JudikaturOGH

1Nc73/05h – OGH Entscheidung

Entscheidung
07. September 2005

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner und Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Brunner, Kohlbacher Advokatur GmbH in Graz, wider die beklagten Parteien 1) Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17-19, und 2) Kommerzialrat Heinz M*****, vertreten durch Kaan, Cronenberg Partner, Rechtsanwälte in Graz, wegen EUR 15.633,43 sA und Feststellung (Streitwert 2.000 EUR), folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Antrag der klagenden Partei, die Rechtssache gemäß § 9 Abs 4 AHG zur Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Salzburg zu delegieren, wird abgewiesen.

Text

Begründung:

Die klagende Partei begehrte in der beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz eingebrachten Klage, die beklagten Parteien zur ungeteilten Hand zur Zahlung von 15.633,43 EUR zu verurteilen und weiters deren ungeteilte Haftung „für sämtliche kausale, zukünftige, derzeit noch nicht bekannte Schäden" aus dem zu 9 E 4762/02a des Bezirksgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Exekutionsgericht geführten Zwangsverwaltungsverfahren auszusprechen. Sie brachte im Kern vor, das Exekutionsgericht habe gegen sie als verpflichtete Partei ein Verwertungsverbot für ihr Hauptmietrecht an einem Grazer Bestandobjekt ausgesprochen und der betreibenden Partei „die Verwertung" dieses Mietrechts durch Zwangsverwaltung bewilligt. Im Verwertungsverfahren seien das Exekutionsgericht und der als Zweitbeklagter in Anspruch genommene Zwangsverwalter - trotz wiederholter Hinweise der klagenden Partei auf Gefahr im Verzug - untätig geblieben. Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz habe Fristsetzungsanträgen - auch der klagenden Partei - in unvertretbarer Weise nicht stattgegeben. Im Übrigen wurde bereits in der Klage die „Delegierung dieser Rechtssache" an das Landesgericht Salzburg beantragt.

Mit Beschluss des Oberlandesgerichts Graz vom 17. 12. 2004 (5 Nc 19/04v) wurde „zur Behandlung der Klage" das Landesgericht Leoben gemäß § 9 Abs 4 AHG als zuständig bestimmt.

Mit Schriftsatz vom 4. 7. 2005 (ON 15) lehnte die klagende Partei den

beim Landesgericht Leoben zuständigen Verhandlungsrichter ab. Sie

beantragte ferner neuerlich die „Delegation der Rechtssache außerhalb

des Sprengels des OLG Graz" an das Landesgericht Salzburg, solle doch

„gemäß den Bestimmungen des § 9 Abs 4 AHG ... selbst der Anschein der

Befangenheit von Richtern vermieden werden". Im Schriftsatz vom 29.

7. 2005 führte die klagende Partei ergänzend aus, es sei „aufgrund

der Rotation und Ernennungspraxis des OLG ... mit an Sicherheit

grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass Richter des LGZ nunmehr in den Senaten des OLG jeweils Graz vertreten" seien. Zumindest sei ein solcher Sachverhalt „nicht auszuschließen". Diese „Möglichkeit" reiche bereits aus, den „Anschein einer Befangenheit" als Rechtfertigung für eine Delegierung der Rechtssache zu begründen. Die beklagten Parteien sprachen sich gegen eine Delegierung der Rechtssache an ein außerhalb des Sprengels des Oberlandesgerichts Graz gelegenes Gericht aus.

In der Folge legte das Oberlandesgericht Graz den Akt dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung nach § 9 Abs 4 AHG vor, weil die klagende Partei ihren Delegierungsantrag ausdrücklich auf diese Norm gestützt habe.

Rechtliche Beurteilung

Der Delegierungsantrag ist nicht berechtigt.

1. Gemäß § 9 Abs 4 AHG ist u. a. dann ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung der Rechtssache vom übergeordneten Gericht zu bestimmen, wenn der Ersatzanspruch aus einem Verhalten richterlicher Organe eines unmittelbar oder im Instanzenzug zuständigen Oberlandesgerichts abgeleitet wird. Zweck dieser Norm ist es, alle unmittelbar oder im Instanzenzug zuständigen Gerichte, aus deren Entscheidung(en) ein Amtshaftungsanspruch abgeleitet wird, von der Entscheidung über einen solchen Anspruch auszuschließen, damit nicht Richter eines Gerichtshofs über das Verhalten anderer Richter dieses Gerichtshofs abzusprechen haben (1 Ob 356/97b; 1 Nd 10/99 uva). Wird der Ersatzanspruch auf ein Verhalten richterlicher Organe eines Oberlandesgerichts gestützt, so ist ein Landesgericht außerhalb des Sprengels des nach dem Klagegrund betroffenen Oberlandesgerichts als zuständig zu bestimmen, weil es nicht möglich ist, die Zuständigkeit des Gerichts erster Instanz unverändert zu lassen und bloß ein anderes Oberlandesgericht als Rechtsmittelgericht zu bestimmen (1 Nd 9/85 ua).

2. Hier wurde der Ersatzanspruch - wie eingangs ausgeführt - nicht aus einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Graz abgeleitet.

Richterlichen Organen dieses Gerichts warf die klagende Partei kein

Fehlverhalten vor. Lediglich dann, wenn gerade diese Richter des

damaligen Exekutionsgerichts oder des diesem im

Fristsetzungsverfahren übergeordneten Landesgerichts, deren Verhalten

als Klagegrund geltend gemacht wurde, seither zu Richtern des

Oberlandesgerichts Graz ernannt worden wären, wäre der Tatbestand des

§ 9 Abs 4 AHG erfüllt und die Rechtssache an ein Landesgericht

außerhalb des Sprengels des Oberlandesgerichts Graz zu delegieren

(siehe zu dieser Rechtslage RIS-Justiz RS0119894). Ein solcher

konkreter Ernennungsvorgang wurde indes weder vom Kläger behauptet

noch vom Oberlandesgericht Graz anlässlich der Aktenvorlage an den

Obersten Gerichtshof berichtet.

3. Aus den voranstehenden Erwägungen folgt, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Delegierung der Rechtssache an ein Landesgericht außerhalb des Sprengels des Oberlandesgerichts Graz nach den als Klagegrund behaupteten Tatsachen zusammen mit dem Mangel eines Ernennungsvorgangs, wie er unter 2. erörtert wurde, nach keinem der in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkt vorliegen.

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