1Ob169/05t – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Medizinalrat Mag. DDr. Franz P*****, vertreten durch Dr. Richard Benda und Dr. Christoph Benda, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Margaretha Johanna P*****, vertreten durch Dr. Hans Lehhofer und Mag. Bernhard Lehofer, Rechtsanwälte in Graz, wegen Anfechtung eines Unterhaltsvergleichs (Streitwert 14.277,24 EUR), infolge „außerordentlicher" Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 20. Mai 2005, GZ 2 R 134/05y 13, womit das Urteil des Bezirksgerichts Graz vom 7. März 2005, GZ 28 C 135/04x 9, bestätigt wurde, folgenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Akt wird dem Erstgericht zurückgestellt.
Text
Begründung:
Die Ehe der Streitteile wurde 1972 aus dem Alleinverschulden des Klägers geschieden. Nach dem im Rahmen des Scheidungsverfahrens geschlossenen gerichtlichen Vergleich verpflichtete sich der Kläger zur Zahlung eines wertgesicherten monatlichen Unterhaltsbetrags von ATS 2.600 an die Beklagte. Dessen aktuelle Leistungspflicht beträgt 596,59 EUR monatlich.
Der Kläger begehrte die Herabsetzung seiner Leistungspflicht von 596,59 auf 200 EUR monatlich, weil das Festhalten der Beklagten am bisherigen Unterhalt entsprechend den näheren Klagebehauptungen sittenwidrig sei.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.
Der Kläger erhob dagegen eine „außerordentliche" Revision. Dieses Rechtsmittel legte das Erstgericht direkt dem Obersten Gerichtshof vor.
Der Akt ist dem Erstgericht zurückzustellen.
Rechtliche Beurteilung
1. Die Anfechtung eines Vergleichs über einen gesetzlichen Unterhaltsanspruch ist nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs eine familienrechtliche Streitigkeit gemäß § 502 Abs 4 ZPO iVm § 49 Abs 2 Z 2 JN (3 Ob 74/04k; 6 Ob 115/04m; siehe ferner RIS Justiz RS0046467). Unter diese Streitigkeiten fällt auch eine auf den Rechtsgrund der Sittenwidrigkeit gestützte Vergleichsanfechtung (3 Ob 74/04k). Das folgt hier überdies bereits aus der vom zuständigen Personalsenat in einem Kompetenzstreit gefällten Entscheidung (ON 5).
2. Gemäß § 58 Abs 1 JN richtet sich der Wert des Entscheidungsgegenstands bei Unterhaltsansprüchen nach der dreifachen Jahresleistung. Wird die Erhöhung oder Herabsetzung eines Unterhaltsbetrags begehrt, so folgt der erörterte Wert nicht aus dem Gesamtbetrag der Leistungspflicht, sondern nur aus dem dreifachen Jahresbetrag der begehrten Erhöhung oder Herabsetzung (7 Ob 201/04s; 1 Ob 275/02a; siehe ferner RIS Justiz RS0046543). Bildet daher - wie hier - ein Anspruch auf den gesetzlichen Unterhalt den Entscheidungsgegenstand zweiter Instanz, so bedarf es keines Bewertungsausspruchs (1 Ob 275/02a mwN). Diesem Grundsatz entspricht das angefochtene Urteil.
3. Der Kläger strebte als Ergebnis seiner Anfechtung noch in zweiter Instanz die Herabsetzung des verglichenen Unterhaltsanspruchs seiner geschiedenen Ehegattin um monatlich 396,59 EUR an. Somit betrug der Wert des Entscheidungsgegenstands zweiter Instanz 14.277,24 EUR. Angesichts dessen folgt die Zulässigkeit der Revision aus § 502 Abs 4 ZPO. Danach setzt aber das Eingreifen einer Entscheidungsbefugnis des Obersten Gerichtshofs einen gemäß § 508 Abs 3 ZPO erfolgreichen Antrag nach § 508 Abs 1 ZPO voraus. Das Erstgericht wird deshalb zu beurteilen haben, ob es die „außerordentliche" Revision des Klägers vor dem Hintergrund des § 507b Abs 2 ZPO sogleich oder erst nach Durchführung eines Verbesserungsverfahrens der zweiten Instanz vorlegen soll, entbehrt doch das direkt an den Obersten Gerichtshof gerichtete Rechtsmittel des Klägers eines Antrags an das Berufungsgericht gemäß § 508 Abs 1 ZPO.