nutzflächenberechnung einzubeziehen ist (vgl dazu Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht, § 17 MRG Rz 15 ff).
2. Die weitere Annahme des Rekursgerichts (zweitinstanzlicher Sachbeschluss S. 4), die Antragsstellerin ziehe für die Abrechnung aller Aufwendungen nur das Verhältnis der Nutzflächen heran, beruht offenbar auf dem unpräzisen vorletzten Satz der erstgerichtlichen Feststellungen, wonach „sämtliche Abrechnungen .... nunmehr auf dem Nutzflächenschlüssel (beruhen)" (erstinstanzlicher Sachbeschluss S. 11). Diese Annahme widerspricht jedoch dem ausdrücklich festgestellten Verweis des Erstgerichts auf die erfolgte Abrechnung nach den Blg ./16 (Jahr 2000) und ./18 (Jahr 2001; erstinstanzlicher Sachbeschluss S. 10 f). In diesen Abrechungen jeweils vom 4. 11. 2003 werden nur die Betriebskosten und die öffentlichen Abgaben gemäß dem Nutzflächenschlüssel, die Reparaturrücklage dagegen gemäß den Miteigentumsanteilen abgerechnet. Damit ist den Forderungen des Rekursgerichtes bereits entsprochen, was in Stattgebung des Revisionsrekurses der Antragsgegnerin zur (gänzlichen) Wiederherstellung des in allen Punkten abweisenden Sachbeschlusses des Erstgerichts führen muss.
III. Zur Kostenentscheidung:
§ 37 Abs 3 Z 17 MRG idF des WohnAußStrBeglG ist nur anzuwenden, wenn die Sache nach dem 31. 12. 2004 anhängig geworden ist (Art 10 § 2 Abs 3 WohnAußStrBeglG); hier gilt daher noch § 37 Abs 3 Z 19 MRG aF, wonach die Kosten rechtsfreundlicher Vertretung grundsätzlich jede Partei selbst zu tragen hat. Barauslagen hat die Antragsgegnerin nicht verzeichnet; der erfolglose Antragsteller hat diese selbst zu tragen.