JudikaturOGH

2Ob180/05t – OGH Entscheidung

Entscheidung
11. August 2005

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Dr. Baumann, Hon. Prof. Dr. Danzl und Dr. Veith als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Christine F*****, vertreten durch Mag. Gernot Faber und Mag. Christian Kühteubl, Rechtsanwälte in Wiener Neustadt, gegen die beklagte Partei Gerhard F*****, vertreten durch Mag. Manuela Prohaska, Rechtsanwältin in Wien, wegen Unterhalt, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 12. April 2005, GZ 43 R 150/05k 43, womit das Urteil des Bezirksgerichts Meidling vom 28. Dezember 2004, GZ 26 C 18/04h 35, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird hinsichtlich des Betrages von EUR2.416,83 an weiterem Unterhaltsrückstand aufgehoben. Die Rechtssache wird insoweit zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Im September 2001 zog der Beklagte bei aufrechter Ehe mit der Klägerin aus dem gemeinsamen Haushalt in einem im Hälfteeigentum der Ehegatten stehenden Haus aus. Danach wurden Hauskosten wie Gemeindeabgaben und Wohnbauförderungsdarlehensraten teils von ihm, teils von der Klägerin, die das Haus nunmehr allein bewohnt, bezahlt.

Das Erstgericht verurteilte den Beklagten zur Zahlung eines Unterhaltsrückstandes für den Zeitraum September 2001 bis Oktober 2004 in Höhe von EUR 5.463,91 sowie eines laufenden Unterhaltes von monatlich EUR 790, .

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten teilweise Folge und änderte das erstgerichtliche Urteil hinsichtlich der Höhe des Unterhaltsrückstandes auf EUR 3.047,08 ab. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei und führte - soweit dies für das drittinstanzliche Verfahren noch von Bedeutung ist - Folgendes aus:

Das Erstgericht habe ab Jänner 2002 die von ihm ermittelten, dem Beklagten zurechenbaren Geld und Naturalunterhaltsleistungen im Ergebnis um jene Beträge gemindert, welche die Klägerin in diesen Zeiträumen an dem Beklagten zuzurechnenden Auslagen selbst gezahlt habe. Dadurch sei im Ergebnis der Geldunterhaltsanspruch der Klägerin um jene Beträge erhöht worden, welche sie in Erfüllung der den Beklagten treffenden Zahlungspflichten geleistet habe.

Das Berufungsgericht vertrete in Anlehnung an die Ausführungen in der Entscheidung 1 Ob 123/04a die Auffassung, dass die Kosten der Wohnversorgung als Teil der allgemeinen Lebenshaltungskosten unterhaltsrechtlich keinen Sonderbedarf begründen, den der Geldunterhaltsschuldner (der Beklagte) neben dem nach allgemeinen Gesichtspunkten der Leistungsfähigkeit einerseits und des Bedarfs andererseits bemessenen Ehegattenunterhalt zusätzlich zu zahlen hätte. Die dem Beklagten zuzurechnenden Geld und Naturalunterhaltsleistungen im Bezug auf die von der Klägerin weiterhin alleine benützte Ehewohnung seien daher folgerichtig als den ausgemessenen Geldunterhalt mindernd zu berücksichtigen. Demgegenüber sei aber die Klägerin hinsichtlich jener Auslagen, die sie in Erfüllung der den Beklagten treffenden Zahlungspflichten erbracht habe, auf einen allenfalls zu begehrenden Ersatz nach § 1042 ABGB zu verweisen, weshalb sich diese Leistungen einer Beurteilung im Rahmen der Ausmessung des Ehegattenunterhaltes entziehen würden. Zu betonen sei, dass es sich bei den vom Erstgericht angerechneten Zahlungen der Klägerin einerseits um auf den Beklagten entfallende Anteile an den Wohnungskosten und andererseits um für den Beklagten gezahlte Selbstbehaltsbeiträge zu einer Sozialversicherung handle, welche aber im Rahmen der Unterhaltsbemessung - ebenso wie die vom Beklagten im Oktober 2002 einbehaltene „Kinderbeihilfe" - nicht zu berücksichtigen seien.

Die ordentliche Revision sei gemäß § 502 Abs 1 ZPO zuzulassen, weil keine höchstgerichtliche Judikatur zur Frage bestehe, ob bzw inwieweit Leistungen, die der unterhaltsberechtigte Ehegatte in Erfüllung einer den unterhaltspflichtigen Ehegatten treffenden Zahlungspflicht erbringe, den auszumessenden Ehegattenunterhalt zu erhöhen vermögen oder im Rahmen einer anlässlich der Unterhaltsbemessung vorzunehmenden Gegenverrechnung unterhaltserhöhend Berücksichtigung finden könnten. Des weiteren erscheine im Hinblick auf die Ausführungen in 1 Ob 123/04a nicht ausreichend geklärt, ob es sich bei den vom Unterhaltspflichtigen für die vom Unterhaltsberechtigten weiterhin allein benützte Ehewohnung geleisteten Zahlungen um anrechenbaren Unterhalt handle oder ob diese Leistungen lediglich auf Grund einer im § 97 ABGB begründeten Vorschusspflicht geschuldet würden, jedoch einem Ersatz nach § 1041 ABGB zugänglich seien.

Gegen diese Berufungsentscheidung richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass dem Begehren auf Zahlung des Unterhaltsrückstandes mit einem weiteren Betrag von EUR 2.416,83 stattgegeben werde.

Der Beklagte beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht die Rechtslage verkannt hat; sie ist im Sinne des im Abänderungsantrag enthaltenen Aufhebungsantrages auch berechtigt.

Die Rechtsmittelwerberin macht im Wesentlichen geltend, den Aufwendungen des Beklagten für die von ihr bewohnte Liegenschaft stünden aufrechenbare, von ihr getätigte höhere Aufwendungen gegenüber, die der Beklagte als Hälfteeigentümer zur Hälfte hätte tragen müssen.

Hiezu wurde erwogen:

Nach ständiger Rechtsprechung können vom Unterhaltspflichtigen getragene Wohnungskosten grundsätzlich einen auf den Geldunterhalt anrechenbaren Naturalunterhalt darstellen (vgl RIS Justiz RS0005907, RS0009578, RS0047248, RS0047254, RS0047258, RS0105634; vgl auch Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 577 ff; Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht3 153 f mwN). Verlässt der Unterhaltsverpflichtete bei aufrechter Ehe grundlos die Ehewohnung, und bleibt der unterhaltsberechtigte Ehegatte allein in der Ehewohnung zurück, ist der Unterhaltsverpflichtete unterhaltsrechtlich so zu behandeln, als wäre er in der Wohnung verblieben, weshalb die von ihm zur Beschaffung und Erhaltung der Wohnung erbrachten Naturalleistungen nur zur Hälfte auf den Geldunterhaltsanspruch des anderen Ehegatten anzurechnen sind (vgl 2 Ob 1/01p mwN = SZ 74/13 = RIS Justiz RS0114742).

Im vorliegenden Fall ist im Revisionsverfahren ohnehin nicht strittig, dass die noch in Rede stehenden Hauskosten (wie Gemeindeabgaben und Wohnbauförderungsdarlehensraten), die zum Teil von der Klägerin, zum Teil vom Beklagten bezahlt wurden, von den Streitteilen als Hälfteeigentümern der Liegenschaft unterhaltsrechtlich zur Hälfte zu tragen sind. Nach der Auffassung des Berufungsgerichtes würden die vom Beklagten geleisteten Zahlungen (zur Hälfte) den Geldunterhaltsanspruch der Klägerin mindern, während diese mit ihren gleichartigen Aufwendungen auf eine Bereicherungsklage zu verweisen wäre.

Dem ist nicht zuzustimmen. Vielmehr kommt eine Anrechnung von Hauskostenzahlungen des Beklagten als Naturalunterhalt auf den Geldunterhalt der Klägerin nur dann in Frage, wenn sich aus diesem Titel ein positiver Saldo (bei Zahlung von mehr als der Hälfte der Hauskosten) zu Gunsten des Beklagten ergibt. Um eine Erhöhung des Geldunterhaltsanspruches der Klägerin handelt es sich hiebei entgegen dem Verständnis des Berufungsgerichtes nicht. Vielmehr ist dieser primäre Anspruch mangels eines solchen Saldos aus der Tragung von Hauskosten nicht zu mindern (im Falle eines negativen Saldos freilich auch nicht zu erhöhen).

Gegenteiliges ist auch der vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung 1 Ob 123/04a nicht zu entnehmen. Dass die Kosten der Wohnversorgung als Teil der allgemeinen Lebenshaltungskosten unterhaltsrechtlich gewöhnlich keinen - zusätzlich zu zahlenden - Sonderbedarf begründen, sagt über die Voraussetzungen der Minderung von Geldunterhalt durch Leistung von Naturalunterhalt nichts aus.

Die betragliche Umsetzung der dargelegten Rechtsansicht des erkennenden Senates wird gemäß § 510 Abs 1 letzter Satz ZPO dem Berufungsgericht überlassen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.

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