1Ob26/05p – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Charlotte Z*****, vertreten durch Dr. Martin Baldauf, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei D***** GmbH in Liquidation, *****, vertreten durch Dr. Othmar Mair, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen EUR 407.913,10 sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 30. Juni 2004, GZ 4 R 4/03z-94, womit das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 17. Juni 2002, GZ 8 Cg 80/99m-55, bestätigt wurde, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Das Erstgericht traf unter Hinweis auf die Beilage XIV „Rückvergütung Löhne" sowie die Beilage XVII (betreffend „Telekom") die Feststellung, es seien S 340.792,81 sowie S 36.250,30 zugunsten der Käuferseite zu berücksichtigen (US 19). In der Beweiswürdigung führte das Erstgericht aus, die Feststellung zu diesen Teilpositionen ließe sich im Wesentlichen aus dem Kaufvertrag und den zitierten Urkunden ableiten (US 20 f). Das Berufungsgericht behandelte die diesbezügliche Beweisrüge der Klägerin (S 15 f der Berufungsentscheidung) und sah diese als nicht berechtigt an. Damit ist hinsichtlich der Teilpositionen „Rückvergütung Löhne" und „Telekom" weder die Fassung des Ersturteils noch jene des Berufungsurteils so mangelhaft, dass dessen Überprüfung nicht mit Sicherheit vorgenommen werden könnte. Ein völliger Mangel der Entscheidungsgründe liegt insoweit nicht vor (siehe Kodek in Rechberger, ZPO2 Rz 12 zu § 477).
2. Die Frage, ob die von der erstgerichtlichen Rechtsmeinung abgehende Ansicht des Berufungsgerichts, der Verkäufer habe die versteckten Baumängel des Hotels arglistig verschwiegen, ein Vorgehen nach § 473a ZPO erforderlich gemacht hätte, ist nicht entscheidungsrelevant. Die Rügepflicht beim beiderseitigen Handelskauf nach § 377 HGB ist nämlich schon von vornherein zu verneinen, da Gegenstand des Handelskaufs iSd §§ 373 ff HGB nur Waren iSd § 1 HGB sind, also bewegliche, körperliche Sachen nicht aber Unternehmen, Liegenschaften und Gebäude (Kramer in Straube, HGB3, vor §§ 373 - 382, Rz 7). Damit kann sich der Verkäufer nicht auf eine Verletzung der Rügepflicht hinsichtlich bestehender Baumängel berufen. Eine relevante Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens infolge eines Verstoßes gegen § 473a ZPO liegt somit nicht vor.
3. Die angebliche Aktenwidrigkeit der Feststellung, der Verkäufer habe alle „Hotelmängel" gekannt, wurde in der Berufung nicht geltend gemacht, sodass sie nicht den Revisionsgrund nach § 503 Z 3 ZPO bilden kann (Kodek aaO, Rz 4 zu § 503). Ebensowenig hat die nunmehrige Revisionswerberin in ihrer Berufung die Höhe der von der beklagten Partei zu tragenden und mit S 17.772,01 festgestellten anteiligen Gerichts- und Anwaltskosten gerügt (S 2 der Berufung = AS 558). Sofern sie ausführt, der nur diese Kosten betreffende Zuspruch sei nicht nachvollziehbar, bekämpft sie unzulässigerweise in dritter Instanz die Beweiswürdigung des Erstgerichts.
4. Auf die Frage der Verletzung der Manuduktionspflicht durch das Erstgericht ist nicht einzugehen, da ein derartiger Verfahrensmangel in der Berufung nicht geltend gemacht wurde (EFSlg 55.100; 57.817 ua).
5. Im Punkt 7 des vom Rechtsanwalt des Verkäufers formulierten Kaufvertrags wurde durch Bezugnahme auf die durch § 12 Abs 14 UStG 1994 geschaffene Möglichkeit der „Überrechnung" vereinbart, dass der Verkäufer, der das Grundstück (Gebäude) umsatzsteuerfrei liefert und die vorläufig mit S 1,664.194 errechnete Umsatzsteuer (Vorsteuer) deshalb aus den Errichtungs-(Investitions-)kosten korrigieren müsste, berechtigt sei, der Käuferin die Umsatzsteuer gesondert in Rechnung zu stellen, sodass diese den Betrag von S 1,664.194 gegenüber der Finanzbehörde als Vorsteuer geltend machen könne. Zu diesem Zweck verpflichteten sich die Parteien, „auf jeweiliges Verlangen der anderen Partei gegenüber der Finanzbehörde alle notwendigen Erklärungen abzugeben und alle Maßnahmen zu setzen, die eine direkte Verrechnung des Vorsteuerguthabens aus der Verrechnung gemäß § 12 Abs 14 UStG mit der Umsatzsteuerschuld des Verkäufers aus der Vorsteuerrückrechnung ermöglichen". Da diese „Überrechnung" bargeldlos im Verrechnungsweg hätte erfolgen sollen, wäre die Zahlung für die beklagte Partei ein bloßer „Durchlaufposten" gewesen; für den Verkäufer bot die „Überrechnung" den Vorteil, den nach der damaligen Gesetzeslage im Falle des Verkaufs einer Liegenschaft sonst nicht möglichen Vorsteuerabzug dem Ergebnis nach doch zu erreichen. Sowohl den Parteienvertretern als auch den Parteien war aber unbekannt, dass zehn Tage vor Vertragsunterzeichnung mit dem Budgetbegleitgesetz 1998 § 12 Abs 14 UStG ohne Übergangsregelung aufgehoben worden war (siehe § 28 Abs 14 lit b UStG idF des Budgetbegleitgesetzes 1998). Die von den Parteien beabsichtigte „Überrechnung" war infolge Außerkrafttretens des § 12 Abs 14 UStG somit von Anfang an unmöglich (§ 878 Abs 1 ABGB), sodass dieser Vertragspunkt als nicht wirksam vereinbart gilt.
Infolge Entfalls dieser Vertragsbestimmung erweist sich die von den Parteien im Vertragspunkt 13.5 getroffene Regelung als wesentlich:
Darin verpflichteten sie sich, bei Wegfall einer Vertragsbestimmung "diese durch eine solche zu ersetzen, die den wirtschaftlichen Interessen beider Vertragsparteien am nächsten kommt". Die Auslegung durch die Vorinstanzen, infolge Außerkrafttretens der durch § 12 Abs 14 UStG 1994 geschaffenen Möglichkeit der „Überrechnung" habe der Verkäufer den aus der Vorsteuerberichtigung resultierenden Betrag nunmehr selbst zu tragen, ohne dass dieser auf die beklagte Partei überwälzt werden könnte, stellt kein unvertretbares Auslegungsergebnis infolge wesentlicher Verkennung der Rechtslage dar (siehe SZ 69/51 uva; RIS-Justiz RS0042936). Um „eine Umsatzsteuerbelastung bei Grundstückslieferungen im Unternehmerbereich" dennoch zu vermeiden (siehe 1161 BlgNR 20. GP), trat mit dem Budgetbegleitgesetz an die Stelle des § 12 Abs 14 UStG die Möglichkeit einer Option zur Steuerpflicht (siehe § 6 Abs 2 UStG 1994 idF des Budgetbegleitgesetzes). Dieser vom Verkäufer abzugebenden Optionserklärung für den Grundstücksumsatz (ganz oder zum Teil) kommt nach der neuen Regelung die Wirkung zu, dass für diesen Umsatz oder Teilumsatz eine USt von 20 % anfällt. Dass die beklagte Partei nach Scheitern der Gespräche über eine einvernehmliche Lösung nicht bereit war, der vom Verkäufer vorgeschlagenen Optionslösung zuzustimmen indem sie zusätzlich zum - für die Liegenschaften und die Gebäude - vereinbarten Kaufpreis von S 80 Millionen den ihr in Rechnung gestellten Umsatzsteuerbetrag von S 14 Millionen akzeptiert, kann ihr nicht als Verstoß gegen die sich aus Punkt 13.5 ergebende Verpflichtung angelastet werden: Diese Verpflichtung zur Schaffung einer Ersatzregelung, die auch die finanziellen Interessen des Vertragspartners wahrt, bestand nach dem ungültigen Vertragspunkt betragsmäßig nur bezüglich (vorläufig errechneter) S 1,664.194 (und nicht hinsichtlich S 14 Millionen) und nur insoweit, als durch die zu schaffende Ersatzregelung nicht die Interessen der beklagten Partei wesentlich stärker beeinträchtigt würden, als jene des Verkäufers. Dies wäre bei der vom Verkäufer vorgeschlagenen Lösung aber der Fall gewesen: Selbst wenn die beklagte Partei diese S 14 Millionen später als Vorsteuer erfolgreich geltend machen hätte können, wäre in einer Umsatzsteuerbelastung dieser Größenordnung im Vergleich zur bargeldlosen Verrechnung von nur etwa S 1,6 Millionen ein wesentlicher Nachteil gelegen. Hinzu kommen die von den Vorinstanzen weiters genannten Nachteile wie die erhöhte Grunderwerbssteuer (diese ist vom erhöhten Kaufpreis zu berechnen) und das Risiko, beispielsweise im Falle einer Umwidmung der Liegenschaft, die Vorsteuer von S 14 Millionen zurückzahlen zu müssen. Einen Vorschlag, der dieser Interessenlage der beklagten Partei entgegengekommen wäre (denkbar wären beispielsweise eine Optionserklärung nur hinsichtlich eines Teilumsatzes oder die Abgabe entsprechender Erklärungen oder Sicherheitsleistungen), hat der Verkäufer nicht erstattet. Auch die Revision zeigt keine alternativen Möglichkeiten im Sinne konkreter Ersatzregelungen auf, deren Ablehnung der beklagten Partei als Verstoß gegen die im Punkt 13.5 übernommene Verpflichtung der Interessenwahrung anzulasten wäre. Vielmehr wiederholt sie lediglich den Standpunkt, die Beklagte habe die entstandene Vorsteuerbelastung von S 1,664.194 zur Gänze zu ersetzen.
Zusammenfassend wäre also die beklagte Partei verbunden gewesen, gemeinsam mit dem Verkäufer eine Ersatzregelung zu schaffen, die diesem den steuerlichen Vorteil aus der „Überrechnung" möglichst erhalten und ihr zumutbare Belastungen aufgewiesen hätte. Sie war aber nicht verpflichtet, ihre Zustimmung zu der vom Verkäufer vorgeschlagenen Option zu erteilen, die für sie jedenfalls mit einer höheren Grunderwerbssteuer und mit wesentlichen Risken verbunden gewesen wäre (vgl SZ 60/50).
Die vom Berufungsgericht vorgenommene Vertragsauslegung bedarf demnach keiner Korrektur.
Eine weitere Begründung ist nicht erforderlich (§ 510 Abs 3 ZPO).