9Nc15/05p – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hradil als weitere Richter in den verbundenen Arbeitsrechtssachen der klagenden Parteien
1) Reinhard J*****, 2) Thomas G*****, 3) Hubert *****, 4) Jochen V*****, alle selbständige Versicherungsberater, alle vertreten durch Dr. H. Mayerhofer ua, Rechtsanwälte in Dornbirn, wider die beklagte Partei A***** GesmbH, *****, vertreten durch Kraft Winternitz Rechtsanwälte - Gesellschaft mbH in Wien, 1) EUR 32.464,80 sA, 2) EUR 23.322,72 sA, 3) EUR 7.270,- sA, und 4) EUR 0000021.041,28 sA, über den Antrag der klagenden Parteien auf Delegation gemäß § 31 JN in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Zur Verhandlung und Entscheidung der Rechtssache wird das Landesgericht Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht bestimmt.
Text
Begründung:
Die in Vorarlberg wohnhaften Kläger machen mit ihrem beim Arbeits- und Sozialgericht Wien eingebrachten Klagen Ausgleichsansprüche nach § 24 Abs 4 HVertrG geltend. Sie bringen ua vor, als Handelsvertreter gemäß § 1 Abs 1 HVertrG für die Beklagte tätig geworden zu sein. Da sie weisungsgebunden und einem Konkurrenzverbot unterworfen gewesen seien, seien sie als arbeitnehmerähnlich anzusehen. Im bisherigen Verfahren beantragten die Kläger die Einvernahme von 40 Zeugen, von denen nach der Aktenlage 29 in Vorarlberg ansässig sind. Vier weitere sind aus Wien, die übrigen aus anderen Bundesländern. Die Beklagte beantragte sechs Zeugen, von denen vier in Vorarlberg ansässig sind und zwei in Wien.
Anlässlich der Erörterung der Vorgangsweise im Zusammenhang mit der Einvernahme der aus Vorarlberg zu ladenden Zeugen in der mündlichen Streitverhandlung vom 4. 2. 2005 sprachen sich die Kläger gegen eine Einvernahme im Rechtshilfeweg aus, während die Beklagte diese Art der Einvernahme befürwortete. In weiterer Folge sprach sich die Beklagte für eine Delegierung des Verfahrens an das für Vorarlberg zuständige Gericht aus, was die Kläger ablehnten.
Nunmehr beantragen allerdings die Kläger, die Sache an das Landesgericht Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht zu delegieren. Sie begründen dies im Wesentlichen damit, dass die überwiegende Mehrheit der einzuvernehmenden Zeugen und auch sie selbst in Vorarlberg ansässig seien, sodass durch die Delegierung eine wesentliche Verkürzung des Verfahrens und eine Verringerung des notwendigen Kostenaufwands erreicht werden könne.
Nunmehr sprach sich aber die Beklagte gegen die beantragte Delegierung aus. Sie beruft sich dabei auf eine zwischen den Parteien im Agentenvertrag geschlossene Gerichtsstandsvereinbarung, nach der ausschließlicher Gerichtsstand - je nach Wertzuständigkeit - das Bezirksgericht für Handelssachen Wien oder das Handelsgericht Wien sei. Damit seien die Parteien auch über die örtliche Zuständigkeit übereingekommen. Es gebe keine nachträglich entstandenen Gründe, die es rechtfertigen könnten, von dieser Einigung abzugehen. Zudem seien beim Arbeits- und Sozialgericht Wien mehrere gleichgelagerte Verfahren gegen die Beklagte anhängig, sodass von der Führung auch des vorliegenden Rechtsstreits in Wien eine erhebliche Erleichterung des Verfahrens zu erwarten sei. Zudem seien die Mehrzahl der von den Klägern beantragten Zeugen mangels eines schlüssigen Vorbringens zu den Beweisthemen ohnedies nicht zu laden.
Das Vorlagegericht bezog zum Delegierungsantrag nicht ausdrücklich Stellung, wies aber ua darauf hin, dass beim Arbeits- und Sozialgericht Wien weitere 25 gleichgelagerte Verfahren anhängig seien und bislang kein Urteil ergangen sei. Allerdings seien auch beim Landesgericht Feldkirch mehrere Parallelverfahren anhängig. Dem Delegierungsantrag ist stattzugeben.
Rechtliche Beurteilung
Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung soll eine Delegierung nur den Ausnahmefall darstellen; keinesfalls soll durch eine großzügige Handhabung der Delegierungsmöglichkeiten eine faktische Durchbrechung der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung hervorgerufen werden. Die beantragte Delegierung kann daher nur dann erfolgen, wenn sich die Frage der Zweckmäßigkeit eindeutig zugunsten beider Parteien lösen lässt (Mayr in Rechberger, § 31 JN Rz 4 mwN).
Hier kann im Hinblick darauf, dass der weit überwiegende Teil der Zeugen sowie die Kläger aus Vorarlberg zu laden sind, nicht zweifelhaft sein, dass die beantragte Delegierung zu einer Erleichterung, Verkürzung und Verbilligung des Verfahrens führen kann. Dass - wie die Beklagte meint - der Großteil der Zeugen mangels eines schlüssigen Vorbringens ohnedies nicht zu laden sein wird, kann nach der derzeitigen Aktenlage nicht gesagt werden. Zwar ist richtig, dass das Erstgericht das entsprechende Vorbringen der Kläger zunächst (zu Recht) als unzureichend erachtet und ihnen die Erstattung zusätzlichen Vorbringens aufgetragen hat. Diesem Auftrag sind die Kläger aber nachgekommen.
Die Delegierung ist daher zweckmäßig, was im Übrigen ursprünglich offenbar auch der Ansicht der Beklagten entsprach, die sich zu einem Zeitpunkt, als die Kläger noch dagegen waren, für eine Delegierung ausgesprochen haben.
Auf eine Gerichtsstandsvereinbarung hat sich im bisherigen Verfahren keine der Parteien berufen. Es ist aber richtig, dass aus dem im Akt erliegenden Agenturvertrag ersichtlich ist, dass eine solche Vereinbarung offenbar Bestandteil der von den Klägern mit der Beklagten abgeschlossenen Verträge ist. Nach dieser Vereinbarung wurde als ausschließlicher Gerichtsstand „für sämtliche sich aus diesem oder im Zusammenhang mit diesem Agentenvertrag .... ergebenden Streitigkeiten .. je nach Wertzuständigkeit das Bezirksgericht für Handelssachen Wien oder das Handelsgericht Wien" als zuständig vereinbart. Auf diese Vereinbarung kann sich die Beklagte aber nicht berufen, weil ihrer Wirksamkeit § 9 ASGG entgegensteht: Beim vorliegenden Verfahren, in dem die Behauptung der Kläger über ihre Arbeitnehmerähnlichkeit nicht bestritten wurde, handelt es sich um eine Arbeitsrechtssache, in der nach der zitierten Gesetzesstelle die sachliche Zuständigkeit überhaupt nicht, die örtliche Zuständigkeit nur für einen bestimmten einzelnen Rechtsstreit der in § 50 Abs 1 Z 1 bis 3 ASGG genannten Art durch Vereinbarung geändert werden kann. Dem entspricht der Umstand, dass ja auch die Einbringung der Klage beim Arbeits- und Sozialgericht Wien bereits ein - der Rechtslage entsprechendes - Abgehen von der Gerichtsstandsvereinbarung darstellte, die ja die Klageführung beim Bezirksgericht für Handelssachen Wien oder beim Handelsgericht Wien vorgesehen hätte. Dass beim Arbeits- und Sozialgericht weitere gleichartige Verfahren anhängig sind, steht der Delegierung schon deshalb nicht entgegen, weil solche Verfahren auch beim Landesgericht Feldkirch geführt werden.
Dem Delegierungsantrag ist daher stattzugeben.