4Ob118/05i – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Gitschthaler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A. ***** KG Bestattungsinstitut, *****, vertreten durch Dr. Wilfrid Raffaseder und Mag. Michael Raffaseder, Rechtsanwälte in Freistadt, gegen die beklagte Partei Bernhard B*****, Bestattungsunternehmer, *****, vertreten durch Dr. Johannes Hintermayr und andere Rechtsanwälte in Linz, wegen Unterlassung (Streitwert 25.000 EUR) und Veröffentlichung (Streitwert 2.500 EUR), über die außerordentliche Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz vom 20. April 2005, GZ 1 R 3/05z-16, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO). Der Antrag auf Zuspruch der Kosten der Revisionsbeantwortung wird gemäß § 508a Abs 2 Satz 2 und § 521a Abs 2 ZPO abgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Die Klägerin vertritt zunächst die Auffassung, die Vorinstanzen hätten bei Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts zu Unrecht nicht die Regeln des Anscheinsbeweises angewendet. Da Josef J***** Margit P***** einen „schönen Gruß" vom Beklagten ausgerichtet habe, sei der logische Schluss als erwiesen anzusehen, dass diesbezüglich eine Absprache zwischen dem Beklagten und Josef J***** bestanden habe; damit habe sich der Beklagte aber entgegen den Standesregeln für Bestatter, BGBl 247/1990, einer Person bedient, die Empfehlungen für ihn abgegeben habe.
Richtig ist zwar, dass die Frage der Zulässigkeit des Anscheinsbeweises eine Rechtsfrage und daher revisibel ist (Rechberger in Fasching/Konecny² Vor § 266 ZPO Rz 67 mwN aus Lehre und Rechtsprechung). Der Anscheinsbeweis beruht aber darauf, dass bestimmte Geschehensabläufe typisch sind und es daher wahrscheinlich ist, dass auch im konkreten Fall ein derartiger gewöhnlicher Ablauf und nicht ein atypischer gegeben ist (4 Ob 206/99v = ÖBl 2000, 77 - BLAUSIEGEL mwN; RIS-Justiz RS0040266). Voraussetzung ist ein Erfahrungssatz, der sich aus einem gleichmäßigen, sich immer wiederholenden Hergang ergibt, dem neuesten Stand der Erfahrungen entspricht sowie eindeutig und in jederzeit überprüfbarer Weise formuliert werden kann. Der Anscheinsbeweis ist daher unzulässig, wenn der Kausalbablauf durch einen individuellen freien Willensentschluss eines Menschen bestimmt wird; die (unzulässige) Auffüllung von Lücken der Beweisführung durch bloße Vermutungen hat überhaupt nichts mit dem Anscheinsbeweis zu tun (Rechberger aaO Rz 58 mwN).
Ein derartiger typischer Geschehensablauf ist hier nicht gegeben. Wer einen „schönen Gruß" eines anderen ausrichtet, kann dies auch aus freien Stücken tun. Das gilt vor allem dann, wenn er – wie im vorliegenden Fall - mit dem dadurch hergestellten Kontakt ein Eigeninteresse verfolgt.
Sind die Voraussetzungen für die Anwendung der Regeln des Anscheinsbeweises nicht gegeben, so spielt es keine Rolle, dass der Anscheinsbeweis – wie im Fall der von der Klägerin zitierten Entscheidung 4 Ob 206/99v (= ÖBl 2000, 77 – BLAUSIEGEL) - als sachgerecht empfunden wird, wenn konkrete Beweise vom Beweispflichtigen billigerweise nicht erwartet werden können, weil es sich um Umstände handelt, die allein in der Sphäre des anderen liegen und daher nur ihm bekannt und nur von ihm beweisbar sind. Im vorliegenden Fall trifft dies im Übrigen gar nicht zu, da der zu den Gründen für das Ausrichten eines „schönen Grußes" vernommene Zeuge nicht der Sphäre des Beklagten zuzurechnen ist.
2. Die Klägerin macht geltend, das Berufungsgericht habe die Verjährungsfrage von Amts wegen „thematisiert bzw aufgegriffen". Das trifft insoweit zu, als das Berufungsgericht erörtert, aus welchen Gründen der Beklagte möglicherweise den Verjährungseinwand unterlassen hat. Das Berufungsgericht hat aber das Begehren nicht wegen Verjährung abgewiesen und die Verjährung daher auch nicht von Amts wegen berücksichtigt.
3. Die Vorinstanzen haben die Abweisung des Klagebegehrens (auch) damit begründet, dass es gegen das Anbieten von Bestattungsleistungen gegenüber Angehörigen todkranker Personen gerichtet sei, während der Beklagte seine Bestattungsleistungen der Angehörigen eines bereits Verstorbenen angeboten habe. Die Klägerin macht in diesem Zusammenhang geltend, das Berufungsgericht habe zu Unrecht eine „Anpassung" des Klagebegehrens verweigert.
Die Klägerin verkennt damit, dass die geforderte „Anpassung" nur dann zulässig wäre, wenn es sich beim festgestellten Verhalten des Beklagten um ein Minus gegenüber dem im Begehren genannten Verhalten handelte. Das trifft aber nicht zu. Das Anbieten von Bestattungsleistungen gegenüber Angehörigen todkranker Personen wiegt aus Gründen der Pietät wesentlich schwerer als das Angebot gegenüber Angehörigen bereits verstorbener Personen. Im vorliegenden Fall kommt noch hinzu, dass der Beklagte nach dem festgestellten Sachverhalt nicht ohne Aufforderung gehandelt hat.
4. Auch wenn Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Auslegung der Wortfolge „sich Personen bedient" in § 3 Z 3 der Standesregeln für Bestatter fehlt, begründet dies nicht die Zulässigkeit der außerordentlichen Revision. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen hat der Beklagte Josef J***** nicht aufgetragen, Margit P***** einen „schönen Gruß" von ihm auszurichten. Es ist daher unerheblich, ob er sich durch einen derartigen Auftrag einer „Person bedient" hätte.
5. Keine erhebliche Rechtsfrage bildet schließlich der von der Klägerin behauptete Verfahrensmangel. Die Klägerin macht geltend, das Berufungsgericht habe lediglich auf die erstgerichtliche Beweiswürdigung verwiesen und wesentliche Argumente der Berufung völlig unbeachtet gelassen. Die Klägerin strebt damit eine im Revisionsverfahren unzulässige Überprüfung der Feststellungen an.